Vom Gewerbetreibenden zum Freiberufler: so funktioniert's

Es gibt große Unterschiede zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden und die gehen meistens ins Geld. Deswegen wären die meisten auch lieber freiberuflich tätig. In einigen Fällen ist das auch machbar, wie Steuerberater Ralf Müller von Baczko erklärt.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Marzena Sicking
Inhaltsverzeichnis

Die Entscheidung zwischen freiberuflicher oder gewerblicher Tätigkeit ist enorm wichtig, weil sie weitreichende Folgen hat. Dies zeigt sich auch daran, dass immer wieder die Gerichte mit Verfahren beschäftigt werden, in denen die Kläger sich als Freiberufler ansehen und dies gerichtlich durchsetzen wollen.

Dass die meisten Selbständigen dann lieber als Freiberufler, denn als Gewerbetreibender eingestuft werden wollen, liegt schlicht und ergreifend daran, dass man als Freiberufler doch einige Vorteile hat, wie Steuerberater Ralf Müller von Baczko erklärt: "Sie müssen keine Gewerbesteuer zahlen, da sie nicht gewerblich tätig sind. Sie dürfen ihren Gewinn mittels der sogenannten Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, was recht einfach und sicherlich auch kostensparend ist. Sie können Ihre Umsätze (auf Antrag) nach vereinnahmten Entgelten umsatzversteuern, unabhängig von der Höhe ihrer Umsätze." Vorteile, die sich durchaus in barer Münze niederschlagen. Allerdings ist es gar nicht so klar, was unter einem "Freiberufler" zu verstehen ist. "Das Umsatzsteuergesetz gibt da nichts her und verweist auf das Einkommensteuergesetz. Doch auch hier wird man nicht wirklich fündig", erklärt Ralf Müller von Baczko.

Einige Berufsgruppen, darunter Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Handelschemiker, Notare und Krankengymnasten werden auch im Einkommenssteuerrecht als Freiberufler definiert, um gleich darauf mit dem Zusatz "…und ähnliche Berufe…" wieder für Verwirrung bzw. eine gute Klage-Grundlage zu sorgen. Auch die weitere Umschreibung "… die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit…" sorgt nicht gerade für klare Verhältnisse.

Selbst die höchstricherliche Instanz beantwortet nicht alle Fragen. So beschreibt der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Freiberuflichkeit wie folgt: Tätigkeiten, die u.a. ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen berufsständischen Regelung unterliegen. Außerdem ist die selbstständige Tätigkeit stark im Vordergrund, also die Übernahme des Unternehmerrisikos."

Dipl.-Kfm. Ralf Müller von Baczko, Steuerberater. Als studierter Betriebswirt hat Ralf Müller von Baczko 1987 die Kanzlei MVB & CIE. Müller von Baczko, Steuerberatungsgesellschaft mbH mitbegründet und als Hauptgeschäftsführer geleitet. Ab 1990 expandierte Müller von Baczko mit mehreren Niederlassungen in den neuen und alten Bundesländern. Der vielfach musisch begabte Familienvater ist der geistige Vater des Konzepts von steuerberaten.de. Bei steuerberaten.de fungiert Müller von Baczko als Geschäftsführer.
Kontakt und weitere Informationen unter www.steuerberaten.de

Etwas mehr Sicherheit gibt es in der IT-Branche aber aufgrund der laufenden Rechtsprechung: Bisher stand nach entsprechenden Urteilen schon sicher fest, dass die Entwicklung anspruchsvoller Computer-Software durch Diplom-Informatiker oder ähnlich qualifizierte Personen in den Bereich der Freiberuflichkeit fällt (Software-Entwicklung). Drei weitere Urteile des Bundesfinanzhofs zeigen, dass auch in anderen Fällen eine Anerkennung der Freiberuflichkeit durchaus machbar ist.

Ein Diplom-Ingenieur für technische Informatik war als Systemadministrator tätig. Seine Tätigkeit bestand im Einzelnen darin, Rechnernetzwerke durch Installation und Konfiguration von Windows-Software einzurichten, zu betreuen, Störungen im Netzwerk zu beheben und die eingesetzte Software im Einzelfall zu modifizieren. Außerdem hatte er das System gegen unbefugten Zugriff zu sichern. Die Überwachung der Server erfolgte mittels vom Diplom-Ingenieur selbst entwickelter Hilfs- und Dienstprogramme (Skripte). Als Systemadministrator oblag ihm die Anwendung der vorhandenen Hard- und Software. Hier entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Diplom-Ingenieur als Freiberufler einzustufen wäre, denn seine Tätigkeiten seien als "klassische Ingenieurleistungen" anzusehen.

