MIT Technology Review 10/2017
S. 28
Horizonte
Ethik

Wohin soll’s gehen?

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Die grundsätzliche Frage, ob Menschen Schöpfer spielen sollten, ist längst beantwortet. Denn von Beginn der Menschheitsgeschichte an greifen wir in die Natur ein und formen sie nach unserem Willen. Nun geben uns neue Technologien wie das Gen-Editing oder die künstliche Intelligenz mehr Macht als je zuvor. Doch damit ist auch unsere Verantwortung so groß wie nie zuvor.

Was früher das Schicksal war, ist heute eine Entscheidung. Wir müssen sie treffen, ob zur Genveränderung unserer Kinder oder der Frage, welchen Einfluss wir einer KI geben wollen. Denn keine Entscheidung ist auch eine.

Gleichzeitig rücken die Technologien immer näher an den Menschen heran. Die Entscheidungen werden damit zunehmend persönlicher. Wir haben 12 große Fragen zusammengetragen, die auf uns warten – und nach den Antworten gesucht.

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Darf ich einer KI Entscheidungen überlassen?

In vielen Lebensbereichen steuert künstliche Intelligenz bereits das Geschehen – zumindest zeitweise. An den Autopiloten im Flugzeug, automatisierte Kreditwürdigkeitsprüfungen und algorithmengesteuerten Aktienhandel haben wir uns gewöhnt. In der Medizin bekommt künstliche Intelligenz immer größere Bedeutung bei Diagnose und Therapie. KI-Systeme für die Leistungsbeurteilung von Studierenden und Arbeitnehmern befinden sich im Praxistest. Regulär eingesetzt wird auch Predictive Policing – vorausschauende Polizeiarbeit –, um damit Straftaten zu verhindern. Das Instrumentarium, auch aus dem Film „Minority Report“ bekannt, nutzt seit 2012 unter anderem das Santa Cruz Police Department in den USA. Noch treffen die Systeme aber keine weitreichenden Entscheidungen. Sie verschreiben keine Medikamente und fällen keine Gerichtsurteile. Viele Forscher sind jedoch überzeugt, dass dies in wenigen Jahren kommen wird. Aber wäre der Schritt auch ethisch vertretbar?

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Viele Experten sind der Ansicht, dass es eine Grenze geben muss. „Entscheidungen, die mit der Ausübung von körperlicher Gewalt einhergehen, dürfen nicht an Maschinen delegiert werden“ – so lautet beispielsweise der Konsens, auf den sich das International Committee for Robot Arms Control verständigt hat.

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Darf man einen Bot beschimpfen?

Die Logfiles eines Chatbots oder eines digitalen Assistenten sind ein Lexikon zeitgenössischer Beschimpfungen in sämtlichen denkbaren Varianten. Warum ist das so? Zum einen vermutlich, weil die Maschinen zwar suggerieren, wie ein menschlicher Gesprächspartner zu reagieren, dann aber trotzdem oft nur Bahnhof verstehen. Das macht die Nutzer gereizt. Zum anderen wohl, weil Bots die Möglichkeit bieten, ohne großen sozialen Flurschaden mal richtig Dampf abzulassen. Ein drittes Motiv mag Neugier sein, die Grenzen des Systems auszuloten. Wie auch immer: Selbst die intelligentesten Bots sind noch weit davon entfernt, dass wir ihnen eine eigene Persönlichkeit mit entsprechendem Gefühlsleben unterstellen können. Sie dürften die Anwürfe also nicht persönlich nehmen. Die Frage, ob man sie anpöbeln darf, scheint daher zunächst einmal absurd.

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Ist sie aber nicht. Forscher wie Kate Darling, Roboter-Ethikerin am Massachusetts Institute of Technology, machen sich schon Gedanken darüber, ob gewisse Menschenrechte auch auf soziale Roboter ausgeweitet werden sollten. Sie fürchtet, dass schlechter Umgang mit Maschinen auch auf den Umgang mit Menschen abfärben könnte. Ein umgekehrter Fall ist bereits dokumentiert: Der selbstlernende Chatbot Tay von Microsoft sollte aus dem Gespräch mit Nutzern lernen – und wurde binnen eines Tages zur Schleuder rassistischer Sprüche. Wir werden uns wohl irgendwann daran gewöhnen müssen, unsere Bots selbst sorgfältig zu erziehen.

