Verbraucherschützerin: "Bargeld wird durch Digitalisierung wichtiger"

"Man kann sich nicht mehr bewegen, ohne Spuren zu hinterlassen gegenüber Konzernen, Staat und Arbeitgeber", plädiert Verbraucherzentrale-Chefin Pop für Bargeld.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 82 Kommentare lesen
An,Empty,Wallet,With,Filter,Effect,Retro,Vintage,Style

(Bild: Shutterstock.com / Nattapol_Sritongcom)

Lesezeit: 4 Min.

Ramona Pop, Vorständin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), hat am Montag auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin eine Lanze für den Erhalt von Bargeld trotz Digitalisierung gebrochen. "Bezahlen ist politisch", gab sie als Parole aus. Wer wann was etwa im Supermarkt einkaufe, "geht niemand etwas an". Cash, das dieses Jahr das Motto des Stelldicheins der Digitalszene ist, habe den großen Vorteil, nicht nachverfolgbar zu sein. "Bargeld wird durch Digitalisierung wichtiger", meint die Verbraucherschützerin sogar. Viel zu viele Akteure im Finanzsystem wollten mittlerweile "Daten abziehen". Die Kunden müssten darüber aber selbst die Kontrolle behalten.

"Man kann sich nicht mehr bewegen, ohne Spuren zu hinterlassen gegenüber Konzernen, Staat und Arbeitgeber", beklagte Pop eine wachsende Datensammelwut. Profiteure einer Gesellschaft, in der alle digital bezahlen, seien etwa mit Mastercard, Visa und Paypal "anglo-amerikanische Großsysteme" und Zahlungsdienstleister. Der Erhalt von Bargeld sei zudem eine "Frage der Resilienz". So müsse es etwa eine "Fallback-Option bei Hackerangriffen" geben. Dass etwa bei einer großen Drogeriemarktkette die elektronischen Bezahlterminals während der Coronapandemie zwei Wochen lang außer Betrieb gewesen seien, habe bereits eine "gewisse Abhängigkeit" von Lösungen mit Karte oder Smartphone aufgezeigt.

Auch im Interesse der Teilhabe sei Bargeld wichtig, führte die frühere Berliner Wirtschaftssenatorin aus. Gerade Ältere zückten an der Kasse nicht unbedingt die Smartphones, selbst wenn sie welche haben. Ferner gebe es Menschen, "die kein Konto bekommen". Sie begrüßte daher, dass in Deutschland nur 15 Prozent sagten: "Bargeld brauch ich gar nicht mehr, das kann weg." Die meisten Käufer mischten ihre Bezahlvarianten je nach Situation: Sie persönlich zahle etwa beim Möbelkauf 15.000 Euro nicht in bar. Generell sei der Anteil der Kunden, die zum traditionellen Geldbeutel greifen, hierzulande laut Bundesbank und Einzelhandel zwischen 2017 vor der Pandemie und 2021 von 74 auf 58 Prozent gesunken.

Beim bargeldlosen Vorreiter Schweden seien zunächst fast alle Geldautomaten abgebaut worden, berichtete Pop. Nun würden die Banken per Gesetz verpflichtet, sie wieder aufzustellen, um niemand vom Bezahlwesen auszuschließen. New York City habe eine Pflicht für Händler eingeführt, Bargeld zu akzeptieren. Europa sollte es gar nicht erst zu einer Situation kommen lassen, in der solche Schritte nötig würden.

Trotz ihres Plädoyers für Cash findet die Grüne auch die Idee des digitalen Euro bestechend. Dieser würde das gesetzliche Zahlungsmittel quasi vollenden im digitalen Sinne. Auch dabei müsse es aber möglich sein, Geld genauso wie am Automaten abzuheben in eine E-Wallet, um Datenspuren zu vermeiden: Was ein Nutzer dann etwa mit diesen 150 Euro mache, "wird nicht mehr hinterlegt". Dies könnte der richtige Weg sein, "um echte Wahlfreiheit zu gewährleisten" und trotzdem Geldwäsche zu verhindern. In diesem Kampf müsse eine klare Trennlinie zwischen Verbrauchern, die Alltagsgüter bezahlten, und organisierter Kriminalität gezogen werden.

Die EU-Kommission wird Pop zufolge Ende Juni einen Rahmenvorschlag für den digitalen Euro präsentieren. Nach diesem ersten Aufschlag folge im Oktober die Initiative der Europäischen Zentralbank (EZB), die das Prestigeprojekt schon seit rund anderthalb Jahren auslotet und dabei bereits "Anonymitätsgutscheine" ins Spiel brachte. Datenschützer fordern immer wieder, dass der digitale Euro so anonym wie Bargeld sein sollte. Pop warb prinzipiell für ein leistungsfähiges digitales, staatlich gestütztes System beim Digitaleuro, das auch offline funktionieren müsse. Es gelte, die kommenden Entwürfe genau zu prüfen.

Beim Festlegen einer Obergrenze für Bargeld mahnte die Verbraucherschützerin zur Zurückhaltung. Wichtiger sei zunächst, dass etwa Notare Auffälligkeiten etwa bei Immobilienkäufen konsequenter meldeten. An der vielkritisierten Bon-Druckerei an der Kasse führe aber wohl kein Weg vorbei. Diese sei die beste Betrugsprävention, da sie bestätige, dass das Geld wirklich verbucht worden sei.

(mho)