Fahrbericht: Opel Zafira Life 2.0 Diesel

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Opel hat mit der PSA-Übernahme einen Lieferwagen geerbt, der wiederum in Kooperation mit Toyota entstanden ist. In seiner Nutzvariante hört der Opel-Kasten weiterhin auf den Namen Vivaro. Die neue PKW-Variante, der Multivan-Gegner von Opel, hat einen alten Namen, der allerdings bisher für kleinere Vans stand. Der Zafira Life ist somit die Opel-Variante des Citroën Space-Tourer und als solches vielleicht eine preiswertere Alternative zu VW T6.1 (Test) oder Mercedes V-Klasse (Test). Dass der Franko-Opel imagemäßig weniger auf dicke Hose macht, ist für manche Kunden vielleicht gar kein Nachteil.

Ich mag Kastenwagen. Das merkte ich schon, als wir einen VW Caddy (Test) hier hatten. Auch der war in maximal transporterhaften Fliesenlegerweiß zu uns gekommen. In der gleichen geschäftsmäßigen Lackierung ragt der Opel Zafira Life über die rundgelutschte Masse unseres Parkplatzes hinweg wie ein großer Eisblock über verlorenes Gletschergebiet. Der Testwagen hat den mittleren von drei Radständen und eine Gesamtlänge von knapp fünf Metern auf der kommod acht Erwachsene und sogar noch ein wenig Gepäck unterkommen können.

Angenehmes Nutzdesign

Zum Vergleich: Ein Insignia Country Tourer (Test) ist bei vergleichsweise beschämender Raumverschleuderung sogar ein paar Millimeter länger. Und das sieht man dem einen wie dem anderen an. Für mich ist es heutzutage eine Wohltat, dass dem Designer bei Nutzbusderivaten wie dem Zafira Life enge Grenzen gesetzt sind. VW schafft es hingegen auch der Kastenform mit peinlichen Bulli-Schriftzügen und dicken Chrom einen neureichen Anstrich zu geben.

Unbequem hoch

Beim Entern des Fahrersitzes im Zafira Life merkt man deutlich, dass man sich hier nah am Nutzfahrzeug befindet. Der hohe Einstieg wird hier zum Malus: Laster statt SUV. Ältere Personen tun sich sehr schwer, hineinzukommen. Das Cockpit findet jedoch einen guten Stil aus klarem Pragmatismus und angenehmer Augenschmeichlerei. Man ist positiv von der optischen und haptischen Geschmeidigkeit überrascht. Auch so gute Ledersitze hätte man nicht erwartet. Elektrisch fahren sie intuitiv und schnell in eine bequeme und ergonomische Position.

Ergonomie-Foul Sitzheizungsknopf

Ein böses Foul, das wir zuletzt schon im Citroën C3 Aircross (Test) erfahren mussten, hat Opel leider von PSA übernommen. Die Schalter für Sitzheizung und Sitzmassage sind tief unten am äußeren Sitzrahmen angebracht. Schon das Ertasten während der Fahrt ist gefährlich. Zu sehen sind die Drehschalter nur, wenn man bei offener Tür neben dem Auto steht. Fatal ist das deshalb, weil sowohl Sitzheizung als auch Massagefunktion über Stufen regelbar sind, die mit Ziffern auf dem Drehschalter vermerkt sind und den Fahrer durchaus interessieren würden.

Preiswerte Top-Navigation

Das übrige Cockpit lässt an den beiden typisch vieleckig eingefassten „Unrundinstrumenten“ erkennen, dass dieser Opel von einem Citroën abstammt. Alles ist gut ablesbar, nichts wirkt überfrachtet. Der Zentralmonitor des teuersten Infotainmentpakets wirkt mit nur 7 Zoll zwar etwas unspektakulär in dem XXL-Armaturenbrett, das sich hier vor einem aufspannt. Navigation und Infotainment bieten jedoch solide Hausmannskost mit Tom-Tom-artiger Grafik und Echtzeitverkehrsdaten. Die MBUX- und Discover-Pro-Orgien von Mercedes von VW sind zwar im Vergleich beeindruckender. Für die horrenden Aufpreise werden sich diese Spielereien aber nur wenige bestellen.