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Darf ich private Daten posten und trotzdem mehr Datenschutz wollen?

Private Fotos posten, die Telefonnummer, E-Mail-Adresse und den Beziehungsstatus veröffentlichen und gleichzeitig mehr Datenschutz fordern? Darf ich das? Irgendwann taucht in Datenschutz-Debatten immer das Argument auf: Die Menschen teilen sich doch so bereitwillig über Facebook mit, da können sie doch nicht ernsthaft Staat oder Unternehmen so penibel auf die Finger schauen. Doch der Widerspruch „ist eigentlich keiner“, sagt Oliver Bendel, Wirtschaftsinformatiker und Informationsethiker an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Basel: „Ich kann ja daran interessiert sein, dass fremde personenbezogene Daten geschützt werden, etwa die meiner Kinder. Zugleich kann ich mich dafür entscheiden, bei meinen persönlichen Daten freizügig zu sein.“ Wichtig ist für Bendel letztlich, „dass die Entscheidung über meine Daten bei mir liegt“.

Bei sozialen Medien ist dies zunächst der Fall. Jeder kann entscheiden, was er postet. Dann hört die Kontrolle aber schon auf. Zwar kann man bei Facebook etwa einstellen, wer von den eigenen Kontakten bestimmte Daten sehen darf: Die Plattform erwirbt aber eine „nichtexklusive Lizenz“ für die Nutzung der Inhalte und leitet die Daten in die USA weiter, wo sie zu Geld gemacht werden. Ob sich das durch die Forderung nach mehr Datenschutz ändern wird, darf bezweifelt werden. „Trotzdem ist das Beharren darauf sinnvoll“, sagt Bendel. Durch den vermehrt laxen Umgang mit Daten drohe sonst die Aufweichung des Rechts. Die Politik könnte sich auf die scheinbar veränderte Geisteshaltung beziehen und einen schwächeren Datenschutz durchsetzen, warnt der Experte. DENIS DILBA

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Darf ich das Erbgut meiner Kinder entschlüsseln lassen?

Als das menschliche Genom 2001 ein erstes Mal sequenziert war, galt das als Sensation. Inzwischen ist die Entschlüsselung des genetischen Materials schon fast eine Routineangelegenheit. Die Technik ist weithin verfügbar und kostet mittlerweile meist weniger als 1000 Euro. Viele private Unternehmen bieten einen Gentest sogar als Service an. Nach einigem Hin und Her erhielt das Biotech-Unternehmen 23andMe in diesem April von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Erlaubnis, seine Kunden über Krankheitsrisiken zu informieren. Zu diesen zehn verschiedenen genetisch bedingten Leiden gehören Alzheimer, Parkinson oder auch Blutgerinnungsstörungen.

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Inzwischen hat man in den Vereinigten Staaten und China aber auch junge Eltern als Zielgruppe entdeckt. Das Bostoner Unternehmen Veritas Genetics bietet für eine Gebühr von 1500 Dollar an, das komplette Genom Neugeborener zu entschlüsseln. Die Eltern erhalten Hinweise auf mehr als 950 wichtige Krankheitsrisiken sowie 200 Gene im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Medikamenten. Auch in Deutschland geht die Entwicklung in diese Richtung. So wird zum Beispiel darüber nachgedacht, das Neugeborenen-Screening noch durch Gentests zu erweitern.

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Dürfen sich Gesunde von der Versicherung belohnen lassen?

Immer mehr Versicherungen machen ihren Kunden ein verlockendes Angebot: Wer nachweist, dass er besonders vorsichtig fährt, sich gesund ernährt oder regelmäßig Sport macht, bekommt Rabatte oder andere Vergünstigungen (siehe TR 8/2016, S. 18 ). Doch widerspricht dies nicht dem Solidaritätsgedanken einer Versicherung, wonach die Starken für die Schwachen aufkommen? Darf man als gesunder und verantwortungsvoller Mensch so ein Angebot annehmen?

