Familienerbe

Fahrbericht: Opel Zafira Life 2.0 Diesel

Ein PSA-Van mit Opel-Emblem fordert Mercedes V-Klasse und VW T6.1 heraus. Wie schlägt sich der Konzernkastenwagen in seiner Topausstattungsvariante im Alltag? Ist er tatsächlich eine gute Alternative?

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Opel Zafira Life Innovation M 20 Bilder

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Opel hat mit der PSA-Übernahme einen Lieferwagen geerbt, der wiederum in Kooperation mit Toyota entstanden ist. In seiner Nutzvariante hört der Opel-Kasten weiterhin auf den Namen Vivaro. Die neue PKW-Variante, der Multivan-Gegner von Opel, hat einen alten Namen, der allerdings bisher für kleinere Vans stand. Der Zafira Life ist somit die Opel-Variante des Citroën Space-Tourer und als solches vielleicht eine preiswertere Alternative zu VW T6.1 (Test) oder Mercedes V-Klasse (Test). Dass der Franko-Opel imagemäßig weniger auf dicke Hose macht, ist für manche Kunden vielleicht gar kein Nachteil.

Ich mag Kastenwagen. Das merkte ich schon, als wir einen VW Caddy (Test) hier hatten. Auch der war in maximal transporterhaften Fliesenlegerweiß zu uns gekommen. In der gleichen geschäftsmäßigen Lackierung ragt der Opel Zafira Life über die rundgelutschte Masse unseres Parkplatzes hinweg wie ein großer Eisblock über verlorenes Gletschergebiet. Der Testwagen hat den mittleren von drei Radständen und eine Gesamtlänge von knapp fünf Metern auf der kommod acht Erwachsene und sogar noch ein wenig Gepäck unterkommen können.

Angenehmes Nutzdesign

Zum Vergleich: Ein Insignia Country Tourer (Test) ist bei vergleichsweise beschämender Raumverschleuderung sogar ein paar Millimeter länger. Und das sieht man dem einen wie dem anderen an. Für mich ist es heutzutage eine Wohltat, dass dem Designer bei Nutzbusderivaten wie dem Zafira Life enge Grenzen gesetzt sind. VW schafft es hingegen auch der Kastenform mit peinlichen Bulli-Schriftzügen und dicken Chrom einen neureichen Anstrich zu geben.

Unbequem hoch

Beim Entern des Fahrersitzes im Zafira Life merkt man deutlich, dass man sich hier nah am Nutzfahrzeug befindet. Der hohe Einstieg wird hier zum Malus: Laster statt SUV. Ältere Personen tun sich sehr schwer, hineinzukommen. Das Cockpit findet jedoch einen guten Stil aus klarem Pragmatismus und angenehmer Augenschmeichlerei. Man ist positiv von der optischen und haptischen Geschmeidigkeit überrascht. Auch so gute Ledersitze hätte man nicht erwartet. Elektrisch fahren sie intuitiv und schnell in eine bequeme und ergonomische Position.

Ergonomie-Foul Sitzheizungsknopf

Ein böses Foul, das wir zuletzt schon im Citroën C3 Aircross (Test) erfahren mussten, hat Opel leider von PSA übernommen. Die Schalter für Sitzheizung und Sitzmassage sind tief unten am äußeren Sitzrahmen angebracht. Schon das Ertasten während der Fahrt ist gefährlich. Zu sehen sind die Drehschalter nur, wenn man bei offener Tür neben dem Auto steht. Fatal ist das deshalb, weil sowohl Sitzheizung als auch Massagefunktion über Stufen regelbar sind, die mit Ziffern auf dem Drehschalter vermerkt sind und den Fahrer durchaus interessieren würden.

Preiswerte Top-Navigation

Das übrige Cockpit lässt an den beiden typisch vieleckig eingefassten „Unrundinstrumenten“ erkennen, dass dieser Opel von einem Citroën abstammt. Alles ist gut ablesbar, nichts wirkt überfrachtet. Der Zentralmonitor des teuersten Infotainmentpakets wirkt mit nur 7 Zoll zwar etwas unspektakulär in dem XXL-Armaturenbrett, das sich hier vor einem aufspannt. Navigation und Infotainment bieten jedoch solide Hausmannskost mit Tom-Tom-artiger Grafik und Echtzeitverkehrsdaten. Die MBUX- und Discover-Pro-Orgien von Mercedes von VW sind zwar im Vergleich beeindruckender. Für die horrenden Aufpreise werden sich diese Spielereien aber nur wenige bestellen.

