OpenSuse – damals und heute

Seite 2: Nicht länger die Firma, die ich gegründet habe

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Seitdem gab es einige Wendungen im Schicksal von SuSE, die 2003 im dem Kauf des Unternehmens durch Novell mündeten. Ein bedeutender Schritt für Novell, das sich eifrig zu einer Open-Source-Firma ummodellierte. Aus SuSE wurde SUSE mit einem großen "U" und der neue Eigentümer gestaltete das Linux-Angebot nach dem Vorbild von Red Hat. Für den Server gibt es seitdem SLES (SUSE Linux Enterprise Server), für den Unternehmensdesktop SLED (SUSE Linux Enterprise Desktop). Daneben übernimmt OpenSuse, das lange Zeit einfach nur Suse Linux hieß, als die Community-Variante eine ähnliche Rolle als Feature-Spielewiese wie Fedora bei Mitbewerber Red Hat.

Anfangs, unter der Leitung von Jack Messman, Novells damaligem Chef, und Chris Stone, der eine Hauptrolle spielte bei der Übernahme von Ximian wie SuSE rief Novell sich als klaren Verfechter des Open-Source-Gedankens aus. Novells Vertriebskanäle sollten einen Markt für Linux finden und das freie Betriebssystem sollte Novells Absatz von High-end Identity-Management-Lösungen und Netzwerksoftware, der seit mehr als zehn Jahren kränkelte, wieder neuen Auftrieb geben. Während der Server das meiste Geld in die Kassen spülte, lag Novells Fokus auf den Desktop.

Die Langzeit-Strategie brachte – naturgemäß – nicht den schnellen Erfolg. SuSE fiel Novells endemischer Erfolglosigkeit, die Triumphe aus den Neunzigerjahren zu wiederholen, zum Opfer. Keine leichte Aufgabe für das Management des Traditionsunternehmens, die bewährte Produktpalette mit dem radikalen Gedankengut der Open-Source-Lösungen zu verbinden. Innerhalb von drei Jahren mussten zuerst Stone, dann auch Messman – und mit ihnen vielen andere Novell-Mitarbeiter – das Feld räumen. Hubert Mantel, einer der SuSE-Gründer, verließ Novell mit den Worten: "Dies ist nicht länger die Firma, die ich vor dreizehn Jahren gegründet habe."

Novell-Chef Ron Hovsepian

(Bild: Novell)

Novell stellte einen neuen Firmenchef an, Ron Hovsepian. "Meine oberste Priorität als CEO", verkündete Hovsepian, "ist es, unseren Umstieg auf ein Linux-basiertes Produktportfolio möglichst schnell voranzutreiben."

In diesen turbulenten Zeiten kam von Microsoft eine Lösung, die die Anwender- und Entwickler-Communities gegen Novell aufbrachte, dem Unternehmen jedoch einen Rettungsanker bot. Waren Novell und das Unternehmen aus Redmond früher immer Opponenten, war Novell froh froh um das Abkommen mit Microsoft.

Das Zauberwort hieß "Interoperabilität" oder – genauer gesagt – exklusive Interoperabilität zwischen Microsoft-Produkten und Novells Suse Linux. Ein Artikel auf ComputerWorld preist den neuen Suse Linux Enterprise Desktop (SLED) sogar als das bessere Windows: "SLEDs Stärken liegen eindeutig in dem Zusammenspiel mit Windows und den Microsoft-Office-Angeboten. Linux- und Mac-Fans mögen über Microsofts endlose Software- Fehltritte die Nase rümpfen, in der Praxis setzen fast alle Firmen auf das Microsoft-Office-Format, auf Exchange und auf Active Directory. SLED gibt Unternehmen diese ganze Palette und obendrauf noch die Sicherheit und Stabilität von Linux."

Interoperabilität mit der Windows-Welt ist eine Notwendigkeit. Aber Groupware und Verzeichnisdienste sind Gebiete, wo Novell eigene Produkte hat, die mindestens so gut, wenn nicht sogar besser sind als ihre Microsoft-Pendants. Der große Durchbruch gelang ihnen jedoch nie.

Bei oberflächlicher Betrachtung scheint der Deal zwischen Microsoft und Novell nichts Besonderes. Das Novell-Management schloss eine Übereinkunft, die – zumindest in der Theorie – den Absatz der eigenen Produkte steigern sollte. Für die Linux-Community hatte das Abkommen jedoch eine größere Bedeutung wegen der gegenseitigen Patent-Rückendeckung und des Anscheins von Glaubwürdigkeit, den der Deal Microsofts angeblichen Patentansprüchen an Teile von Linux gab.

Als Gegenleistung ließ Microsoft 240 Millionen US-Dollar für Gutscheine für Suse Linux Enterprise Server springen. Nach Angaben von Novell sollen die Microsoft-Coupons mehr als ein Drittel des Linux-Umsatzes ausmachen.

Novell mag das Abkommen Geld in die Kassen gespült haben; weniger klar ist allerdings, was die direkten Vorteile für Microsoft sind. Einen besseren Ruf bei der Europäischen Kommission, die das Unternehmen wiederholt in Kartellverfahren ins Visier genommen hatte? Die Zersplitterung des Linux-Marktes durch das Stärken von Novells Position gegenüber Mitbewerber Red Hat? In gewisser Hinsicht spielen die puren Fakten weniger eine Rolle als die Schlussfolgerungen und Implikationen, die das Microsoft-Management mit dem Deal verbindet und die Sicht auf Linux, die es an die Kunden weitergibt.