Erzwungene Einheit: Entwurf zur Ladesäulenverordnung des BMWi

Erzwungene Einheit

Der Entwurf zur Ladesäulenverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums sieht danach aus, als wollte sie Einheit erzwingen. Die E-Szene diskutiert das Thema deshalb wie wild und erregt sich sehr darüber. Mancher Nicht-Betroffene wundert sich, warum es offenbar so schwierig ist, sich zu einigen

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  • Christoph M. Schwarzer
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Berlin, 19. Januar 2015 – Regieren statt lavieren. Mit einer „Ladesäulenverordnung – LSV“ möchte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Ordnung in das Wirrwarr der Stecker für Batterie-elektrische Autos und Plug-In-Hybride bringen. Der Entwurf soll nach Auskunft einer Sprecherin des BMWi noch in der ersten Jahreshälfte in Kraft treten. Die wesentlichen Inhalte: Beim schnellen Gleichstromladen wird das von den deutschen Herstellern favorisierte „Combined Charging System“ (CCS) für jeden verpflichtend, der eine neue Säule aufbauen will. Der Bestand bleibt unberührt. Niemand muss nachrüsten. Die konkurrierenden Standards Chademo und Tesla bleiben erlaubt; es muss aber in Zukunft gewährleistet sein, dass an solchen Säulen, falls sie neu errichtet werden, „aus Gründen der Interoperabilität“ auch zusätzlich ein CCS-Anschluss vorhanden ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Meldepflicht von Ladesäulen bei der Bundesnetzagentur. Damit wäre endlich die Voraussetzung geschaffen, eine Website oder App zu bauen, die wirklich alle Ladesäulen beinhaltet. Bisherige Lösungen haben oft entweder nur ein Energieunternehmen oder einen Standard abgebildet.

Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands eMobilität e.V., bewertet die Initiative grundsätzlich positiv: „Die Verordnung schafft ausländische Standards nicht ab. Keiner ist benachteiligt.“ Sigl bemängelt vor allem den späten Zeitpunkt, an dem der Gesetzgeber aktiv wird – das alles hätte seit Jahren geregelt sein müssen, so Sigl.

Ist also jetzt alles gut, herrscht nun die große Einheitlichkeit beim Laden? Nein.

Typ 2 hat sich beim Wechselstrom durchgesetzt

So ist es im Sinn der Technologieoffenheit weiterhin genehmigt, fahrzeugseitig jedes System anzubieten. Die Uneinheitlichkeit ist hier auch weiterhin groß. Beim Wechselstrom (AC) zum Beispiel scheint man sich (auch in der LSV) auf den so genannten Typ 2 geeinigt zu haben. Ein Smart electric drive arbeitet damit genauso wie ein Renault Zoe oder ein Tesla Model S.

Für den Laien unverständlich ist das breite Spektrum der Leistungen und daraus folgend der Geschwindigkeiten und Wartezeiten: So schaffen Volkswagen e-Golf oder Nissan Leaf lediglich 3,7 Kilowatt, wo der Renault Zoe bis zu 43 kW vorlegt. Das betrifft nicht nur die Besitzer, die entsprechend länger oder kürzer stehen müssen. Auch andere Halter von Fahrzeugen mit Ladestecker geht das etwas an – dort, wo ein Schnarchlader steht, kann eine öffentliche Säule für Stunden blockiert sein, während andere zügig das Feld räumen.

Beim Wechselstrom ist zudem die Frage offen, welche Bedeutung das induktive, also kabellose Laden bekommt. Sollte es sich wegen der Einfachheit und optischen Unauffälligkeit durchsetzen, wäre der Typ 2-Anschluss überflüssig. Der Nachteil: dann müssten sich Hersteller und Infrastrukturindustrie wieder auf einen Standard einigen.

Verdrängungskampf beim DC-Laden

Der eigentliche Konflikt aber herrscht beim Gleichstromladen. Mit CCS hilft das BMWi einem System, das in keinem Auto serienmäßig und ohne Aufpreis verbaut wird. Nur Volkswagen e-Up (600 Euro), e-Golf (600 Euro) und BMW i3 (1590 Euro) sind damit erhältlich. Der japanische Chademo-Standard wird unter anderem im Nissan Leaf und dem Mitsubishi Outlander Plug-In-Hybrid verwendet, der Tesla Supercharger allein vom Model S. Alle Autos dürfen weiterhin genauso angeboten werden.

Für die Festlegung auf CCS aber könnte es zu früh ein. Andreas-Michael Reinhardt vom Bundesverband Solare Mobilität (BSM) fordert, dass erst standardisiert werden muss, bevor reguliert werden kann. Seine Kritik ist, dass der Standardisierungsprozess bei CCS noch gar nicht abgeschlossen ist: „Hier wird also vorgeschrieben, was keineswegs exakt festgelegt ist“, so Reinhardt. Die Verordnung entspreche damit nicht dem Stand der Diskussion.

Klar ist beim BSM, dass eine EU-weite Interoperabilität das Ziel sein muss. „Beim Typ 2-Stecker für Wechselstrom ist das gut möglich“, erklärt Andreas-Michael Reinhardt. Für den Gleichstrom hingegen glaubt er, dass es besser wäre, die Verordnung in dieser Form nicht in Kraft treten zu lassen, weil sie nur ein Vorübergang wäre. „Und wer sagt, dass überhaupt reguliert werden muss?“ Bisher überließ man den Markt dem freien Spiel der Kräfte. Warum also jetzt verbindlich werden, wenn es auch ohne geht?

Betamax, VHS oder Video 2000?

Eine Motivation des BMWi dürfte der Wunsch sein, den Ruf der E-Mobilität an sich zu verbessern. Es ist vielen Neugierigen schlicht unverständlich, warum es so schwierig ist, sich ohne Zwang zu einigen. Hier aber bricht die Welt der Elektronik in die des Autos ein: Wie beim Videorekorder – weiß noch jemand, was Betamax ist – oder dem Smartphone gab und gibt es immer wieder den Versuch einzelner Hersteller, das eigene Modell zur führenden Technologie zu machen oder einen nicht kompatiblen Exklusivstandard zu setzen. „Weg mit den anderen“, ist die Devise, und wer gewinnt, muss keineswegs der inhaltlich Beste sein.

Mit der Ladesäulenverordnung setzt das BMWi die EU-Richtlinie 2014/94 „über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ in einem Teilaspekt um. Das ist nationales Recht und Pflicht zugleich. Wünschenswert wäre, dass hier nicht nur in Deutschland, sondern gleich in der ganzen EU eine Lösung erzielt werden würde. Die ist noch nicht absehbar.

So könnte der alte Witz der Elektroautofahrer Realität werden: „Weißt Du schon, welcher Standard sich in zehn Jahren durchgesetzt hat?“ „Nee!“ „Keiner!“. Jedenfalls keiner der heutigen. Immer wieder kursieren zum Beispiel Gerüchte, wonach BMW, Nissan und Tesla ein zukunftsfähiges Ladesystem entwickeln. Mit einem schlanken Stecker und einer sehr hohen Ladeleistung für die schnelle Batteriefüllung.

Von dem Hickhack könnten am Ende die Brennstoffzellenautos profitieren. Denn obwohl praktisch keine Autos verkauft werden, haben die Wasserstofftreiber etwas, um das sie die Stromlader beneiden könnten: Ein Tanksystem für alle. Nur die Zahl der Zapfsäulen ist noch sehr übersichtlich.