Opel geht hier den kundenfreundlicheren Weg. Für vergleichsweise faire 1150 Euro bzw. 800 Euro in höheren Ausstattungsvarianten bekommt man alles, was man braucht. Was man dagegen nicht braucht, ist das Head-up-Display mit Plexiglasscheibe. Es wirkt gerade in so einem großen Fahrzeug ein bisschen unbeholfen. Die meisten Zafira Life dürften aber mit der Plexiglastafel versehen werden, da sie im Paket mit sinnvollen Ausstattungen kommt oder bei den teureren Versionen ohnehin serienmäßig ist.

Sechs Einzelsitze in zwei Reihen

Die drei Einzelsitze in der zweiten und dritten Reihe lassen sich intuitiv verschieben, klappen und einzeln herausnehmen. Für letzteres braucht es allerdings zwei Personen mit Kraft, weil die Sitzmöbel schwer sind. Das ist bei der Konkurrenz von VW und Mercedes allerdings auch nicht anders. Nur im kleineren Zafira Tourer von Opel gab es ein flexibles Faltsystem. Die Außensitze der zweiten Sitzreihe lassen sich für den Einstieg in die dritte Reihe einfach vorklappen. Auf Wunsch ist der Zafira Life auch mit Tisch und Gegensitzgruppe erhältlich.

Vollwertiger, luxuriöser Achtsitzer

Abgesehen von der eingangs erwähnten, hohen Lieferwagenschwelle erreichen drei Erwachsene die dritte Reihe nicht nur ohne große Verrenkungen, sondern finden auch ausreichend Platz. Schon der Zafira Life mit mittlerem Radstand ist ein vollwertiger, bequemer Achtsitzer. Zumal der Testwagen auch mit den elektrischen Schiebetüren und Fußgestensteuerung ausgestattet war. Komisch, dass es im Gegenzug einen elektrischen Antrieb der riesigen und schweren Heckklappe gar nicht gibt. Vielleicht hat PSA ja Angst, dass Kunden damit Schäden in Parkhäusern anrichten. Insgesamt ist die Innenraumgestaltung intelligent, praktisch und sehr flexibel. Der Opel-Bus gibt sich hier wenig Blöße gegenüber der teuren deutschen Konkurrenz. Allenfalls wenn man unter dem Armaturenbrett nach Plastikkanten und herunterhängenden Kabeln sucht, wird man im PSA-Opel eher fündig.

An jedem Sitz kann ein Kindersitz installiert werden und die große Reisegruppe im Heck dürfte kaum über schlechte Unterbringung meckern. Eine separate Klimaanlage steigert das Wohlbefinden optional ebenso wie ein zweiteiliges Panaromaglasdach mit aufwendiger Beleuchtung im Mittelsteg. Auch wenn es leider nicht zu öffnen ist, macht es den Innenraum wohnlicher. Hinter der schweren Hecktür wird in Achtsitzer-Konfiguration der Kofferraum dann doch recht kurz. Sieben Schulranzen bringt man aber mit etwas Stapelgeschick durchaus noch unter. Praktisches Alleinstellungsmerkmal ist in dieser Klasse das separat zu öffnende Heckfenster.

Schwergängige Kupplung

Wenn man für die acht Insassen aber noch Urlaubsgepäck transportieren möchte, muss man zur 5,30 m langen, größten Version des Zafira Life greifen. Nachteile eines so großen Busses in der Wendigkeit müssen dann in Kauf genommen werden. Aber bei einem Fahrzeug dieser Art, muss man ohnehin damit rechnen, dass im Betrieb die Nutzfahrzeuggene durchkommen. Das deutet sich schon beim Einkuppeln an. Man braucht viel Kraft und der Pedalweg ist lang. Schon sieht man sich als Lastwagenchauffeur mit angegriffenem Kupplungsfuß. Nach ein paar Kilometern kommt es einem zwar nicht mehr so schlimm vor. Aber ein VW T6 fährt sich vergleichsweise Pkw-hafter. Meine Empfehlung ist, statt des leistungsmäßig völlig ausreichenden 150-PS-Diesels zum 177-PS-Topmodell mit Achtgangautomatik zu greifen. Einzige Alternative für Schaltunwillige dazu ist ein 122-PS-Diesel, der immerhin 3200 Euro weniger kostet als der stärkste Selbstzünder.