eBay und noch mehr Paragrafen

Seite 3: Das jüngste eBay-Gericht

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Obwohl ein von mir gekaufter und über PayPal bezahlter Artikel nicht der Beschreibung entsprach, hat eBay mir keinen Käuferschutz gewährt. Mein Fall wurde offenbar nicht gründlich genug geprüft; muss eBay nicht gerecht urteilen?

Großen, anonym erscheinenden Instanzen wie eBay oder PayPal gegenüber fühlt sich mancher Käufer und Verkäufer gelegentlich machtlos. Ihre Entscheidungen für Einzelfälle lassen sich, wenn sie einmal gefallen sind, nachträglich nur selten ändern. Die Mitarbeiter dort arbeiten bei der Beantwortung individueller Fragen sehr weitgehend mit Textbausteinen; Anfragende fühlen sich oft nicht ernstgenommen. Andererseits hegen Kunden gegenüber den eBay-Betreibern und dem Käuferschutz verbreitet Erwartungen, die ein Marktplatzunternehmen schlichtweg nicht erfüllen kann: eBay und PayPal sind keine Organe der Rechtspflege.

Wichtig ist es, die verschiedenen Beteiligten an einer eBay-Transaktion rechtlich richtig einzuordnen. Zunächst gibt es den Kaufvertrag zwischen Käufer und Verkäufer. Unabhängig davon haben beide noch Verträge mit eBay und PayPal. Wenn eBay nun eine Entscheidung über den Käuferschutz trifft, hat das keine Auswirkungen auf die Rechte aus dem Kaufvertrag. Weder das Unternehmen eBay noch dessen Bezahl-Tochter PayPal ist so etwas wie ein Richter, der in rechtsverbindlicher Weise dem Käufer oder dem Verkäufer Ansprüche zu- oder aberkennt. Vielmehr managt PayPal nur die Zahlungsabwicklung; eBay bietet die Handelsplattform an und noch ein paar zusätzliche Dienstleistungen – wie zum Beispiel den Käuferschutz.

Diesen kann man sich wie eine Versicherung vorstellen: Unter vorher festgelegten Bedingungen springt die Versicherung ein und zahlt einen bestimmten Betrag an ihren Versicherungsnehmer aus. Beim Käuferschutz übernimmt eBay gewissermaßen das Risiko, dass der Verkäufer nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Kaufpreis zurückzuzahlen, obwohl er das eigentlich tun müsste. Bei der Frage, ob ein Einzelfall in die Kriterien der hauseigenen Käuferschutzrichtlinien passt oder nicht, gibt es einen großen Ermessensspielraum – somit lässt sich die Entscheidung, ob der Käuferschutz tatsächlich einspringt, manchmal nicht klar vorhersagen.

So einfach gehts nicht: Wer einen Artikel erworben hat, muss ihn auch abnehmen. Verweigert der Empfänger die Annahme, handelt er sich nur zusätzliche Kosten ein.

Wie man es von Versicherungen kennt, ist die Zahlungsbereitschaft von eBay nicht unabhängig von den Beträgen, um die es geht. Bei Kleinbeträgen ist die Wahrscheinlichkeit, dass deren Erstattung ohne größere Prüfung durchgewinkt wird, größer als bei Summen, die etwa bei IT-Equipment meistens zur Debatte stehen. Jede detaillierte Prüfung verursacht beim Plattformbetreiber Personalkosten. Wie immer eBay in einem Einzelfall entscheidet: Die Rechte der Transaktionsteilnehmer aus ihrem Kaufvertrag werden davon nicht berührt. Der Käufer kann also auch dann, wenn der Käuferschutz ihm die kalte Schulter zeigt, zivilrechtlich seine Ansprüche gegen den Verkäufer geltend machen. Daneben stehen jemandem, dessen Behandlung sich nachweislich nicht mit den Käuferschutzrichtlinien verträgt, womöglich Ansprüche gegen eBay oder gegen PayPal zu, weil diese sich vertragswidrig verhalten haben.

