Ausfahrt mit dem Kia Soul EV

Der Sauberwürfel

Ein Ausfahrt mit dem Kia Soul zeigt: Er ist bei nüchterner Betrachtung eins der am besten gemachten Elektroautos auf dem Markt. In sich harmonisch, sparsam und qualitativ hochwertig. Dazu kommt ein erstklassiges Preis-Leistungsverhältnis

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Kia, Elektroautos, alternative Antriebe 18 Bilder
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  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Hamburg, 28. Juli 2015 – Beinahe hätten wir ihn übersehen. Nur der geschlossene (weil überflüssige) Kühlergrill und die Felgen für die Leichtlaufreifen unterscheiden den Batterie-elektrischen Kia Soul EV von den Modellen mit Verbrennungsmotor. Nach zwei Wochen und rund 1000 Kilometern Fahrt steht fest: Der Sauberwürfel aus Südkorea ist uns nicht nur ans Herz gewachsen. Er ist bei nüchterner Betrachtung eins der am besten gemachten Elektroautos auf dem Markt. In sich harmonisch, sparsam und qualitativ hochwertig. Dazu kommt ein erstklassiges Preis-Leistungsverhältnis, das für Neugierige den entscheidenden Impuls zum Kauf geben könnte.

Schnell voll

Kia will für den Soul EV 30.790 Euro haben. Inklusive Navigationssystem, programmierbarer Klimaautomatik, Tempomat und sieben Jahren Garantie. Einziger Posten auf der Aufpreisliste ist das „P1-Komfort-Paket“ (990 Euro) mit belüfteten Teilledersitzen, einer Sitzheizung für hinten und weiteren Details. Wichtiger für die Gemeinde der Elektromobilisten sind andere serienmäßige Features: Der Kia Soul EV kann Wechselstrom mit 6,6 kW Leistung (Nissan Leaf: 1047 Euro Aufpreis, Volkswagen e-Golf: nicht erhältlich) laden. Das dauert bei der 27 Kilowattstunden (kWh) fassenden Batterie vier bis fünf Stunden. Mit Gleichstrom und einem Chademo-Anschluss verkürzt sich die Zeit auf 33 Minuten (beim Testwagen bis 83 Prozent SOC) an einer 50-kW-Ladesäule. Es geht noch schneller, wenn in Zukunft die Leistung ansteigt. Der Soul EV verdaut das. Und weil es dazu gehört: An einer 230-Volt-Steckdose steht man zehn bis zu 14 Stunden.

Für alle, die sich häufig mit dem Thema beschäftigen, soll auch die gravimetrische Energiedichte genannt werden. Sie liegt laut Werk bei 200 Wattstunden pro Kilogramm. Da Kia die Kapazität mit 27 kWh und das Batteriegewicht mit 277 kg angibt, muss sich der Wert auf die Zellebene beziehen; für das System liegt er bei 97 Wh / kg. Zum Vergleich der Volkswagen e-Golf: Hier bekommt der Kunde 24,2 kWh auf 318 kg verteilt, woraus sich 76 Wh / kg ergeben. Es ist schön zu sehen, wie mit jedem neuen Fahrzeug eine Verbesserung sichtbar wird. Wenn Nissan zur IAA das technische Facelift des Leaf vorgestellt, könnte das einen weiteren Schritt bedeuten. Die Gerüchte besagen, dass die absolute Batteriekapazität des Weltverkaufsmeisters um 25 Prozent von 24 auf 30 kWh wächst. Mal sehen, ob und wie stark dabei das Gewicht dabei ansteigt.

Die Batteriekapazität des Kia Soul EV von 27 kWh ist kein Selbstzweck. Das Ziel ist, den Aktionsradius zu erweitern. Und das gelingt dem Koreaner sehr gut. Im Durchschnitt lag der Testverbrauch bei 15,2 kWh / 100 km und damit leicht über der Werksangabe von 14,7 kWh / 100 km. Wie bei allen Batterie-elektrischen Autos ist die Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit entscheidend für das Ergebnis. Auf Überlandtouren lässt sich der Normwert locker unterbieten, hier sind zwölf bis 14 kWh möglich. Bei einer Stichprobe auf der Autobahn mit per GPS gemessenen 130 km/h verbrauchte der Soul EV 24,4 kWh. Der von uns ermittelte Gesamtwert ist folglich eher ein Spiegel des Fahrprofils – und nicht etwa der benötigen Heiz- oder Kühlenergie oder des Fahrstils, diese Faktoren werden regelmäßig überschätzt.

