OpenSuse – damals und heute

Seite 3: Wasch mich, aber mach mich nicht nass

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Das Abkommen und die Reaktionen der Open-Source-Community sorgten für Unruhe unter den OpenSuse-Entwicklern und -Anwendern, die empfindlich reagieren, wenn das Thema zur Sprache kommt. Das Projekt hat eine eigene FAQ zu dem Deal, aus der sowohl ein Gefühl von Unabhängigkeit und Eigenständigkeit als auch die Leugnung irgendwelcher Fehltaten sprechen. Einen genau entgegengesetzten Standpunkt nimmt Eben Moglen ein. Der Open-Source-Anwalt spricht sich gegen separate Deals auf Kosten des Wohles der Community aus.

In der Zeit des Abkommens heuerte Hubert Mantel erneut bei Novell an. Er äußerte sich positiv zum Thema: "Ich glaube, dass diese Sache viel Gutes bringt, vor allem auch für die Anwender. Vor wenigen Jahren noch wurde Linux nicht ernst genommen. Jetzt erkennt sogar Microsoft die Existenz von Linux an und weiß, dass das System nicht von der Bildfläche verschwinden wird. Ich verstehe, dass viele Leute diese Zusammenarbeit von Novell mit dem 'Feind"'nicht gutheißen, aber ich mag diese Art zu denken nicht. Wir arbeiten nicht gegen jemanden, sondern für Linux. Fundamentalismus bringt niemanden weiter."

"Das Wichtigste ist, dass Linux frei ist und immer frei bleiben wird. Der Quellcode ist offen für jedermann, das ist, was zählt. Manche Leute legen eine interessante Zwiespältigkeit an den Tag. Auf der einen Seite wollen Sie die "Weltherrschaft", auf der anderen mögen sie das Gefühl nicht, dass Linux erwachsen und Teil der realen Geschäftswelt geworden ist. Wie es das Sprichwort 'Wasch mich, aber mach mich nicht nass' sagt: Wenn man will, dass Linux Erfolg hat, kann man nicht die Realität ausblenden."

In der jüngsten Vergangenheit scheinen die Entlassungen bei Novell OpenSuse hart getroffen zu haben. Wenn man den Gerüchten glauben mag – Novell selbst hat die Zahlen weder bestätigt noch dementiert –, waren 30 der 100 Angestellten, die das Feld räumen mussten, OpenSuse-Mitarbeiter, 20 Prozent der OpenSuse-Belegschaft. Inzwischen dreht sich das Gerüchtekarussell weiter: Novell soll mehr Mono-Entwickler suchen und zudem Ausschau nach potenziellen Übernahmekandidaten halten.

Unter den OpenSuse-Entwicklern, die gehen mussten, sind Hubert Figuiere (AbiWord, OpenOffice und GNOME), Stephan Binner (KDE), Rodrigo Moya (Gnome), Martin Lasarsch (OpenSuse-Evangelist und Infrastruktur-Spezialist) und Luc Verhaegen, ein X.Org-Entwickler, der an dem quelloffenen ATI-Grafiktreiber-Stack sowie an den RadeonHD- und VIA-Unichrome-Treibern arbeitete. Vor allem Binner und Verhaegen spielen eine wichtige Rolle auf ihrem Spezialgebiet.

Trotz aller Widrigkeiten gelingt es der OpenSuse-Community durchweg, eine qualitativ hochwertige Linux-Distribution zu schaffen. Das Projekt hat viele Anhänger und gibt einen wöchentlichen Newsletter heraus, in dem es über aktuelle Entwicklungen informiert.

Mit dem im Herbst 2008 gewählten neuen Vorstand, der zum ersten Mal von den Opensuse-Mitgliedern gewählt wurde und mit Pascal Bleser und Bryen Yunashko auch zwei Vertreter der Community an Bord hat, zeigt Novell, dass das Unternehmen es ernst meint, OpenSuse als Community-Distribution zu etablieren. Seit OpenSuse 11.1 gehört auch das End User License Agreement (EULA) der Vergangenheit an.

OpenSuse möchte eine Distibution für und durch die Community sein. Das Schicksal der Distribution scheint jedoch oft in den Händen anderer zu liegen. Novell hat eine lange Geschichte von erstklassigen Produkten und mißlungenem Marketing. Von außen betrachtet scheint es der Firma auch diesmal nicht zu gelingen, die Lücke zwischen ihrem kommerziellen Potential und dem Eindringen dunklerer Realitäten zu schließen. (akl)