Kohleausstieg

BMW: kein Nachfolger für den i3

BMW hat 2013 mit dem i3 einen der konsequentesten, intelligentesten und am wenigsten umweltschädlichen vollelektrischen Wagen vorgestellt. Mit 150.000 Verkäufen blieb er hinter den Erwartungen. BMW erklärte, keinen Nachfolger zu bauen

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Elektroautos, alternative Antriebe 8 Bilder
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Von
  • Christian Lorenz
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BMW kündigt an, das bisher einzige batterieelektrische Modell, den urbanen Premiumkleinwagen i3, nicht weiterführen zu wollen. Für den ehemaligen deutschen Elektrovorreiter werde es keinen Nachfolger geben, sagte BMW-Marketingchef Pieter Nota in einem Interview der britischen Financial Times vom 16. September. Von einem Termin für eine Produktionseinstellung war indes noch keine Rede.

Der vom jetzigen VW-Elektrovordenker Christian Senger konzipierte BMW i3 war bei seinem Erscheinen 2013 ein Ausrufezeichen des deutschen Herstellers, die Mobilitätswandel wirklich ernstzunehmen. Unter Herbert Diess und Christian Senger, den profiliertesten Köpfen deutscher E-Mobiliät, entstand damals bei BMW der bis heute konsequenteste, nachhaltigste und pragmatischste Elektrowagen. Und erst im gerade vorgestellten VW ID.3, den Diess und Senger völlig frei von konzerninternen Bremsern konzipierten, scheint der BMW i3 nun seinen Meister gefunden zu haben.

Kohlefaser gegen Kohlendioxid

BMW ging pragmatisch und ambitioniert bei der Konstruktion seines ersten vollelektrischen Fahrzeuges vor. Im Vordergrund standen Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit – Kohlefaser contra Kohlendioxid. Wenn man allerdings den durchwachsenen Markterfolg des i3 ansieht und die E-SUV-Welle, auf die BMW jetzt auch aufspringt, scheinen selbst bei Elektroautos weder Vernunft noch Nachhaltigkeit gefragt zu sein.

Konsequent urban

Der i3 ist konsequent Richtung idealen Einsatzzweck eines Elektroautos hin optimiert, auf den Stadtverkehr. Noch mehr als bei den allermeisten anderen Elektrofahrzeugen wurde in jeder Phase der Entwicklung auf Umweltverträglichkeit, Recycling und Nachhaltigkeit hoher Wert gelegt. Der CO2-Rucksack eines Elektroautos, also die deutlich höhere Umweltverschmutzung, die bei der E-Auto-Produktion im Vergleich zum Bau eines Verbrenners verursacht wird, spielt hier eine große Rolle.

Elektroautos müssen diese Umweltschädlichkeit durch geringeren Schadstoffausstoß im Betrieb mühsam abbauen. Das führt dazu, dass viele E-Modelle in ihren Leasingzeiträumen eine schlechter CO2-Bilanz haben als Verbrenner, als Diesel sowieso, die nach wie vor zu den besten CO2-Vermeidern gehören. (Damit jetzt nicht wieder jemand schreit: Das gilt für vergleichbar große Autos mit ähnlicher Leistung).

Reichweitendilemma

Leider besteht weiterhin die ungute Korrelation von hoher Batteriekapazität und großer Reichweite und großer Umweltverschmutzung bei der Akkuproduktion. Etwas abgemildert zwar durch Forschung und hohe Technologie-Investitionen, im Prinzip aber nach wie vor.

Bei der Vorstellung des i3 war dieser Zielkonflikt Reichweite vs. niedrige Emissionen die Achillesferse für ein nachhaltiges E-Modell. Deshalb hatte der i3 bei seiner Vorstellung nur eine 60 Ah-Batterie, die eine NEFZ-Reichweite von maximal 160 km ermöglichte. Um dieses Manko auszugleichen wurde ein Range-Extender angeboten, ein Zwei-Zylinder-Motorradmotor nebst Neun-Liter-Tank. Dieser trieb nicht etwa das Fahrzeug an, sondern erzeugte bei konstanter Drehzahl elektrische Energie über einen Generator, die zusätzlich für etwa 150 km NEFZ-Reichweite genügte. So gesehen war der i3 mit Range-Extender zwar das erste reichweitenangstfreie Elektrofahrzeug. Dennoch wurde der Range-Extender kaum bestellt und 2018 aus dem Programm genommen.

