Werkverträge mit Mindestlaufzeit jederzeit kündbar

Schließt der Kunde einen Werkvertrag über Internetservices ab, darf er diesen trotz Mindestlaufzeit jederzeit kündigen. Das hat der Bundesgerichtshof jetzt bestätigt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

IT-Dienstleister können sich nicht auf vereinbarte Mindestlaufzeiten bei Werkverträgen verlassen. Denn solch eine Vereinbarung setzt das Kündigungsrecht des Bestellers nicht außer Kraft. Das hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einer mündlichen Verhandlung bestätigt (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - VII ZR 133/10 - LG Düsseldorf).

Geklagt hatte ein IT-Dienstleister, der sich hauptsächlich mit der Erstellung von Internetseiten beschäftigt. Er wurde von der Firma P. im März 2008 mit der Recherche nach einer Wunschdomain, deren Registrierung und der Gestaltung, Programmierung und Betreuung der daraus folgenden Internetpräsenz und gegebenenfalls auch weiterer Beratung und Betreuung beauftragt. In diesem Zusammenhang schlossen die beiden Unternehmen einen so genannten "Internet-System-Vertrag Premium Plus" ab. Für die vereinbarten Leistungen sollte der Kunde eine Anschlussgebühr von 236,81 Euro sowie, jährlich und im Voraus, eine monatliche Pauschale von 194,40 Euro bezahlen. Außerdem wurde eine Mindestvertragslaufzeit von 36 Monaten vereinbart. Der Vertrag sollte sich ohne fristgerechte Kündigung um jeweils ein weiteres Jahr verlängern. Bestandteil der AGB war außerdem eine Klausel, die dem Kunden während der Laufzeit ein Sonderkündigungsrecht "aus wichtigem Grund bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" einräumte.

Der Kunde wollte aber die Mindestlaufzeit dann doch nicht wahrnehmen und kündigte den Vertrag im Juni 2009. Daraufhin stellte der IT-Dienstleister ihm die Anschlussgebühr sowie die monatlichen Raten für die ersten zwei Vertragsjahre in Rechnung. Auch sollte der Kunde ihm die anfallenden Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 265,70 Euro nebst Zinsen erstatten. Der Kunde revanchierte sich mit der Forderung für seine vorprozessual entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 555,60 Euro plus Zinsen. Der Fall landete vor Gericht, zuletzt vor dem BGH.

Die Richter bestätigten, dass der geschlossene Vertrag als Werkvertrag einzuordnen war und trotz einer Mindestlaufzeit von 36 Monaten gemäß § 649 BGB gekündigt werden durfte. Darin heißt es: "Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen."

Diese vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der "freien" Kündigung werde auch nicht durch eine AGB-Klausel zum "Sonderkündigungsrecht" aufgehoben. Allerdings bestätigten die Richter auch, dass dem Dienstleister nach diesem Kündigungsrecht noch Geld zusteht: Der Kunde sei zur Zahlung der vereinbarten Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen verpflichtet. Für die Berechnung der Vergütung sei zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen zu unterscheiden. Erbracht seien die vertraglich versprochenen Leistungen, allerdings nur bis zum 28. September 2008. An diesem Tag nahm der Dienstleister die Website wieder vom Netz und berief sich dabei auf ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund der seitdem ausstehenden Zahlungen. Insofern könne der Dienstleister für einen Zeitraum von sechs Monaten die vereinbarten monatlichen Raten von insgesamt 1.142,40 Euro fordern und auch die Anschlussgebühr von 236,81 Euro. Für nicht erbrachte Leistungen muss der Kunde allerdings nicht zahlen.

Wie das Gericht weiter ausführte, muss die im Vertrag geschlossene Regelung aber nicht zwingend maßgeblich für die Berechnung der ausstehenden Zahlungen sein. Allerdings muss dafür der Dienstleister schlüssig vortragen, warum sich der Anspruch nicht ohne weiteres aus dem Vertrag ergibt. So hatte das Landgericht dem Kläger auf Basis der erbrachten Leistungen insgesamt 1.379,21 Euro zuerkannt. Der Dienstleister machte allerdings geltend, dass er in der Regel den ganz überwiegenden Teil der von ihr geschuldeten Leistungen am Beginn der Vertragslaufzeit erbringt. Daher würden die monatlich vereinbarten Raten nicht dem Wert der bis zur Kündigung tatsächlich erbrachten Leistungen entsprechen. Daher könne die Vergütung auch nicht aus der Summe der Anschlussgebühr und der vereinbarten Raten berechnet werden. Daher wurde der Fall an das Landgericht zurückgewiesen, dort muss nun eine neue Berechnung des Vergütungsanspruchs erfolgen. Hierfür wird der Dienstleister seine Vertragskalkulation offenlegen und detailliert darlegen müssen, welcher Anteil der für die Laufzeit insgesamt vereinbarten Vergütung bereits bis zur Kündigung erbracht worden ist. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)