Die Versicherungen argumentieren: Erst durch solche Programme bekommen viele Menschen einen ausreichenden Anreiz, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Und dadurch sänken die Kosten für alle. Klingt einleuchtend, aber ob dies tatsächlich so ist oder ob es eher den ohnehin Gesundheitsbewussten einen angenehmen Nebennutzen verschafft, ist mangels Erfahrungswerten derzeit schlecht zu sagen.

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Darf ich meine Nachkommen genetisch verändern?

Bislang war die Debatte über einen Eingriff in die Keimbahn mit Auswirkungen auf sämtliche nachfolgenden Generationen quasi theoretischer Natur. Nun aber sind solche Manipulationen dank des neuen Gen-Editing-Verfahrens CRISPR ziemlich praxisnah. Welches Potenzial in der Methode steckt, zeigt eine im August in dem renommierten Journal „Nature“ veröffentlichte Studie: Einem Team um den US-Forscher Shoukhrat Mitalipov ist es gelungen, in Embryonen einen Gendefekt zu beheben. Die Mutation betrifft ungefähr einen unter 500 Menschen und führt später im Leben zu einer schweren Herzkrankheit, der familiären hypertrophen Kardiomyopathie.

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Für ihre Studie injizierten die Forscher von der Oregon Health & Science University in Portland einer Eizelle die CRISPR-Genschere gleichzeitig mit den Spermien des kranken Spenders. So konnte Mitalipov weitgehend verhindern, dass die Mutation nur in einem Teil der Zellen korrigiert wurde. Außerdem führte das Gen-Editing in mehr als 70 Prozent der Fälle zu gesunden Embryonen. Die Erfolgsquote war damit deutlich höher als jene der chinesischen Teams, die bereits in den vergangenen zwei Jahren ähnliche Experimente durchgeführt haben.

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Darf ich die Dienste der Gig Economy nutzen?

Als meine Mutter zu alt wurde, um die Wohnung selbst in Ordnung zu halten, bestellten wir eine Putzhilfe. Voraus gingen lange, erbitterte Diskussionen, denn die Notwendigkeit einer Putzhilfe war für sie nicht nur ein sichtbares Zeichen ihres körperlichen Verfalls. Es war meiner Mutter schlichtweg peinlich, ihren Dreck von anderen Leuten wegräumen zu lassen. Und so ließ sie es sich nicht nehmen, der Frau bei jedem Putzeinsatz eine Tasse Kaffee zu kochen – liebevoll von Hand aufgebrüht.

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Was im Rückblick wie eine persönliche Marotte wirkt, offenbart einen tiefen gesellschaftlichen Wandel. Während persönliche Dienstleistungen wie Putzen, Chauffeurdienste oder Botengänge für die Nachkriegsgeneration noch Ausdruck einer klaren gesellschaftlichen Hierarchie waren – etwas für die feinen Leute –, sind sie heute von diesem Makel befreit. Einen wesentlichen Anteil daran haben die Plattformen der Gig Economy: Uber, Helpster und wie sie alle heißen.

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Darf ich meine sozialen Kontakte per künstlicher Intelligenz pflegen?

Heute sind Computer vor allem dazu da, Anweisungen entgegenzunehmen. Die meisten Menschen nutzen digitale Privatsekretäre wie Siri, Alexa oder Google Assistant dafür, ihnen etwas zu befehlen: auf eine SMS zu antworten, jemanden während einer Autofahrt anzurufen oder einem guten Freund auf den letzten Drücker ein Buch zum Geburtstag zu bestellen. Die Entscheidung darüber, wie sich die Interaktion mit anderen Menschen konkret gestaltet, liegt aber noch beim Nutzer selbst. Noch, denn schon heute können künstliche Intelligenzen einen Teil der Korrespondenz autonom bestreiten.