Kleiner CO2-Rucksack

Modellpflegemaßnahmen brachte 2016 und 2018 Vergrößerungen der Akkukapazität, erst auf 94 Ah und dann bis auf 120 Ah. Diese bemerkenswerten Steigerungen waren durch neue Technologien ohne vergrößerung des CO2-Ausstoßes möglich. Der CO2-Rucksack gegenüber des i3 gegenüber dem vergleichsweise nachhaltigen Verbrenner BMW 118d konnte so weiterhin auf sehr niedrigen 50.000 km gehalten werden. Das heißt, bei Betrieb mit Ökostrom wird der i3 erst mit dem 50.001. gefahrenen Kilometer umweltschonender als ein 118 Diesel. Das ist ein sehr guter Wert. Ein Tesla Model X soll nach Berechnungen, die wir selbst nicht geprüft haben, grundsätzlich mehr Schadstoffe als ein Oberklassediesel ausstoßen. Er würde seinen Rucksack erst nach über 200.000 km kompensieren. VW behauptet heute, mit dem ID.3 erstmals ein Elektrofahrzeug zu haben, bei dem ein CO2-Rucksack komplett vermieden wird.

Malus Gewicht

Ein Malus für die meisten modernen, meist SUV-artigen E-Modelle ist das überbordende Gewicht, das einer allzu großen Nachhaltigkeit enge Grenzen setzt. Es erklärt sich natürlich aus den schweren Akkus. BMW hat schon 2013 mit bemerkenswertem Mut auf dieses Problem reagiert und dem i3, als erstem Serienfahrzeug, eine Karosserie mit einem hohen Anteil an kohlefaserverstärktem Kunststoff mitgegeben. Die BMW Group kaufte sich dafür extra beim deutsch-amerikanischen Unternehmen SGL-Carbon ein, das in Moses Lake im US-Staat Washington, die Kohlefasern herstellte. Daher ist es möglich, dass der aktuelle i3 mit 360 km NEFZ-Reichweite und 170 PS nur 1345 kg (EU) wiegt. Beim Sportmodell i3s (184 PS) sind es mit 1365 kg nur wenig mehr.

Der i3 mit seinen schmalen Leichtlaufrädern vermittelt schon von außen den Primat der Effizienz und gehört aktuell mit einem kombinierten NEFZ-Verbrauch von 13,1 kWh (i3s: 14,6 kWh) auf 100 km immer noch zu den sparsamsten Elektroautos. Derzeit ist nur ein Hyundai Ioniq Elektro mit 11,5 kWh/100 km (NEFZ) sparsamer.

Zudem bietet der i3 eine nach wie vor moderne Interpretation pragmatischer Mobilität. Man sitzt hoch und steigt angenehm ein, wie in ein Stadt-SUV. Spielerisch leicht parkt man die wendige, nur vier Meter lange Kiste ein. Problematisch ist hingegen der hohe Grundpreis von 38.000 Euro, der sich mit ein wenig Ausstattung auf über 50.000 Euro treiben lässt. Da bietet das neue Kind seiner Väter, der VW ID.3, in der Papierform in jeder Hinsicht mehr für weniger Geld.

Eines der meistverkauften Elektroautos

Schon bisher dürfte der Preis dazu beigetragen haben, dass sich der i3 nie so verkaufte, wie es angesichts der Produktsubstanz wünschenswert gewesen wäre. Trotz allem kam er bis jetzt weltweit auf 150.000 Einheiten, was ihn bis jetzt zu einem der meistverkauften Elektroautos macht.

Pieter Nota, Leiter der Marketing-Abteilung von BMW, hat mit der Absage an den i3 keine Einschränkung der BMW-Elektroaktivitäten angekündigt, sondern eher das Gegenteil. Nicht weniger als 25 elektrifizierte Modelle will die Marke in den nächsten vier Jahren vorstellen. Damit sei die Elektrifizierung dann in der Mitte der Marke BMW angekommen und keine Submarke mehr nötig. Das Know-how des Technologieträgers i3 ginge dadurch mitnichten verloren. Persönlich würde ich mir jedenfalls auch in Zukunft einen kleinen, vernünftigen Premium-Kleinwagen vom Kaliber eines i3 mit neuester Technik, bestmöglicher Umweltbilanz und Freude am Fahren wünschen.