Opel geht hier den kundenfreundlicheren Weg. Für vergleichsweise faire 1150 Euro bzw. 800 Euro in höheren Ausstattungsvarianten bekommt man alles, was man braucht. Was man dagegen nicht braucht, ist das Head-up-Display mit Plexiglasscheibe. Es wirkt gerade in so einem großen Fahrzeug ein bisschen unbeholfen. Die meisten Zafira Life dürften aber mit der Plexiglastafel versehen werden, da sie im Paket mit sinnvollen Ausstattungen kommt oder bei den teureren Versionen ohnehin serienmäßig ist.

Sechs Einzelsitze in zwei Reihen

Die drei Einzelsitze in der zweiten und dritten Reihe lassen sich intuitiv verschieben, klappen und einzeln herausnehmen. Für letzteres braucht es allerdings zwei Personen mit Kraft, weil die Sitzmöbel schwer sind. Das ist bei der Konkurrenz von VW und Mercedes allerdings auch nicht anders. Nur im kleineren Zafira Tourer von Opel gab es ein flexibles Faltsystem. Die Außensitze der zweiten Sitzreihe lassen sich für den Einstieg in die dritte Reihe einfach vorklappen. Auf Wunsch ist der Zafira Life auch mit Tisch und Gegensitzgruppe erhältlich.

Vollwertiger, luxuriöser Achtsitzer

Abgesehen von der eingangs erwähnten, hohen Lieferwagenschwelle erreichen drei Erwachsene die dritte Reihe nicht nur ohne große Verrenkungen, sondern finden auch ausreichend Platz. Schon der Zafira Life mit mittlerem Radstand ist ein vollwertiger, bequemer Achtsitzer. Zumal der Testwagen auch mit den elektrischen Schiebetüren und Fußgestensteuerung ausgestattet war. Komisch, dass es im Gegenzug einen elektrischen Antrieb der riesigen und schweren Heckklappe gar nicht gibt. Vielleicht hat PSA ja Angst, dass Kunden damit Schäden in Parkhäusern anrichten. Insgesamt ist die Innenraumgestaltung intelligent, praktisch und sehr flexibel. Der Opel-Bus gibt sich hier wenig Blöße gegenüber der teuren deutschen Konkurrenz. Allenfalls wenn man unter dem Armaturenbrett nach Plastikkanten und herunterhängenden Kabeln sucht, wird man im PSA-Opel eher fündig.

An jedem Sitz kann ein Kindersitz installiert werden und die große Reisegruppe im Heck dürfte kaum über schlechte Unterbringung meckern. Eine separate Klimaanlage steigert das Wohlbefinden optional ebenso wie ein zweiteiliges Panaromaglasdach mit aufwendiger Beleuchtung im Mittelsteg. Auch wenn es leider nicht zu öffnen ist, macht es den Innenraum wohnlicher. Hinter der schweren Hecktür wird in Achtsitzer-Konfiguration der Kofferraum dann doch recht kurz. Sieben Schulranzen bringt man aber mit etwas Stapelgeschick durchaus noch unter. Praktisches Alleinstellungsmerkmal ist in dieser Klasse das separat zu öffnende Heckfenster.

Schwergängige Kupplung

Wenn man für die acht Insassen aber noch Urlaubsgepäck transportieren möchte, muss man zur 5,30 m langen, größten Version des Zafira Life greifen. Nachteile eines so großen Busses in der Wendigkeit müssen dann in Kauf genommen werden. Aber bei einem Fahrzeug dieser Art, muss man ohnehin damit rechnen, dass im Betrieb die Nutzfahrzeuggene durchkommen. Das deutet sich schon beim Einkuppeln an. Man braucht viel Kraft und der Pedalweg ist lang. Schon sieht man sich als Lastwagenchauffeur mit angegriffenem Kupplungsfuß. Nach ein paar Kilometern kommt es einem zwar nicht mehr so schlimm vor. Aber ein VW T6 fährt sich vergleichsweise Pkw-hafter. Meine Empfehlung ist, statt des leistungsmäßig völlig ausreichenden 150-PS-Diesels zum 177-PS-Topmodell mit Achtgangautomatik zu greifen. Einzige Alternative für Schaltunwillige dazu ist ein 122-PS-Diesel, der immerhin 3200 Euro weniger kostet als der stärkste Selbstzünder.