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Erste Anwendungen dieser Art sind bereits auf dem Markt. So brauchen Facebook-Nutzer in den USA auf eine Geburtstagserinnerungs-SMS nur reagieren, indem die eine „1“ eintippen, und schon erscheint ein „Happy Birthday“ auf der Seite des Adressaten. Und seit ein paar Monaten gibt es sogar ein Plug-in für den Chrome-Browser namens „Birthday Buddy“, das einen „persönlichen Geburtstagswunsch zum richtigen Zeitpunkt“ an alle Facebook-Kontakte schickt. Künftig könnten KIs ihre Nutzer auf die Blumen zum Hochzeitstag hinweisen oder ihnen raten, einem guten Freund eine Aufmerksamkeit zu schicken, weil er gerade im Krankenhaus liegt. Der Nutzer drückt dann nur noch den Bestätigungsknopf. Der Service ist zweifellos bequem. Aber was bedeutet er für die sozialen Beziehungen? Immerhin sollen im Jahr 2021 rund 1,8 Milliarden Menschen eine künstliche Intelligenz als persönlichen Assistenten einsetzen, so die Prognose des Marktforschungsinstituts Tractica.

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Darf ich Informationen über andere auf sozialen Medien teilen?

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Leser dieser Zeilen in den vergangenen Wochen oder Monaten strafbar gemacht hat, ist groß. Oder wann haben Sie zuletzt ein Foto von Freunden oder der Familie in sozialen Medien veröffentlicht und vorher ausdrücklich um Erlaubnis gefragt? In Paragraf 22 des Kunsturhebergesetzes heißt es: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Eine „unbefugte Veröffentlichung“ stellt eine Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ dar, und das kann nach dem Strafgesetzbuch geahndet werden. In der Praxis scheint das allerdings kaum jemanden zu stören: Das Persönlichkeitsrecht gehört sehr wahrscheinlich zu den mit einigem Abstand am häufigsten ignorierten Regeln in den sozialen Medien.

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Meistens geht das gut, aber eben nicht immer, weiß Andreas Diekmann, Soziologe an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich: „Es kommt eben auch darauf an, was man veröffentlicht, wer die Daten sehen kann und wie peinlich diese Informationen sind beziehungsweise von anderen gewertet werden können.“ Wenn der potenzielle Arbeitgeber vor dem Bewerbungsgespräch die unbedarft geteilte und verbal ungezügelte Abrechnung des Freundes mit der alten Firma auf Facebook liest, wirft das bestimmt kein gutes Licht auf den Kandidaten. Und auch unvorteilhafte Partyfotos sind keine gute Werbung. Sie können künftig sogar über die Vergabe von Krediten entscheiden: Dass Kreditscoring-Firmen wie die Schufa früher oder später auch die Profile von Facebook und Co auswerten, gilt als sicher. „Eigentlich sollte das Einschätzungsvermögen darüber, was kritisch ist und was nicht, Teil der eigenen Medienkompetenz sein“, sagt Diekmann. „Trotzdem gibt es aber leider immer wieder solche Vorfälle.“

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Darf ich mein Gehirn künstlich verbessern?

Eine Breitbandschnittstelle zum Gehirn, über die man sich direkt mit einer künstlichen Intelligenz vernetzen kann: So lautet die jüngste Vision des Tesla-Gründers Elon Musk. Dafür hat er jetzt die Firma Neuralink gegründet. Sie soll die Elektroden entwickeln, die den direkten Draht zwischen Gehirn und Maschine herstellen. Zumindest die Technologie für die Funkverbindung existiert bereits. Forscher der Northeastern University in Boston stellten kürzlich im Journal „Nature Communications“ eine neuartige Miniaturantenne vor, über die Informationen mit dem Gehirn ausgetauscht werden könnten. Ihr Entwickler, Nian Sun, arbeitet mit Neurochirurgen zusammen, um damit das Gehirn von Patienten direkt zu stimulieren und auszulesen.

