Warum Mark Hurd nicht der neue Microsoft-Chef werden sollte

Im Zusammenhang mit dem möglichen Nachfolger von Microsoft-Chef Steve Ballmer taucht auch der Name des Oracle-Präsidenten Mark Hurd auf. Heise-resale-Kolumnist Damian Sicking hofft, dass der ehemalige HP-Chef dem Software-Hersteller erspart bleibt. Zu groß erscheint ihm das Risiko, dass Hurd abermals die Zukunft eines Unternehmens auf dem Altar der Wallstreet opfert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Ex-HP-Chef und heutiger Oracle-Präsident Mark Hurd,

in einer meiner ersten Kolumnen hier bei heise resale befasste ich mich mit Ihnen. Das war Anfang April 2008 und der Text hatte die Überschrift "HP: Ineffiziente Kostentreiber ausgemerzt". Damals waren Sie Chef von HP und brüsteten sich öffentlich damit, eben jene "ineffizienten Kostentreiber ausgemerzt“ zu haben. Ich hatte diese Aussage mit der Bemerkung kommentiert, dass Sie damit hoffentlich nicht die vielen tausend ehemaligen HP-Mitarbeiter meinten, die Sie vor die Tür gesetzt bzw. deren Arbeitsplätze Sie wegrationalisiert hatten. In den folgenden Jahren hatte mich Ihr Wirken bei HP immer wieder stimuliert, in die Tasten meines Notebooks zu hauen, und heraus kamen dann Artikel mit Headlines wie "Was ist der Unterschied zwischen HP und einer Galeere?" (November 2009) oder "Hurds Hormone oder Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Manager“ (August 2010).

Im September 2010 wechselten Sie nach einem alles in allem unwürdigen Abgang bei HP als Präsident und Vorstandsmitglied zu Oracle, und von Stund an waren Sie aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden. Es ist eben ein Unterschied, ob man die Nummer 1 in einer Firma ist oder die Nummer 2. Vor allem wenn die Nummer 1 Larry Ellison heißt, der Oracle-Gründer, CEO und einer der Popstars der IT-Branche. Wer interessiert sich dann noch für die Manager dahinter? Kein Schwein. Außer den Headhuntern natürlich.

Und über diesen Umweg, den der Headhunter, kamen Sie auch endlich mal wieder in die Schlagzeilen. Als möglicher Nachfolger von Microsoft-Chef Steve Ballmer nämlich. Interessanterweise ist dies hier in Deutschland gar nicht so bekannt, die Diskussion darüber blieb im wesentlichen auf die USA begrenzt. Es war nach meiner Kenntnis das Wallstreet Journal, das Ihren Namen im Zusammenhang möglicher zukünftiger Microsoft-CEOs nannte, es entspann sich daraufhin eine Diskussion, ob Sie für diesen Job eine gute Wahl wären. Es gibt Fans von Ihnen ("6 Reasons Why Mark Hurd Should Be Microsoft's Next CEO") und solche, die Sie für eine Fehlbesetzung hielten (“Mark Hurd as Microsoft-CEO? Gimme a break”). Sie selbst hatten sich auf Nachfrage ebenfalls in der Sache zu Wort gemeldet und in einem Interview gesagt, dass Sie "nicht planen würden“, Ballmers Nachfolger als Microsoft-CEO zu werden. Na gut, was ist diese Aussage wert? Was sollten Sie auch sonst sagen? Aber lieber Herr Hurd, jetzt mal Hand aufs Herz: Wenn man Sie fragen würde, ob Sie Ballmer Nachfolger werden wollen, würden Sie dann wirklich sagen "No, thanks“? Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn ein Mann Ihres Zuschnitt den CEO-Posten eines der weltgrößten Unternehmens ablehnt und er hat keine wirklich triftigen Gründe dafür, dann fragt man sich doch automatisch, was mit ihm nicht stimmt.

Naja, egal. Ich bin ja sowieso nicht dafür, dass Sie den Microsoft-Job kriegen. Das Risiko, dass sich die Geschichte von HP wiederholt, wäre mir einfach zu groß. Was meine ich damit? Als HP-CEO hatten Sie das Unternehmen, seine Mitarbeiter von der Top-Führungskraft bis zum Sachbearbeiter, über jegliches vernünftige und verantwortbare Maß gefordert. Pointiert gesagt hatten Sie sämtliche Werte, für die HP einmal stand, auf dem Altar der Wall Street geopfert. Mark Hurd bedeutete: Immer mehr Umsatz, immer mehr Gewinn, immer geringere Kosten, alles für den Aktienkurs. Das Ergebnis war, dass irgendwann die Seele des Unternehmens auf der Strecke blieb, aber auch dass keine innovativen Produkte mehr aus den Fabriken kamen, weil Sie den Etat für Forschung und Entwicklung zusammengestrichen hatten. Nein, Sie waren nicht gut für HP. Als Sie gehen mussten im Jahr 2010, da mussten Sie gehen wegen dieses undurchsichtigen und fragwürdigen Sexskandals und falscher Spesenabrechungen. Aber eigentlich mussten Sie gehen, weil unter Ihrer Führung das Unternehmen fast komplett ausgebrannt ist. Als Sie endlich von Bord gingen, litt HP unter einem ernsthaften Burn-out. (Tragisch, dass Ihr Nachfolger Leo Apotheker diesen Zustand eher noch verschlimmerte; erst seit Meg Whitman an der HP-Spitze steht, zeichnet sich eine Verbesserung ab.)

Daher kann man nur hoffen, dass Sie nicht der kommende Microsoft-Chef sind. Das wäre nicht gut für Microsoft, nicht gut für die Microsoft-Kunden, nicht gut für die Microsoft-Mitarbeiter und auf Dauer auch nicht für gut für die Microsoft-Aktionäre. Denn Microsoft braucht keinen Gewinnmaximierer und Aktionärsliebdiener, Microsoft braucht jemanden, der die Phantasie der Leute von der Leine läßt und ihnen den Freiraum und die Möglichkeit gibt, sich tolle Produkte auszudenken und zu erschaffen. Bisher haben Sie nicht gezeigt, dass Sie so jemand sind, lieber Herr Hurd.

Oder haben Sie aus der Erfahrung gelernt und sehen einige Dinge heute anders als zu Ihrer Zeit bei HP? Das würde mich freuen, aber verlassen würde ich mich lieber nicht darauf.

Beste Grüße!

Damian Sicking

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale ()