Zähes Ringen

Wer glaubt, dass der Fachkräftemangel die Gehälter im IT-Sektor nach oben treibt, täuscht sich gewaltig. Die Spezialisten bekommen gerade so viel mehr, dass es den inflationär bedingten Verlust ausgleicht. Führungskräfte betrifft das nicht, die können sich über echten Zuwachs im Portemonnaie freuen.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

In ihrer jährlichen Entgelt-Studie für die ITK-Branche ermittelte die IG Metall ein durchschnittliches Gehalts-Plus im Jahr 2012 von 2 Prozent für IT-Fachpersonal (alle hier referenzierten Untersuchungen findet man unter "Alle Links"). Im Jahre 2011 waren es noch 2,2 Prozent. Das schmale Ergebnis "zeugt nicht davon, dass sich die Branche übermäßig um Fachkräfte bemüht", so Christiane Benner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Obwohl sich IT- und Telekommunikationsindustrie in Deutschland positiv entwickelt haben, kommt bei den Beschäftigten wenig an, so die Kritik der Gewerkschaft. Ein Fachkräftemangel lässt sich aus der Entgeltstudie mithin nicht nachweisen.

Im Einzelnen untersuchen die Autoren der Studie 16 IT-Jobfamilien, darunter Beratung, Callcenter, Fertigung, Rechenzentrum, Soft- und Hardware. Die Ergebnisse in den einzelnen Segmenten unterscheiden sich beträchtlich. Wer sich gehaltsmäßig selbst einschätzen will, sollte sich seine Jobfamilie daher genauer anschauen.

Für kaufmännische Tätigkeiten, bei Vertrieb und Verwaltung errechnete die IG Metall ein Plus. Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen sich die Beschäftigten mit weniger zufriedengeben mussten: Das Gehalt in der Softwareentwicklung sank durchschnittlich um 3,7 Prozent, im Projektmanagement gab es 1,7 Prozent weniger, und in der Beratung schrumpfte das Salär um 2,5 Prozent. Über Zuwachs hingegen können sich Hardwareentwickler freuen. Die genauen Werte zeigt die Tabelle "Entwicklung der IT-Jahresgehälter" für die Kategorien Beratung, Hardware- sowie Softwareentwicklung, die iX seit 2005 kontinuierlich fortschreibt. Alle aufgeführten Gehälter benennen das effektive Jahresbruttoeinkommen. Die Auswertung differenziert zwischen festen und variablen Entgelten.

Zu berücksichtigen ist, dass sich die IG-Metall-Untersuchung auf eine 35-Stunden-Woche bezieht. Wer den Report mit anderen Erhebungen vergleichen will, muss das Ganze auf 40-Stunden pro Woche umrechnen und somit 14,3 Prozent mehr Geld draufpacken. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass man automatisch besser verdient, wenn man länger arbeitet. Vielmehr hat das eine mit dem anderen in der Realität wenig zu tun. Die Auswertung kostet 19,90 Euro und basiert auf 31 923 Datensätzen aus 146 ITK-Unternehmen mit insgesamt 170 000 Beschäftigten. Zu den befragten Unternehmen gehören Ausrüster, Softwarehäuser, IT-Service-, Beratungs- und Consulting-Firmen sowie Callcenter. Die meisten von ihnen hatten bereits in den letzten Jahren teilgenommen.

Positives lässt sich vom Ausbildungsmarkt berichten, denn die Zahl der betrieblichen Ausbildungsverträge in den IT-Berufen stieg im Jahr 2012 um 1,5 Prozent. Und es gab durchschnittlich 3,4 Prozent mehr Geld. Als Ursache dafür nennt die Gewerkschaft die Anpassung der tariflichen Ausbildungsvergütung um 4,3 Prozent.

Nicht nur die Tätigkeit innerhalb einer Jobfamilie und die Hierarchiestufe bestimmen die Höhe des Gehalts. Weitere Faktoren wirken sich aus, dazu gehören Tarifverträge: So beträgt das Wachstum in tarifgebundenen Unternehmen 2,8 Prozent (2011: 2,4 Prozent). Bei nichttarifgebundenen Firmen gab es hingegen nur 1,4 Prozent mehr (2011: 0,5 Prozent). Das liegt unter der Inflationsrate und bedeutet Reallohnverlust. Vor allem Führungskräfte dürfen sich als Gewinner der Einkommensentwicklung fühlen: 75 Prozent der untersuchten Führungspositionen steigerten ihre Jahresgehälter um 3,8 Prozent.

