Ohne Büroraum, mit Struktur: Homeoffice beginnt im Kopf

Für Homeoffice benötigt man ein Büro, um nicht abgelenkt zu sein. Das stimmt pauschal nicht, sagt Clemens Gleich und gibt Tipps. Homeoffice fängt im Kopf an.

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Neues Büro im neuen Haus fertig. Große Freude, kleines Aber: Ich kann mich in meinem Kabuff genauso selbst ablenken wie in einer Ecke oder sogar mehr, denn es sieht ja keiner. Eine Struktur für fokussiertes Arbeiten braucht also jeder.

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Natürlich wäre es optimal, wenn man für das Homeoffice ein zusätzliches Zimmer als Büro hätte. Doch häufig bis meistens gibt es solche freien Zimmer nicht, schon gar nicht eines für jede arbeitende Person. Die gute Nachricht ist: Ein großer Teil fokussierten Arbeitens lässt sich immobilienunabhängig lösen. Dieser Text behandelt das Wie und Warum. Vorab daher: Tipps zu Büroumbauten oder zu sozialen Arbeitsaspekten à la "Ich vermisse den täglichen Kontakt mit Maja aus dem Vertrieb" gibt es hier nicht. Ich konzentriere mich auf die Konzentration: Wie arbeitet man gesammelt, obwohl es keinen dedizierten Rückzugsort dafür gibt?

Ich arbeite seit vielen Jahren selbständig. Heute habe ich ein separates Büro, doch über eine lange Zeit war das anders. Das eigene Büro hilft, externe Ablenkungen zu vermindern. Seine Wirkung wird jedoch überschätzt, wie jeder weiß, der einmal in einer Firma mit Einzelbüros gearbeitet hat. Mitmenschen, die den Silent Run nicht akzeptieren, werden am Büro klopfen.

Ein Beitrag von Clemens Gleich

Clemens Gleich saß vor langer Zeit als c't-Redakteur in einem Büro des Heise-Verlags, bevor ihn einschneidende Erlebnisse dazu brachten, fürderhin in den Sätteln von Motorrädern sein Geld zu verdienen. Doch einmal Nerd, immer Nerd: Als freier Autor schreibt er immer noch über Computerthemen. Und das ganze Drumherum an gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen.

Dazu kommt, dass ein Büro zwar bei entsprechender Disziplin der anderen dabei helfen kann, ungestört zu denken, aber es hilft nur gegen externe Ablenkungen. Die internen Ablenkungen und alles Digital-Gebimmel, das man erlaubt, stören auch dort. Mehr noch: Ohne andere Menschen schämen wir uns nicht, Stunden in Facebook zu verdaddeln. Doch dazu später mehr.

Wer Konzentrations-Stints durchziehen will, braucht daher mit oder ohne Büro eine mentale Struktur, die das ermöglicht. Die ist wichtiger als der separate Raum. Die schlechte Nachricht: Fast niemand hat sie. Die gute Nachricht: Jeder kann sie sich auf seinem Niveau aneignen. Es lohnt sich, denn eigentlich braucht man diese Struktur genauso für das Arbeiten im Büro des Arbeitgebers.

Dieser Text dreht sich hauptsächlich um Arbeiten, die alleine mit Stuhl, Tisch, Telefon und etwas IT-Hardware erledigt werden können. Texte, Kunden-Mails oder Code schreiben, Tabellen bearbeiten, Daten auswerten, Mediendateien bearbeiten (Foto/Ton/Film) – also die Arbeiten, die ins Homeoffice ausgelagert werden, aber durch Ablenkung jederzeit und ständig unterbrochen werden können. Das steht im Kontrast mit Hotline-Arbeit, die daheim erledigt wird: Ein Kundengespräch kann man nicht unterbrechen, nur weil Whatsapp klingelt. Die Struktur wird hierbei von außen diktiert, sodass der Arbeitende sie nicht aufbauen muss. Hier dagegen soll es um selbst auferlegte Strukturen gehen.

Meine eigene Epiphanie der fokussierten Arbeit möchte ich beispielhaft erzählen: Ein Autoschreiber-Kollege erzählte mir vor langer Zeit, dass er seine Texte im Flugzeug schreibt. Wie alle anderen, denen ich das später erzählte, fand ich die Idee abstoßend: Eingepfercht im fliegenden Viehtransporter mit Plastiktisch, wie soll da etwas Vernünftiges entstehen? Doch ich probierte es aus und tat es ihm seitdem nach.

Denn im Flugzeug gibt es schlicht nichts Besseres zu tun. Kein Internet. Auf kürzeren Flügen keine Filme. Das Essen eine reine Notdurft im alten Sinne. Die Geschwindigkeit, in der dort ein Werk entstand, beeindruckte mich. Die paar Stellen, die ich mir zum späteren Nachschlagen markierte, schmälerten den Zeitgewinn kaum. In so eine Situation begibt man sich idealerweise, um voran zu kommen. Und wenn es im scheußlichen Flugzeugsitz geht, dicht gedrängt an andere Menschen, dann sicher auch auf Ihrem hoffentlich schöneren Küchentisch.