Der Kläger besuchte eine Fachschule für elektronische Datenverarbeitung (EDV) und legte dort die staatliche Prüfung zum Betriebswirt-EDV ab. Anschließend war er bei einem Großversandhaus und bei der A AG im Bereich der Systemanalyse, Systemberatung, Systemtechnik und Systemprogrammierung tätig. Ab dem Jahre 1980 arbeitete er als Systemprogrammierer bei einer Tochtergesellschaft der A. 1991 machte er sich unter der Bezeichnung Unternehmensberater auf dem Gebiet des EDV-Consulting/Software Engineering selbständig. Seine unternehmerischen Aktivitäten führte er über das Jahr 1992 hinaus fort, und zwar in der Rechtsform einer GmbH. In den Streitjahren 1991 und 1992 betreute er selbständig aufgrund eines Software-Partnervertrages Kunden, die Systemsoftware der A erworben hatten. Diese Tätigkeit bestand in der Regel darin, Betriebssysteme und Datenübertragungssysteme aus dem Hause A zu installieren und einzurichten oder auf neue Betriebssysteme umzustellen. Im Jahr 1991 leistete der Kläger zudem Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Labor der Firma B. Auch hier entschied der BFH zugunsten des Autodidakten. Ein Autodidakt, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, kann einen ingenieurähnlichen und damit freien Beruf ausüben, wenn er Betriebs- und Datenübertragungssysteme einrichtet und betreut.

Der Kläger absolvierte nach der mittleren Reife eine Ausbildung an der höheren Handelsschule mit dem Wahlpflichtbereich Datenverarbeitung (DV) und legte dort im Jahr 1981 erfolgreich die Prüfung zum staatlich geprüften Wirtschaftsassistenten DV ab. Anschließend war er in angestellter Position bis 1986 zunächst als Organisations- und dann als Systemprogrammierer tätig. Ab 1986 war der Kläger selbständig auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) berufstätig. Er nahm, wie schon bisher, an einschlägigen Lehrgängen und Seminaren teil. Der Kläger war zunächst für die Firma A, eine Tochtergesellschaft des B Technologiekonzerns, als Subunternehmer tätig. Grundlage der Zusammenarbeit waren eine Rahmenvereinbarung und Einzelprojektverträge. Danach hatte der Kläger für das Projekt C Media Server eine Systemberatung zu erbringen. Diese Aufgabe umfasste u.a. die fachliche Leitung des Projekts, die Auswahl und Einweisung neuer Projektmitarbeiter, die Überprüfung der Leistungen und Sicherstellung des wöchentlichen Reportings, das Erstellen von Projektplänen und die Leitung von Besprechungen sowie die Mitarbeit bei der Definition und der vertraglichen Vereinbarung der Folgephasen. Bei dem C-Projekt waren fünf Lieferanten von DV-Komponenten zu koordinieren, um Kataloge (später auch einen WEB-Auftritt) bestehend aus Textvorgaben des Einkaufs und Bildern des Werbebereichs zu erstellen. Als Subunternehmer der Firma A war der Kläger des Weiteren als Gesamtprojektleiter für die D-Bank tätig. Hier ging es darum, PCs und Notebooks zu tauschen. Eine weitere Subunternehmertätigkeit entfaltete der Kläger schließlich für die Firma E. Seine Aufgabe bestand darin, die Projektleitung eines aus E und dem E-Kunden, der Firma F Business Services, gebildeten Teams zur genauen Ausarbeitung eines Service-Level-Agreements (SLA) zu übernehmen. Dieses Projekt diente der Entwicklung eines SAN (Storage Area Network). Auch hier entschied der BFH, dass ein Autodidakt, der über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprechen, als Leiter von IT-Projekten einen ingenieurähnlichen und damit freien Beruf ausüben kann.

Fazit: Auch in der Überwachung, Kontrolle und Beratung von EDV-Systemen kann man also eine ingenieurähnliche und damit freiberufliche Tätigkeit sehen. Es besteht aber im Einzelfall Diskussionsbedarf, zumindest mit dem Finanzamt. "Wenn Sie sich anhand dieser Beispiele als Freiberufler wiedererkennen, sollten Sie handeln. Die Ersparnis kann durchaus beachtlich sein", so Steuerberater Ralf Müller von Baczko. "Sie sollten unter Hinweis auf die Urteile dem Finanzamt mitteilen, dass Sie sich für einen Freiberufler halten und dies auch gut begründen, also ihre Tätigkeiten ausführlich schildern und gegebenenfalls belegen, zum Beispiel durch Rechnungen."

Sofern Sie überzeugend sind, werden alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide geändert bzw. die Gewerbesteuerbescheide aufgehoben. Für die Zukunft bleiben Sie dann gewerbesteuerfrei! Sie sollten allerdings bedenken, dass die Aufhebung der Gewerbesteuer eine Einkommensteuernachzahlung auslöst, da die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet wird. In der Summe ist es aber immer noch günstiger gewerbesteuerfrei zu sein, auch wenn der Unterschied zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden mit der Erhöhung des Anrechnungsbetrages auf das 3,8-fache des Gewerbesteuermessbetrages im Jahre 2008 weiter abgenommen hat. (Marzena Sicking) / (map)
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