Ist weniger mehr?

Kommentar: Parkplatzreduzierung

Die Linken-Fraktion in Berlin fordern eine jährliche Reduktion von Parkplätzen. Diese Idee kann man gut oder schlecht finden. Doch sie sollte bei der Umsetzung der Verkehrswende in Großstädten keinesfalls an erster Stelle stehen. Ein Kommentar

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(Bild: ADFC)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Neulich ging in einem großen, angeblich sozialen Netzwerk ein gar wunderbares Vorher-Nachher-Bild herum. Oben, auf dem Vorher-Bild, eine triste Einbahnstraße mit gefüllten Parktaschen links und rechts. