Offengelegt: Manchmal ist der Volt ein leistungsverzweigter Hybrid

Chevrolet Volt: Hybrid oder Elektroauto?

Einige Kritiker erzürnt, dass der Chevy Volt kein richtiges Elektro­auto ist. Dabei war immer klar, dass der Volt ein serieller Hybrid ist – doch manchmal auch leistungs­ver­zweigt, wie sich jetzt zeigt

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Frisch "betankt" kommt der Volt rein elektrisch bis zu 60 Kilometer weit. 4 Bilder
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Von
  • ggo
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Detroit (Michigan/USA), 15. Oktober 2010 – Aufregung in Amerika: Hat GM uns belogen? Ist der Chevy Volt gar kein Elektroauto? "GM lied: Chevy Volt is not a true EV", schreibt etwa edmunds.com, weil das Elektroauto mit Reichweitenverlängerer, wie GM es sehen will, offenbar doch auch ein bisschen hybrid ist.

Für Fachleute kommt diese Erkenntnis weniger überraschend, zumal der Chevrolet Volt per definitionem ohnehin ein Hybrid ist, wenn auch ein serieller. Andererseits, und das ist das Anliegen der GM-Marketing-Strategen, kann der Volt rund 60 Kilometer rein elektrisch fahren. Darum geht es bei der Medienschelte aber gar nicht, sondern um etwas wirklich Neues: Der Volt beherrscht noch einen dritten Modus, den GM tatsächlich jetzt erst öffentlich gemacht hat: Manchmal fährt der Volt als leistungsverzweigter Hybrid, welch eine Frechheit!

Erst rein elektrisch …

Doch der Reihe nach: Bei geladener Batterie fährt der Volt immer rein elektrisch, und zwar mit dem größeren der beiden Elektromotoren. Da aber der Wirkungsgrad im Bereich der Grenzdrehzahl sinkt, erklärt GM, kommt unter bestimmten höheren Lastzuständen der kleine E-Motor zur Hilfe, der normalerweise nur als Generator für den Range-Extender-Betrieb gedacht ist. Möglich ist das, weil der Antrieb außer den beiden E-Motoren aus drei Kupplungen und einen Planetenradsatz besteht. So können beide Motoren gemeinsam bei reduzierter Drehzahl betrieben werden. Das verringert vor allem bei höheren Geschwindigkeiten den Stromverbrauch und verlängert die elektrische Reichweite um etwa drei Kilometer.

… dann im Range-Extender-Betrieb ...

Wenn die nutzbare Kapazität nun erschöpft ist – die Batterie wird zwischen etwa 20 und 85 Prozent Ladezustand betrieben – springt der Verbrennungsmotor mit 111 kW ein, um den Generator zu betreiben, der im elektrischen Betrieb eben noch als "Hilfsmotor" diente. Auch im Range-Extender-Betrieb sind aber wieder zwei Zustände möglich: Normalerweise dienen Verbrennungsmotor und Generator ausschließlich zum Erzeugen von Strom, den Antrieb übernimmt der große E-Motor.

... gelegentlich auch leistungsverzweigt

Und jetzt kommt Modus 4, der Stein des Anstoßes: Bei hohen Geschwindigkeiten wird über das Planetengetriebe ein Teil der verbrennungsmotorischen Antriebskraft abgezweigt, um den E-Motor zu entlasten und auch hier wieder für einen besseren Gesamtwirkungsgrad zu sorgen. Im Prinzip ist der Antrieb dann ein leistungsverzweigter Hybrid, wenn auch mit kräftiger elektrischer Note. Tatsächlich hat GM dies in der Vergangenheit nicht kommuniziert, wie uns auch Opel-Techniksprecher Andrew Marshall bestätigt. Grund sei aber vor allem gewesen, dass man keine wettbewerbsrelevanten Informationen ausplaudern wollte und noch Patentierungen ausstanden.

Dennoch wird der Hersteller nun ein wenig davon eingeholt, dass er den Volt unbedingt als Elektroauto anpreisen wollte. Das gilt übrigens auch für die Frage, in welchem Verbrauchszyklus der Volt eigentlich gemessen werden soll. Und auch jetzt noch hält GM dagegen: Selbst im beschriebenen Modus 4, also dem kombinierten Range-Extender-Antrieb, sei ein alleiniger Antrieb durch den Verbrennungsmotor unmöglich, der Volt werde immer mit elektrischer Kraft betrieben.

Auch ein Range Extender muss Sprit sparen

Ob diese Argumentation gegenüber den US-Medien hilfreich ist, sei dahingestellt. Was aber einige US-Kritiker geflissentlich oder in schlichter Unkenntnis übersehen, ist der Zweck der beschriebenen Konstruktion: Wenn der Verbrennungsmotor eingeschaltet wird, weil die Batterie am Ende ist, besteht natürlich ein Interesse daran, möglichst wenig Kraftstoff zu verbrauchen. Selbstverständlich ist es dann absolut plausibel, eine Leistungsverzweigung vorzunehmen, um den Gesamtwirkungsgrad zu verbessern.

GM verspricht dadurch einen um 10 bis 15 Prozent geringeren Verbrauch, als es rein seriell möglich wäre. Ohnehin zeigen sich nordamerikanische Medien recht angetan von den Realverbräuchen. Die Montreal Gazette zum Beispiel kam zunächst einmal rein elektrisch 67,4 Kilometer weit, sicherlich unter günstigen Bedingungen. Nach 75,8 Kilometern zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 0,38 Litern an – freilich ein alberner Wert, der im Grunde nur überzeichnet illustriert, wie schwierig eine Verbrauchmessung ist.

Schwierige Verbrauchsmessung

Doch wie soll man den Verbrauch überhaupt ermitteln? Batterie und Tank leerfahren, oder – besser noch – den Test von vornherein mit leerer Batterie machen? Im Prinzip ja, doch damit entfernt man sich auch vom Zweck des Chevrolet Volt. Die Idee ist ja gerade, kurze Strecken elektrisch zu fahren, der Verbrennungsmotor hat ja idealerweise nur einen Aushilfsjob. Vielleicht wäre ein gestufter Zyklus hilfreich, etwa 50, 100, 250 und 500 Kilometer sowie ausschließlich unter Erhaltungsladung, damit Autofahrer mit den Werten etwas anfangen können.

Hybrid sein ist nicht unanständig

Nach einem Bericht der New York Times weiß übrigens selbst die amerikanische Umweltbehörde EPA noch nicht so recht, wie eine geeignete Norm für die Verbrauchsmessung aussehen soll. Immerhin gibt es bereits eine Tendenz für die Klassifizierung des Chevy Volt: Laut Bericht soll er als Plug-in-Hybrid geprüft werden, der Nissan Leaf dagegen als Elektroauto, das war aber auch schon seit längerem klar.

Man mag GM dafür kritisieren, dass sie keinen speziellen, für Range Extender optimierten Verbrennungsmotor einsetzen, wie es in Europa bei einigen Entwicklungsdienstleistern und Herstellern angedacht ist. Sie aber dafür zu geißeln, dass ein bisschen leistungsverzweigter Hybridbetrieb dabei ist, um den Verbrauch zu optimieren, ist hanebüchen.