FTX-Bankrott: Einige Opfer sollen noch Geld einzahlen

Seite 2: Vernichtende Steuerforderung

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Viel schwerwiegender ist der Disput mit dem US-Finanzamt (Internal Revenue Service, IRS). Dieses sieht 45 Fälle von Steuerschulden seitens FTX samt Alameda Research. Ursprüngliche forderte das IRS fast 44 Milliarden Dollar, den Löwenanteil von Alameda Research. Inzwischen hat es seine Forderung auf 24 Milliarden Dollar reduziert. Da Steuerforderungen Vorrang vor allen anderen Forderungen genießen, würde auch dieser Betrag die Masse ruinieren. Für die Betrugsopfer und andere Gläubiger bliebe nichts.

Der Insolvenzverwalter bestreitet die Forderung des IRS. Er führt aus, dass das FTX-Konglomerat in den drei Jahren seines Betriebs etwa elf Milliarden Dollar Verlust gemacht hat. Daher könne das Finanzamt keinerlei Steuernachzahlungen fordern. Überhaupt erkläre die Behörde nicht, wie sie auf ihre Summe komme. Vielmehr verlange sie, dass FTX nachweist, dass die Schuld nicht besteht – was wieder jahrelange Gerichtsverfahren und entsprechend verzögerte und geringere Ausschüttungen bedeuten würde. Dabei seien bereits über 2.300 Anfragen des IRS nach Dokumenten beantwortet worden.

Allerdings bezieht sich der Großteil der Forderungen nicht auf Steuern auf (nicht vorhandene) Gewinne der Unternehmen, sondern auf angeblich nicht bezahlte Arbeitslosenversicherung, Sozialversicherung und vom Arbeitgeber einzubehaltende Einkommensteuer. Da erhebliche Summen abgezweigt wurden, beispielsweise für luxuriöse Wohnimmobilien, Kredite an Manager und Spenden an Politiker, ordnet das Finanzamt einen Teil dieser Mittel vermutlich als Gehälter ein, und errechnet daraus hohe vorläufige Nachforderungen. Weil die Steuerprüfungen noch nicht abgeschlossen sind, möchte der Insolvenzverwalter eine gerichtliche Schätzung erwirken, möglichst auf null Dollar.

Sollte FTX die Forderungen des US-Finanzamtes abwehren können, möchten Insolvenzverwalter und Gläubigervertreter die Masse wie folgt verteilen: Einige Gläubiger sollen komplett leer ausgehen. Das sind alle Aktionäre, Inhaber anderer FTX-Wertpapiere, alle Gläubiger deren Forderung nicht über zehn US-Dollar liegt, sowie jene, die sich nicht korrekt identifiziert haben (Know Your Customer, KYC). Die Identifizierung kann noch nachgeholt werden, muss aber den ursprünglichen Kunden betreffen; da auch mit Forderungen gegenüber FTX spekuliert wird, reicht es nicht, wenn sich ein Käufer einer solchen Forderungen identifiziert.

Diese Gläubiger stehen so weit hinten in der vorgeschlagenen siebzehnstufigen Rangordnung, dass für sie nichts mehr übrig bleiben wird. Kryptozocker, die die von FTX selbst ausgegebene Kryptowährungen FTT gekauft und in derzeit unzugänglichen FTX-Wallets liegen haben, stehen wenig höher auf Stufe 13. Auch sie sollten sich keine Hoffnung darauf machen, ihre Wetteinsätze wiederzusehen.

Einige Gläubiger könnten sogar noch Geld einzahlen müssen. Das kommt so: Abhebungen kurz vor dem Konkursantrag sind anfechtbar. Das Ende war bereits absehbar, so dass FTX keine Auszahlungen mehr hätte tätigen dürfen. Die Gläubigervertreter haben daher die Forderung gestellt, dass diese Auszahlungen rückgängig gemacht werden. Angesichts Tausender betroffener Kunden wäre das schwierig und teuer abzuwickeln.

Daher enthält der Verteilungsplan ein Vergleichsangebot mit Forderungsverzicht: Jene FTX-Kunden, die in den neun Tagen vor Konkursantrag weniger als umgerechnet 250.000 Dollar abgehoben haben, müssen nichts zurückgeben, wenn sie den Verteilungsplan und alle seine Bedingungen annehmen. Ab 250.000 Dollar Abhebungen (abzüglich etwaiger Einzahlungen in dem Zeitraum) werden 15 Prozent dieses Betrages von noch bestehenden Forderungen abgezogen. Ergibt sich daraus ein negativer Betrag, muss der Kunde die Differenz wieder einzahlen, um nicht Gefahr zu laufen, auf die gesamte Abhebung verklagt zu werden.

Ausgeschlossen von diesem Vergleichsangebot mit Forderungsverzicht sind Manager, andere Insider, Mitarbeiter, Kunden, die ihre Registrierungsdaten geändert haben um eine Abhebung zu ermöglichen, Kunden, die noch Geld bekommen haben obwohl andere Kunden bereits keine Auszahlungen mehr erhielten, und alle jene Personen, die wussten oder hätten wissen müssen, dass FTX Kundengelder nicht sauber von eigenem Vermögen getrennt oder sonst veruntreut hat.