Zu ähnlichen Schlüssen wie die IG Metall kommt die Studie "Führungskräfte und Spezialisten in IT-Funktionen 2012/2013", jährlich herausgegeben von der Vergütungsberatung PersonalMarkt und der Computerwoche. Demnach verdienten Führungskräfte durchschnittlich 5,5 Prozent mehr. Vor allem Bonuszahlungen sind verantwortlich für das üppige Plus. "Qualifizierte Fach- und Führungskräfte sind zunehmend rar, aber nur die Gehälter von Managern stiegen im vergangenen Jahr kräftig an. Ob auch die Einkommen von Fachkräften zulegen, bleibt abzuwarten", so PersonalMarkt-Chef Tim Böger.

Dass besonders Angestellte der oberen Etagen mit mehr Geld rechnen können, hatte PersonalMarkt schon im November 2012 in einer branchenunabhängigen Studie zur Gehaltsentwicklung im laufenden Jahr prognostiziert. Der Abstand zwischen den Gehältern von Fachkräften, Sachbearbeitern und Spezialisten auf der einen Seite sowie von Führungskräften auf der anderen dürfte sich weiter vergrößern. Für Letztere prognostizieren die Vergütungsexperten Zuwächse von 3,3 Prozent, die anderen Entgelte würden 2013 nur um 1,2 Prozent steigen.

Für Fachkräfte und Spezialisten fällt der Anstieg mit 2,2 Prozent sogar kleiner aus als 2011. Für die iX erstellt PersonalMarkt seit 2007 zwei Auswertungen, zu sehen in den Tabellen "IT-Gehälter nach Funktion und Branche" und "IT-Gehälter nach Funktion und Alter". Sie zeigen die Gehaltsentwicklung am Beispiel der Softwareentwickler sowie Abteilungs- und Bereichsleiter in drei Branchen (Software, Systemhaus und Industrie). Die genannten Zahlen entsprechen dem Jahresbruttogehalt in Euro. Basis bildet im Unterschied zur Entgeltstudie der IG Metall eine 40-Stunden-Woche.

"Höhere Gehälter in größeren Unternehmen ergeben sich allein schon deshalb, weil diese Unternehmen oft tarifgebunden sind", so Böger. Zudem bestimmt die Branche die Höhe der Vergütung. Ein 30-jähriger Softwareentwickler kann zwischen 52 811 Euro (Softwarebranche) und 60 078 Euro (Industrie) verdienen, immerhin ein Unterschied von rund 7000 Euro pro Jahr. Bei einem Abteilungsleiter, der zehn Mitarbeiter führt, reicht die Spanne von 100 756 Euro (Software) bis 108 939 Euro (Industrie). Das Salär eines Bereichsleiters, der über 50 Mitarbeiter in mehreren Abteilungen verfügt, liegt zwischen 132 005 Euro (Systemhaus) und 143 548 Euro (Industrie).

Insgesamt werteten die Autoren 15 081 Datensätze aus. 2413 davon stammen von 47 Unternehmen, 12 668 von befragten Fach- und Führungskräften. Die Studie ist mit 599 Euro deutlich teurer als die der IG Metall.

Ebenfalls einen Schwerpunkt auf Branchen legt der Gehaltsrechner "So viel ist Ihre Arbeit wert" von PersonalMarkt und WirtschaftsWoche. Er ermittelt die Bruttogehälter inklusiver fixer und variabler Anteile aus 23 Branchen. Die Tabelle "IT-Berufe in ausgewählten Branchen" zeigt beispielhaft die Angaben für ITLeiter, Softwareentwickler und Systemadministratoren von 2009 bis heute.