Obwohl einem dann eine Detailvorstellung technischer Perfektion entgehen würde, die man hier nicht erwartet hätte. Gemeint ist die Start-Stopp-Funktion mit Riemenstartergenerator. Sie geht hier eine geniale Kombination mit dem außerordentlich kultivierten Vierzylinder-Dieselmotor ein. Das Starten und Stoppen erfolgt so unmerklich, dass man an Ampeln oft nicht sagen kann, ob der Motor läuft oder nicht. Noch beeindruckender ist aber, wie gut das System mit widersprüchlichen Stopp-Start-Situationen an gerade umspringenden Ampeln oder im Stop-and-Go-Verkehr zurechtkommt. Die PSA-Technik hält den Motor immer bereit, wenn man ihn braucht und schaltet ihn beim Ansegeln auf Ampeln unmerklich aus, um Sprit zu sparen. Das verdient ein großes Lob und gehört zum Besten, was ich in der Hinsicht gefahren habe. Dass es im Gegenzug auch Systeme gibt, die einen in der Kreuzung „verhungern“ lassen können, zeigte kürzlich ein Jeep Renegade (Test).

Leider nur Euro 6d Temp

Auch die Effizienz des 150-PS-Vierzylinderdiesels ist aller Ehren wert. Ein so großes Auto, so flott im Alltag mit etwa sieben Litern bewegen zu können, hätte man vor ein paar Jahren noch nicht geglaubt. Bei betont sanfter Fahrweise ist sogar noch weniger drin. Wenn PSA nicht die Unart mitmachen würde, die Autos immer noch nach Euro-6d-Temp zu zertifizieren, gäbe es also kaum etwas auszusetzen. Leider sitzt so der heutige Neuwagenkäufer binnen Jahresfrist in einem Fahrzeug mit veralteter Abgasnorm. Das dürfte den erzielbaren Preis seines Fahrzeugs auf dem Gebrauchtwagenmarkt mindern.

Voll Reisetauglich

Das Fahrwerk des Großraumwagens ist voll fernreisetauglich. Auch bei fiesen Bodenwellen schlägt hier nichts durch und der hohe Kasten nervt trotzdem nicht mit starker Seitenneigung. Der gute Geradeauslauf und das niedrige Geräuschniveau machen den Zafira Life zu einem ausgezeichneten Autobahnshuttle. Weniger geeignet ist er für engkurvige Landstraßen. Da würde man sich eine direktere Lenkung wünschen. Sie gefällt zwar mit Leichtgängigkeit, lässt aber dafür an Zielgenauigkeit noch Raum für Verbesserung übrig. Ich sage: Typisch Lieferwagen. Kollege Flo sagt: Mein Mitsubishi L300 hat eine total direkte Lenkung. Und prompt ließ er in fast jeder Kurve, in der er am Steuer saß, einen abfälligen bis alarmierten Kommentar los. Wie gesagt, für schnelle Kurven ist das nichts, aber man gewöhnt sich dran. Zusammen mit der hohen Sitzposition fördert die Lenkung sogar noch, das Gefühl, wie ein König der Fernstraße über den Dingen zu thronen.

Beachtlicher Einstieg

Dem Zafira Life gelingt also ein beachtlicher Einstieg im Segment der luxuriöseren Familienbusse. Um so schöner, dass er auch bei der Preisgestaltung nicht enttäuscht. Der kurze 4,60 lange Zafira Life, mit 102-PS-Diesel und Basisausstattung „Selection“ beginnt unverhandelt bei 34.780 Euro, der lange Bus mit 177 PS, Automatik und Topausstattung kostet mindestens 52.695 Euro. Das war auch der Preis unseres Testwagens mit mittlerem Radstand, 150-PS-Diesel und einem sehr luxuriösen zusätzlichen Ausstattungsumfang aus der Preisliste. Viel mehr als 60.000 Euro wird ein Zafira Life nie kosten. Bei Mercedes sind mehr als 85.000 Euro möglich, was freilich auch an Optionen liegt, die es für den Zafira nicht gibt.

Für den VW Multivan T6.1 stehen die Preise noch nicht fest. Bisher lag er ungefähr auf dem Niveau der V-Klasse von Mercedes. Ein V 220d mit 163-PS-Diesel und 9G-Tronic kostet mit vergleichbarer Ausstattung rund 10.000 Euro mehr. Man erhält dafür ein noch luxuriöseres Fahrzeug mit mehr Infotainmentschmankerln. Aber der Zafira Life hat durch PSA-Hilfe zu einer alten Opel-Tugend zurückgefunden. Viel Auto fürs Geld, ein pragmatischer Ansatz und insgesamt wenig zum Meckern. In diesem Fall hat sich die PSA-Übernahme für den Opel-Kunden gelohnt.