Bereits heute setzen Mediziner Elektroden in Gehirnen ein, etwa zur Therapie von Parkinson. Foto: Zephyr/Science Photo Library

Neu ist der Wunsch nicht, die eigenen mentalen Fähigkeiten zu steigern. Tatsächlich ist das „Neuroenhancement“ mit Medikamenten beliebt. Laut dem DAK- Gesundheitsreport von 2015 haben 6,7 Prozent aller Berufstätigen in Deutschland schon einmal ein Medikament genommen, um auf der Arbeit mehr zu leisten. Bei Studenten liegt die Quote vermutlich noch höher: In einer Umfrage der Wilhelmshavener Jade Hochschule vom April 2017 gaben 23 Prozent der Studenten an, im Klausurstress Neuroenhancer zu nehmen, um effektiver zu lernen.

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Darf ich ein Auto ohne Assistenzsysteme fahren, wenn es das Leben anderer gefährdet?

Fahrhilfen in Autos haben einen Entwicklungsstand erreicht, an dem sie Leben retten, ohne bemerkenswert die Bequemlichkeit zu stören. Ist es da noch moralisch vertretbar, ein altes Auto ohne eine solche Assistenz zu fahren? Es gibt immerhin einige ökonomische und ökologische Gründe, das Alte zu behalten. Nicht jeder will sich zudem durch solch ein Assistenzsystem indirekt überwachen lassen. Die Ethik-Kommission zum automatisierten Fahren gibt in ihrem Bericht aus diesem Sommer eine eindeutige Antwort. Die „Verminderung der Sicherheitsrisiken“ sei gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheit abzuwägen, argumentierte das vom Bundesverkehrsministerium einberufene Gremium. Aber: „Es besteht keine ethische Regel, die Sicherheit immer vor Freiheit setzt.“

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Die Kommission wägt also sowohl die Freiheit des Bürgers als auch die Sicherheit als Rechtsgüter gegeneinander ab, ohne eines davon grundsätzlich zu bevorzugen. Da sonst in Diskussionen hierzulande fast immer der Sicherheit der Vorzug gegeben wird, betont der Bericht gleich an mehreren Stellen den Wert der Freiheit als schützenswertes Rechtsgut.

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Darf ich Genlachs essen?

Fast 25 Jahre hat es gedauert, bis AquaBounty Technologies seine ersten Fische verkaufen konnte. Das Unternehmen hatte Atlantischem Lachs zwei neue Gensequenzen aus anderen Fischarten eingepflanzt. Nun ist er schon nach 18 statt sonst 30 Monaten ausgewachsen (siehe TR 1/2016, S. 66). Auseinandersetzungen mit Tierrechtlern, Verbraucherschützern und Gesundheitsbehörden waren programmiert, entsprechend weit war der Weg auf den Markt. Im August nun meldete das Unternehmen aus Massachusetts den Absatz der ersten fünf Tonnen Fisch in Kanada. Dort stuften die Behörden den „AquAdvantage Salmon“ 2016 nach vier Jahren Prüfung als gesundheitlich und geschmacklich unbedenklich ein, eine GV (gentechnisch verändert)-Kennzeichnung wird nicht verlangt. Auch in den USA könnte es bald so weit sein. 20 Jahre lang prüfte die Gesundheitsbehörde FDA den „AquAdvantage Salmon“, 2015 ließ sie ihn zu. Nun muss AquaBounty noch eine letzte gesetzliche Hürde nehmen und darlegen, wie es die Kunden über den GV-Aspekt informieren will. Dann darf der Lachs in Geschäften angeboten werden.

Foto: Paul Darrow/Polaris/Laif

Der Fall illustriert das Spannungsfeld, das der Einsatz von Gentechnik in der Tierzucht erzeugt. Denn der Lachs dürfte nicht das einzige Nutztier bleiben, dem Forscher künftig genetische Verbesserungen einbauen werden. Mittlerweile haben Forscher Werkzeuge, die AquaBounty noch nicht zur Verfügung standen. Insbesondere moderne Gen-Editiermethoden wie CRISPR erlauben viel genauere DNA-Modifizierungen als bisher. Weltweit versuchen Wissenschaftler und Unternehmen zum Beispiel, Schweine vor fatalen Erregern zu schützen und allergenfreie Hühnereier zu erzeugen.