Während Festangestellte ein Gehalt mit variablen und festen Bestandteilen erhalten, kalkulieren IT-Freiberufler meist mit Stundensätzen. Derzeit können sie einen durchschnittlichen Betrag von 79 Euro (All-inclusive, netto) pro Stunde verbuchen. Vor einem halben Jahr waren es noch 74 Euro. Zu diesem Ergebnis kommt die Projektbörse GULP in ihrer aktuellen Honorarumfrage. Die Selbstständigen konnten im Jahr 2012 einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 134 449 Euro und einen durchschnittlichen Gewinn von 83 955 Euro aus - weisen. Und die Stimmung ist positiv: 53,8 Prozent der Freiberufler rechnen fest damit, dass ihr Stundensatz im Jahr 2013 da bleibt, wo er ist. 40,9 Prozent wollen ihn anheben. 44,7 Prozent erhalten in ihrem derzeitigen Projekt bereits einen höheren Stundensatz als in dem Projekt davor.

Freiberufler haben neben ihren Projekten allerdings noch andere Dinge zu tun, müssen neue Projekte akquirieren, Papierkram erledigen und sich weiterbilden. Hierfür wenden sie im Schnitt drei Tage pro Monat auf. "Das ist einer von mehreren Gründen dafür, dass der direkte Vergleich zwischen dem Gehalt eines Festangestellten und dem Stundensatz eines Freelancers immer hinken wird", kommentiert Stefan Symanek, Marketing-Leiter von GULP. Weiterhin hat die Studie ergeben, dass 72,9 Prozent der IT-Freelancer ihr aktuelles Projekt über Vermittler bekommen haben. Das gilt vor allem für Aufträge aus größeren Unternehmen. Kunden haben nur 27,1 Prozent der Vorhaben direkt vergeben. Hier stehen die Branchen Beratung und Software an der Spitze.

Überhaupt findet man IT-Freiberufler vor allem in größeren Unternehmen: 54 Prozent der Befragten arbeite(te)n in ihrem aktuellen oder ihrem letzten Projekt in einem Betrieb mit über 5000 Beschäftigten. Nur 18,2 Prozent der Projekte entfallen laut GULP auf Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern. Interessant auch die Verteilung der Freelancer je Branche. Sie tummeln sich besonders in Banken und Finanzinstituten, IT-Unternehmen und in der Automobilbranche.

Nebenbei veranschaulicht die Umfrage, an der sich 2107 Personen beteiligten, deutlich die Verteilung der Geschlechter in der IT und unter den IT-Freelancern: 93,6 Prozent männlich, 6,4 Prozent weiblich. Wann sich der Einsatz von IT-Freelancern aus Unternehmenssicht rechnet, hat Personaldienstleister Etengo in einer Studie ermittelt ("Wann sich Freelancer rechnen").

Alle Studien zeigen: Bei den Fachkräften gibt es leichte Zuwächse, in einzelnen Berufsgruppen sogar weniger. Erheblich stärker steigen die Gehälter des Führungspersonals. Jede Studie setzt ihre eigenen Schwerpunkte, was ihre Vergleichbarkeit erschwert. Während die IG Metall die positive Auswirkung von Tarifverträgen betont, legen die Untersuchungen von PersonalMarkt ihren Fokus auf die Rolle von Branchen.

Alles in allem erhalten sowohl Angestellte als auch IT-Freelancer Anhaltspunkte für die Einschätzung darüber, wie viel Unternehmen derzeit für eine bestimmte Arbeit zahlen. Nicht aus den Augen verlieren darf man zudem die Ansprüche, die der einzelne an seinen Arbeitsalltag stellt und die sich nicht in Geld ausdrücken lassen. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, gutes Betriebsklima, Fortbildungen und Ähnliches.

Inwieweit sich individuelle Gehaltsvorstellungen umsetzen lassen, hängt von zahlreichen Faktoren ab ("Wie man mehr Gehalt bekommt"). Denn kaum jemand dürfte bei entsprechenden Verhandlungen oder Bewerbungsgesprächen mit einer Studie unter dem Arm erscheinen und die dort gelistete Summe einfordern. Verhandlungsgeschick, gute Vorbereitung und Argumente sind gefragt, zumal der vielbeschworene Fachkräftemangel kaum einen Einfluss auf die Gehaltsstrukturen ausübt. (jd)

Die Autorin Barbara Lange ist IT-Journalistin und Inhaberin des Redaktionsbüros kurz und einfach in Lengede. Der Beitrag erschien erstmals in iX 5/2013.