Den Dreh raus: Kawasaki ZX-6R im Test

Mutig von Kawasaki, wieder in die Supersportklasse einzutreten. Bei dem Motor brauchen sie sich keine Sorgen zu machen: 16.000/min und ein Muster an Laufkultur.

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Kawasaki ZX-6R im Test

Die Kombination aus kurzer Übersetzung und großer Drehfreude entfacht eine Menge Dynamik. Gut gedacht und fein umgesetzt.

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Dass Kawasaki seine ZX-6R wiederbelebt, ist eine echte Überraschung, gilt die Klasse der Supersportler doch seit etlichen Jahren als so gut wie tot. Lediglich Yamaha hält die Fahne der 600er-Renner mit der 118 PS starken YZF-R6 noch hoch.

Kawasaki betreibt allerdings nun etwas Etikettenschwindel: In der ZX-6R steckt ein 636 Kubikzentimeter großer Reihenvierzylinder. In der Supersportklasse dürfte die giftgrüne Marke damit nicht antreten, hier liegt das Limit bei 600 Kubikzentimeter. Doch bereits 2002 hatte Kawasaki die ZX-6R 636 als alltagstauglichere Variante der ZX-6R mit 599 Kubikzentimeter zur Seite gestellt. Gerade mal sechs Prozent mehr Hubraum verbesserten spürbar Drehmoment und Durchzug.

Der neue 636-Kubikzentimeter-Vierzylinder hat mit dem damaligen Motor nicht mehr viel zu tun. Da nicht geplant ist, die ZX-6R in der dahinsiechenden Supersport-WM einzusetzen, darf der Hubraumzuwachs dem Fahrverhalten des kompakten Sportlers zugutekommen. Dass sich das Design der ZX-6R an der ZX-10R orientiert ist kein Zufall, schließlich ist die große Schwester fünf Mal hintereinander Superbike-Weltmeisterin geworden. Der Ruhm soll natürlich auf die kleinere Variante abstrahlen. So kommt die ZX-6R betont aggressiv mit geduckter Front, bösem Blick aus den LED-Scheinwerfern und hochragendem Heck daher.

Kawasaki ZX-6R (17 Bilder)

Kawasaki zeigt Mut und bringt einen neuen Supersportler – eine Klasse, die als fast ausgestorben gilt.
(Bild: Ingo Gach)

Das von uns getestete Exemplar wurde in der Kawasaki-Werksfarbe giftgrün ausgeliefert und mit allerlei Aufklebern versehen. Einige Plastikteile im Cockpit wirken etwas billig, aber damit endet auch schon die Kritik-Liste, denn Kawasaki hat ein exzellentes Sportmotorrad auf die breiten Räder gestellt.

Das Beste an der ZX-6R ist zweifellos der Motor. Der Reihenvierzylinder erweist sich als Meisterleistung japanischer Ingenieurskunst. Er holt aus „nur“ 636 Kubikzentimetern Hubraum 130 PS bei 13.500/min und verträgt sogar Drehzahlen von 16.000/min. Früher wäre bei einem so hoch drehenden Aggregat die Spitzenleistung auf Kosten der Laufkultur im unteren Drehzahlbereich gegangen, doch die ZX-6R kennt diese Schwäche nicht.

Der Vierzylinder läuft ab Standgas seidenweich, dreht zunächst etwas verhalten, doch ab dem mittleren Drehzahlbereich vehement hoch – und dreht und dreht und dreht. Immer, wenn ich während der Fahrt glaube, dass jetzt das Limit erreicht sein müsste, belehrt mich ein rascher Blick auf den Drehzahlmesser eines Besseren: Ein paar tausend Umdrehungen gehen meistens noch. Allerdings mahnt ein gelber Schaltblitz ab 14.000/min zum Gangwechsel.

Die Vorgänger-ZX-6R 636, die bis 2016 gebaut wurde, leistete formal ein PS mehr in der Spitze und wog zwei Kilogramm weniger. Ein Unterschied zur Euro-5-konformen Nachfolgerin ist in der Fahrleistung der aktuellen Ausführung aber ganz sicher nicht festzustellen. Ihre Kanäle messen nun 47 anstatt 38 Millimeter und sind mit je zwei Einspritzdüsen bestückt. Außerdem bietet die ZX eine dreifach einstellbare Schlupfregelung, dazu eine Anti-Hopping-Kupplung, Quickshifter und zwei Motor-Mappings serienmäßig. Wobei das zweite Motormapping „Low Power“, bei dem nur 65 Prozent der Maximalkraft abrufbar sind, vermutlich nie benutzt wird.