Warum ständige Erreichbarkeit entspannt

Um im Urlaub richtig entspannen zu können, soll man keine beruflichen Anrufe und Mails entgegennehmen, so der bekannte Rat. Wie sich nun zeigt, macht aber ständige Erreichbarkeit die bessere Laune.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Betroffene Arbeitnehmer haben es im Grunde doch schon längst geahnt, weil sie es seit Jahren am eigenen Leib erleben: ständig erreichbar zu sein, kann manchmal ganz schön stressen – aber es beruhigt auch ungemein. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer europaweiten Umfrage von Projectplace. Demnach ruft die Hälfte der Arbeitnehmer auch in den Ferien ihre geschäftlichen E-Mails ab und beantwortet sie teilweise.

Dass es den Trend zur ständigen Erreichbarkeit gibt, ist eigentlich nichts Neues. In der Regel wird er angeprangert, weil er den Arbeitnehmer von echter Erholung abhält und als ausbeuterisches Instrument der Arbeitgeber verstanden wird. Nun zeichnet diese Umfrage aber ein ganz anderes Bild: die Arbeitnehmer rufen ihre Mails regelmäßig ab, obwohl sie vom Arbeitgeber dazu gar nicht aufgefordert wurden.

Vor allem in Skandinavien scheint dies völlig normal zu sein: 59 Prozent der Norweger und 51 Prozent der Schweden gaben an, ihre Job-E-Mails während der Ferien abzurufen. Hier ist – wie frühere Studien zeigen – die Bereitschaft, neue Technologien zu nutzen und die dazugehörigen Veränderungen als Teil der normalen Entwicklung zu sehen, zudem deutlich höher. Man geht mit neuen Medien grundsätzlich entspannter um. Doch auch in Deutschland ist die Bereitschaft zum Scannen des E-Mail-Posteingangs mit 48 Prozent sehr hoch. In Dänemark klicken 43 Prozent die elektronische Post an, in Großbritannien sind es 36 Prozent und in Holland 33 Prozent.

Das interessante dabei: Jeder dritte Befragte erklärte, dass ihm die Kontrolle der E-Mails helfe, besser zu entspannen. Es helfe, den Start nach dem Urlaub im Büro besser zu planen und beim Gedanken an den Job ein "Montagmorgen-Gefühl" zu vermeiden. Die meisten Betroffenen sagen, dass sie lieber im Urlaub ein paar Minuten täglich investieren, als sich nach der Rückkehr durch Hunderte von E-Mails kämpfen zu müssen. Auch das ständige Gefühl, dass bei der Rückkehr ein paar unangenehme Überraschungen warten und damit auch das Kopfkino, dass die Entspannung erst recht verhindert, lässt sich mit dem täglichen Blick in die Mails erfolgreich bekämpfen.

Die meisten der Arbeitnehmer, die das als selbstverständlich und positiv empfinden, sind es aber auch ansonsten gewohnt, mobil zu arbeiten. Sie bestätigten, von ihren Arbeitgebern zur Telearbeit motiviert zu werden: In Dänemark sind das 89 Prozent, in Schweden 85 Prozent und in Norwegen 81 Prozent. Sogar in Deutschland setzen sich 82 Prozent der Unternehmen dafür ein.

Allerdings ist es durchaus möglich, dass wir uns einfach schon sehr an solche Dauereinsätze gewöhnt haben und die Belastung dadurch nicht mehr merken. So hat die Arbeitswissenschaftlerin Annette Hoppe Testpersonen untersucht, die am PC gearbeitet haben. Die reagierten auf Fehler des Rechners ziemlich genervt, wie die Messwerte bewiesen. Trotzdem behaupteten 17 Prozent, dass sie völlig entspannt seien. Stress ist also auch da, wenn man ihn nicht merkt. Auch lässt die Befragung von Projectplace einen sehr wichtigen Aspekt außen vor, nämlich das familiäre Umfeld. Denn selbst wenn das Abrufen der Mails den Arbeitnehmer wirklich nicht stressen sollte, wird der Wutanfall des Partners, der für diese Aktion vermutlich kein Verständnis hat, die Urlaubsstimmung garantiert vermiesen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)