Psychische Einschränkungen sind als Behinderung zu werten

Nicht nur Krankheiten, die eine körperliche oder geistige Einschränkung mit sich bringen, können als Behinderung eingestuft werden. Auch psychische Probleme müssen berücksichtigt werden.

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Von
  • Marzena Sicking

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in einem aktuellen Urteil (vom 11.04.2013, Az.: C-335/11 und C-337/11) klargestellt, dass beim Thema Behinderung nicht nur körperliche und geistige Einschränkungen, sondern auch psychische Probleme vom Arbeitgeber zu berücksichtigen sind. In solchen Fällen könne die Verkürzung der Arbeitszeit eine notwendige Vorkehrungsmaßnahme sein, die ein Arbeitgeber ergreifen muss, damit Menschen mit Behinderung arbeiten können, so die Richter.

Verhandelt wurden Fälle dänischer Arbeitnehmer, die nach längerer Krankheit gekündigt worden waren. Das dänische Arbeitsrecht sieht die Möglichkeit vor, dass ein Arbeitsgeber den Arbeitsvertrag mit einer "verkürzten Kündigungsfrist" von einem Monat beenden kann, wenn der betreffende Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate 120 Tage krankgeschrieben war. Es habe sich aber nicht um eine Krankheit, sondern um eine Behinderung gehandelt, so dass die Arbeitgeber nicht hätten kündigen, sondern stattdessen den Betroffenen Arbeitszeitverkürzung hätten anbieten müssen, so die klagende Gesellschaft.

Das zuständige dänische Gericht hatte den Fall dem EuGH vorgelegt und insbesondere um Erläuterung des Begriffs "Behinderung" gebeten. Außerdem sollte geklärt werden, ob eine Arbeitszeitverkürzung tatsächlich als als eine angemessene Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden kann.

Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass der Begriff der Behinderung von dem der Krankheit zu unterscheiden ist. Eine "Behinderung" sei keine Krankheit, sondern werde durch eine Einschränkung (heilbare oder unheilbare) verursacht. Voraussetzung sei also die ärztliche Diagnose einer Krankheit, die Einschränkung mit sich bringt. Diese könnten auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sein. Einen vollständigen Ausschluss von der Arbeit oder vom Berufsleben habe eine Behinderung hingegen nicht zwingend zur Folge.

Außerdem bestätigten die Richter, dass eine Arbeitszeitverkürzung eine angemessene Vorkehrungsmaßnahme sein kann, um Menschen mit Behinderung Zugang zur Beschäftigung zu ermöglichen. Der Gerichtshof weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass die Richtlinie den Arbeitgeber dazu verpflichtet, geeignete und angemessene Vorkehrungsmaßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. Außerdem seien solche Maßnahmen angebracht, damit Betroffene ihre Arbeit weiter ausüben können.

Ob in den voliegenden Fällen eine Krankheit oder eine Behinderung vorgelegen hat, haben die Richter nicht beurteilt. Dies sei Sache des nationalen Gerichts. Ebenso die Frage, ob die Verkürzung der Arbeitszeit als Vorkehrungsmaßnahme im vorliegenden Fall eine unverhältnismäßige Belastung der Arbeitgeber darstellt. (masi)