Was der Rohstoffstaat Katar von Nauru lernen könnte

Klartext: (K)eine Zukunft aus Öl

Die arabischen Ölförderstaaten leben alle auf großem Fuß, weil sie viel Umsatz mit Öl und Gas machen. Diese Rohstoffe sind jedoch endlich. Vielleicht könnte man das Geld in eine eigene Zukunft investieren

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wenn man die Kultur der von ihren Rohstoffen lebenden Nationen verstehen will, schaut man derzeit am besten nach Katar. Der kleine Wüstenstaat, der wie ein Mikropenis von Saudi Arabien aus in den Persischen Golf ragt, ist aufgrund seiner Größe ein Destillat der Probleme aller solcher Staaten. Betrachter werden große Übereinstimmungen zu den benachbarten Fossilförderstaaten vorfinden, wenn es auch nirgends so krass ist wie im Mikrokosmos Katar. Das Land hat pro Kopf den höchsten geschätzt-errechneten CO2-Ausstoß der Welt. Selbst die US-Amerikaner („Sommer! Stell die Klimaanlage auf 16° C und reich mir dann einen Pulli!”) schaffen weniger als die Hälfte des Personenverbrauchs der Katari. Das Geld für die Verschwendung stammt aus den Rohstoffen. Es wird mit beeindruckendem Tempo weitestgehend nutzenfrei verfeuert. Für den europäischen Betrachter wirkt es, als heize jemand bei offenem Fenster seinen Kamin mit 500-Euro-Scheinen. Das ist interessant, weil sich Katar von denselben Scheinchen ja auch eine Zukunft kaufen könnte.

Zuerst müssen wir einordnen, wie dekadent der kleine Wüstenstaat wirklich ist. Die Weltbank hat aus den neuesten veröffentlichten Daten für 2013 Katars Ausstoß von CO2-Äquivalent auf 40,5 Tonnen pro Kopf und Jahr errechnet. Der Wert für die USA im selben Abrechnungszeitraum liegt bei 16,4 Tonnen. Nun hat die USA jedoch eine viel besser durchmischte Bevölkerung in Sachen Wirtschaftskraft. Es gibt eine Mittelschicht. In Katar dagegen gibt es in einer Gesamtbevölkerung von etwas über 2 Millionen rund 300.000 echte Katarer, die fast alles besitzen. Der Rest sind importierte Arbeiter. Ein kleiner Teil davon arbeitet in den Hightech-Jobs der Petrochemie oder der Aluminiumerzeugung; den größten Teil jedoch würde ich persönlich als moderne Sklaven bezeichnen, weil sie vollkommen der Willkür ihrer Herren ausgeliefert sind. Da mag zwar auf dem Vertrag stehen, dass sie soundsoviele Riyal erhalten am Monatsende, aber was sie tatsächlich kriegen und wann, das obliegt vollständig der Willkür ihrer Vorgesetzten. Oft gibt es statt Bezahlung ein paar Watschen oder mit etwas mehr Glück eine Vertröstung und eine Schale Couscous. Ihre Rechte als Menschen oder gar Arbeiter existieren bestenfalls virtuell.

Umso besser lässt es sich die herrschende Kaste gehen. Katar importiert 90 Prozent der Lebensmittel. Das macht es umso erstaunlicher, dass bei den luxuriösen Mahlzeiten wiederum 90 Prozent davon weggeworfen werden. Ich war in den arabischen Staaten immer als jemand aus der KFZ-Szene. Da bist du ein guter Handelsfreund, denn die Ölstaateneinwohner lieben teure KFZ-Spielzeuge, und immerhin verkaufen sie ja auch eine Menge Öl als Treibstoff ebendieser Fahrzeuge. So ein Gast sieht viel vom Leben der wohlhabenden Katarer. Es fällt ihm jedoch genauso die mittelalterliche Dienstleisterkaste auf. Auf dem Klo stehen drei Pakistani, die dir die Türen aufmachen, das Handtuch reichen und wahrscheinlich auf Zuruf sogar beim Tropfen abschlagen helfen und dabei "Yes, Sir, sänkju, Sir" aufsagen. Man würde sie bemitleiden, wenn sie nicht in einer vergleichsweise guten Lage wären in ihrer beheizten Toilette. Sie könnten auch wie Schicksalsschwächere auf einer der vielen Baustellen leben müssen, bis sie umfallen.

Bauen wie Bankster in Spanien

Aus irgendeinem Grund baut Katar wie verrückt. Ganze Siedlungen schießen aus dem Nichts. Wenn ein Stadtkern saniert werden soll, werden alle Bewohner aus ihren Häusern vertrieben, dann wird alles abgerissen, dann wird alles neu gebaut, dann können die Bewohner sich dort neu einmieten. Es ist jedoch eine Blase, wahrscheinlich eine spekulative. Folglich stehen die meisten Bauten aus diesen gigantischen Bauprojekten schlicht leer. Wir kennen das Phänomen aus Spanien. Diese Immobilien stehen auf dem Boden, sie stehen in irgendeiner Bilanz, sie stehen aber leer und damit letztendlich für die Ziellosigkeit vieler Investitionen Katars. Es wird investiert in VW, in Porsche, Cargolift, SES Astra, und das ist alles okay, aber wenn ich auf einem Schatz säße, würde ich davon nicht nur fremde Aktien kaufen, sondern vor allem in eine eigene Zukunft investieren. Man kann nicht ein ganzes Land aus Aktiengewinnen ernähren. Vor allem nicht, wenn man jeden Tag alles Essbare auftischt, das wegschmeißt und für morgen dasselbe bestellt.