Zwar behauptet PayPal, in Bezug auf die Käuferschutzentscheidung sei der Rechtsweg ausgeschlossen [6]. Nach deutschem Recht ist es jedoch nicht möglich, den Weg zu den Gerichten vertraglich zu verbauen. Nichtsdestotrotz muss man für einen Rechtsstreit gegen eBay beziehungsweise PayPal starke Nerven mitbringen. Sofern es um den Bezahldienst geht, wird man zudem einen kundigen Rechtsanwalt brauchen, der eine Bresche in den hauseigenen Schutzwall aus englischem und walisischem Recht schlägt.

Teuer wird es außerdem: Da deutsche Richter sich oft nur mit dem hiesigen Recht auskennen, holen sie in derartigen Fällen ein Gutachten ein, das die Rechtslage nach dem AGB-gemäß anzuwendenden ausländischen Recht klärt. Die Kosten dafür muss zunächst der Kläger vorstrecken. Im Regelfall wird es deshalb leichter sein, sich an den Handelspartner zu halten. Die schwierige Situation dürfte dazu beigetragen haben, dass deutsche Urteile gegen PayPal bisher Mangelware sind.

Ich habe mich mit einem kleinen Ingenieurbüro selbstständig gemacht. Heißt das, dass ich bei eBay keine Geschäfte als Privatverkäufer mehr tätigen kann? Ich denke zum Beispiel an mein altes Handy oder Gegenstände aus einer Haushaltsauflösung.

Einmal gewerblich, immer gewerblich – einen solche Grundsatz kennt das deutsche Recht nicht. Ob jemand ein Geschäft als Unternehmer tätigt oder nicht, ist bei jedem Vertragsschluss neu zu beurteilen. Das ergibt sich aus § 14 BGB, wonach derjenige Unternehmer ist, der "bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung (seiner) gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt". Mit anderen Worten: Gerade das Geschäft, um das es geht, muss zur beruflichen Tätigkeit gehören. Der gewerbliche eBay-Autoverkäufer ist also beim morgendlichen Brötchenkauf ebenso Verbraucher wie sein Bäcker, der bei ihm einen neuen Privatwagen bestellt. Denn beide werden jeweils nicht im beruflichen Rahmen tätig.

Die Einstufung als Unternehmer oder Verbraucher ist wichtig, denn sie zieht einen regelrechten Rattenschwanz an rechtlichen Konsequenzen nach sich. Es beginnt schon mit der Gewährleistung, die der Unternehmer dem Verbraucher nicht verwehren kann [7]. Bekanntlich muss der Unternehmer zudem ein Widerrufsrecht einräumen – versäumt er es, den Verbraucher darüber zu informieren, kann dieser im Extremfall selbst nach Jahren noch den Artikel zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen [8]. Ein Verstoß gegen diese und andere gesetzliche Informationspflichten wie etwa Impressumsangaben kann außerdem zu teuren wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen durch eBay-Konkurrenten führen. Auch stehen womöglich Ärger mit dem Finanzamt sowie Steuernachzahlungen ins Haus.

Für die Frage, ob man bei eBay-Transaktionen noch als Verbraucher oder schon als Unternehmer handelt, ist es völlig unerheblich, ob man sich bei der Plattform selbst als "privater Verkäufer" angemeldet hat oder nicht. Wenn die Selbstbezeichnung eine Rolle spielen würde, wären dem Etikettenschwindel Tür und Tor geöffnet – nicht zuletzt die Vorschriften zum Schutze der Verbraucher ließen sich dann allzu leicht umgehen. Vielmehr ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, ob eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt oder nicht. Etliche Gerichtsurteile haben dafür Orientierungspunkte geliefert [9]. Zusammengefasst kann sich derjenige einigermaßen auf der sicheren Seite wähnen, der nur gelegentlich Waren auf eBay anbietet und dabei ausschließlich Gebrauchtes an den Mann bringt. Schon bei 15 Verkäufen pro Woche liegt nach der einschlägigen Rechtsprechung ein unternehmerisches Handeln nahe. Erst recht gilt dies, wenn man neuwertige Artikel anpreist, die womöglich extra zum Weiterverkauf angeschafft wurden.