Niedriger Stromverbrauch, hohe Reichweite

Der niedrige Verbrauch von 15,2 kWh führt zu Reichweiten von deutlich über 150 km. Rechnerisch sind es im Mittel 178 km (Werksangabe: 212 km). Die Anzeige im Display war zu pessimistisch und stand selbst bei Vollladung nie über 147 km. Mutmaßlich lernt der Bordcomputer aus den bisherigen Verbrauchswerten, und vielleicht waren vor uns wilde Heizer am Steuer.

Wir möchten dennoch betonen, dass wir den Kia Soul EV nicht geschont haben. Die Klimaautomatik war immer auf 21 Grad gestellt, an elektrischen Verbrauchern wie der Sitzbelüftung oder dem Radio wurde nicht gegeizt, und vor allem haben wir immer wieder ordentlich Gummi gegeben. Autobahn bedeutete: Autobahn mit Richtgeschwindigkeit und kurzfristig bis zum Topspeed von 145 km/h (Tacho dabei: 154 km/h) und nicht etwa Windschattenschleichen hinterm Lkw. Und Bundesstraße hieß Gleiten, das von Vollstrom beim Überholen unterbrochen wurde.

Generell verstärkt sich mit dem Kia Soul EV der Eindruck, dass die Domäne der Batterie-elektrischen Autos nicht wie es vor fünf Jahren diskutiert wurde die Stadt ist (hier funktionieren Fahrrad und ÖPNV am besten), sondern ganz im Gegenteil das Land und die Vorstadt. Das Potenzial ist dort, wo die Menschen über Nacht zu Hause laden können und tagsüber ihre Touren machen. Zur Arbeit, zum Sport, zum Einkaufen.

Die große Reise ist weiterhin problematisch. Wir wollten von Hamburg nach Braunschweig, was normalerweise circa 200 km über A7 und A2 bei rund zwei Stunden Fahrt sind. Mangels Chademo-Infrastruktur an der Autobahn wählten wir die Bundesstraße und hangelten uns über zwei Schnelllader in Lüneburg und Wittingen durch. Das klappte wunderbar, und es gehört zu jedem Beitrag über Elektroautos, dass die Fahrt an sich ein leiser und kraftvoller Genuss ist. Allerdings brauchten wir nun vier Stunden, was zum kleineren Teil an den Zwangspausen zum Laden, zum größeren am grundsätzlich langsamen Überlandbetrieb inklusive Bahnschranken lag. Wir geben zu: die Verdoppelung der Fahrtzeit nervt.

Wie viel Kapazität ist notwendig?

Umso mehr bestätigt das die These, dass es der Zweitwagen ist – E-Freaks sprechen nur vom Erstwagen, weil er am häufigsten benutzt wird –, der am sinnvollsten durch ein Batterie-elektrisches Auto wie den Kia Soul EV ersetzt werden kann. Je besser die Schnellladeinfrastruktur ausgebaut ist, und hier tut sich eine Menge, desto lauter stellt sich außerdem die Frage, ob die Batteriekapazität in jedem Fahrzeug so groß wie technisch maximal möglich sein muss. Oder ob in der Kompaktklasse in naher Zukunft mit 40 bis 50 kWh nicht ein Maß erreicht ist, bei dem der Alltag sorgenfrei bewältigt werden kann und jeder Batteriefortschritt in sinkende Kosten sowie weniger Gewicht und Ressourcenverbrauch investiert werden sollte.

Zurück zum Kia Soul EV, diesem angenehmen Begleiter. Es ist Zeit für die Mäkelei. Dem sehr stimmigen Gesamtbild stehen kleine Schwächen gegenüber. So ist der Platz für die Passagiere großzügig bemessen, beim Kofferraum aber hält das Volumen nicht, was die Quaderform verspricht. 281 Liter sind nicht gerade üppig. In einem modernen Auto hätten wir auch einen Tempomat mit automatischer Abstandsregelung erwartet. Der passt einfach gut zum Konzept der Elektromobilität. Was noch fehlt, ist ein Typ2 / Typ1-Kabel für AC-Säulen. Das müssen Kunden im Zubehör erstehen. Lediglich die Leitung für eine Schukosteckdose wird mitgeliefert. Und außerdem werden die AC-Kabel fahrzeugseitig nicht verriegelt und können einfach abgezogen werden. Das war es schon mit der Kritik.

Fazit: Wer sich für ein Batterie-elektrisches Auto interessiert, kommt ab sofort nicht mehr am Kia Soul EV vorbei. Das Ding ist einfach gut. Der sympathische Sauberwürfel ist aus einem Guss, ein wirklich exzellenter Wurf, komfortabel, sparsam und sauber verarbeitet. Sein Trumpf ist die Verbindung aus sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis und hoher Alltagstauglichkeit. Die Konkurrenz muss jetzt nachziehen.