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Clarksons alte Unterhosen

Die Clarkson-Taliban wünschten Evans das Scheitern. Freunde der Unterhaltung wünschten sich neue Impulse. Es passierte: weder noch. Chris Evans und die BBC versuchen, das Alte zu imitieren

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Die Hardcore-Fraktion der Top-Gear-Taliban wollte Chris Evans spektakulär scheitern sehen mit seiner Übernahme als Moderator. Ich persönlich wollte möglichst viele neue Impulse sehen, die so viele neue Leute in eine Medienproduktion einbringen können. Jetzt sind die ersten beiden Folgen gelaufen. Sie haben gezeigt: Beide Wünsche wurden keine Realität.

Dass Evans vollkommen scheitert, hielt selbst Jeremy Clarkson für unwahrscheinlich, der in Evans den wohl besten Mann zur Übernahme sah: großer Autofreak, beliebt, bekannt, kreativ und erfahren als Moderator. Und so präsentierte Evans die erste Folge der 23. Staffel Top Gear mit einer sehr verständlichen Angespanntheit, aber viel Moderationsroutine. Matt LeBlanc kommt sehr sympathisch rüber, weil er zu Recht auf seinen ruhigen Typ vertraut. Er sticht den erfahrenen Evans glatt aus, auch wenn er allein wahrscheinlich Probleme hätte, das Format zusammenzuhalten. Zwischen beiden holpert es noch etwas, aber es hatte durchaus Potenzial, etwas zu werden, dachte ich. Dann folgte jedoch eine Show, die so viel Altes so intim verwendete, dass es einen unangenehm berührte. Es war, als trüge Evans eine alte Unterhose von Herrn Clarkson: befremdlich.

Evans hat sich vorher auf den Kopf gestellt, damit er außer Moderator auch Produzent sein durfte. Er wollte alles bestimmen. Er wollte die Freiheit, alles zu tun. Er nahm sie sich, um alles zu lassen. An Top Gear hat sich außer der Moderation praktisch nichts geändert. Warum er das für eine gute Idee hielt, bleibt sein Geheimnis. Als Clarkson und Wilman 2002 Top Gear neu auflegten, schneiderten sie es Clarkson auf den Leib. Es war tatsächlich sein Anzug oder seine Unterhose, und egal wer sie einfach aufhebt und tragen will, wird so kacke aussehen damit wie Evans. Dabei hätte gerade Herr Evans einen Schrank voll eigener, tragbarer Wäsche. Der wahrscheinlichste Grund für dieses Verhalten: Evans hatte Angst, die bewährte Formel zu verlassen und die BBC hatte Angst, ihn das tun zu lassen, weil diese Formel so viel Geld verdient. Die erste Folge war dementsprechend scheußlich. Deshalb habe ich die zweite abgewartet für diesen Text, und die ist tatsächlich viel besser.

Und jetzt: zurück ins Studio!

Für die Leser, die einen Warnaufkleber brauchen, hier unserer: Der folgende Text enthält potenzielle Spoiler.

An den Eckdaten scheiterte die erste Folge nicht, sondern in der Umsetzung. Sie bestand aus einer größeren, in Teilen gesendeten Challenge, einem unterhaltungslastigen Autotest eines Ariel Nomad, einem Vergleich zwischen einer Dodge Viper ACR und einer Chevrolet Corvette Z06, und statt einem "Star in a Reasonably Priced Car" gab es einen "Star in a Rallycross Car". Letzteres ist das einzige Versatzstück aus dem Top-Gear-Teileregal, an dem wahrnehmbare Veränderungen vorgenommen wurden: Statt in einem preiswerten Auto fahren die Gäste jetzt in einem Rally-Mini. Statt nur auf Asphalt fahren sie einen Mischkurs Asphalt/Dreck mit Sprung und Pfütze.

Im Studio mit den Gästen bringt Evans dann Elemente einer Publikums-Show ein. Die Studiogäste sollen zum Beispiel durch Klatschen abstimmen, welches erste Auto ihnen am besten gefällt. Dieses Format muss daher bisher darauf verzichten, dass sich gute Gespräche entwickeln können, wie es in einem offenen Interview-Format immer mal wieder passiert, aber weil es die einzige Neuigkeit darstellt, möchte ich sie lobend hervorheben. Sie zog sich nur länger hin, als sie unterhaltsam war. Mehr Neues gab es aber leider nicht. Dafür sprang Evans im Studio hyperaktiv herum und dirigierte Lacher, die angesichts eher verhaltener Gesichter wie aus der Konserve klangen. War mir zu Eighties.