Sexuelle Anspielungen sind keine "Neckerei"

Der Einkäufer hielt seine Anzüglichkeiten für harmlosen Spaß, sein Arbeitgeber nicht. Der Mann wurde fristlos gefeuert. Eine angemessene Reaktion, wie das BAG jetzt feststellte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der Einkäufer eines Möbelhauses war sich keiner Schuld bewusst und klagte, nachdem sein Arbeitgeber ihn wegen sexueller Belästigung mehrerer Mitarbeiterinnen fristlos gefeuert hatte.

Der Mann war seit 31 Jahren im Betrieb, als er am 18. Oktober 2007 eine Abmahnung erhielt. Eine Kollegin hatte sich bei den Vorgesetzten über ihn beschwert, weil der Mann ihr einen Klaps auf den Hintern gegeben hatte. Danach herrschte ein paar Monate Ruhe, bis der Mitarbeiter an zwei Tagen in einer anderen Filiale eingesetzt wurde und dort gegenüber der 26-jährigen Einkaufsassistentin mehrere "Bemerkungen sexuellen Inhalts" machte. Die meldete das ebenfalls den Vorgesetzten. Der Mitarbeiter bekam noch Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, erhielt ein paar Tage später aber auch die fristlose (und hilfsweise fristgemäße) Kündigung.

Der Mitarbeiter erhob dagegen eine Kündigungsschutzklage. Seine Argumentation: Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigen, sondern lediglich "necken" wollen. Daher sei höchstens eine Abmahnung gerechtfertigt gewesen, aber keine Kündigung. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig, auch sei keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt. So habe der Arbeitgeber den Betriebsrat tendenziös informiert und unter Hinweis auf die frühere Abmahnung in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet. Schließlich seien die früheren Abmahnungen zwischenzeitlich schon aus seiner Personalakte entfernt worden.

Mit dieser Ansicht stand der Mann vor Gericht allerdings alleine da, das Bundesarbeitsgericht erklärte die fristlose Kündigung jetzt für rechtmäßig und bestätigte – im Gegensatz zur Vorinstanz –, dass es sich um eine erhebliche Grenzüberschreitung handle. Die Kündigung beruhe im Sinne des § 626 Abs.1 BGB daher auf einem wichtigen Grund. Dieser müsse Vorliegen, damit eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden kann. Diese setzt voraus, dass unter Abwägung der Interessen beider Parteien eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar erscheint. Und im Gegensatz zu dem Mitarbeiter sah es das Gericht als durchaus erwiesen an, dass der Mann die Mitarbeiterin wiederholt sexuell belästigt habe.

Eine sexuelle Belästigung liege nämlich unter anderem auch vor, wenn es sich bei dem unerwünschten Verhalten um Bemerkungen sexuellen Inhalts handelt und diese Belästigung darauf abzielt bzw. bewirkt, dass die betroffene Person sich in ihrer Würde verletzt fühlt. Dabei komme es nicht auf vorsätzliches Verhalten an. Entscheidend ist also nicht, dass der Kollege die Mitarbeiterin nur "necken" wollte, sondern wie sie diesen angeblichen Spaß empfunden hat. Entscheidend sei, dass die Verhaltensweise objektiv als unerwünscht erkennbar war.

In seinen Bemerkungen hatte der Mann zunächst angedeutet, sie würde ihre körperlichen Reize bewusst für ihn zur Schau stellen. Es folgte ein anzüglicher Vergleich in Bezug auf einen Zollstock. Später sprach er die Mitarbeiterin noch direkt auf ihr Sexualleben an und machte ihr ein eindeutiges Angebot. Dass dies nicht erwünscht war, sei für den Kläger klar erkennbar gewesen. Es sei auch nicht von Bedeutung, dass im Fall der ersten Abmahnung ein körperlicher und hier ein verbaler Übergriff stattgefunden habe. Es handle sich in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Außerdem hatte der Arbeitgeber bei der ersten Abmahnung zum Ausdruck gebracht, dass bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung folgen werde (Urteil vom 09.06.2011, Az.: AZR 323/10). (Marzena Sicking) / (map)
(masi)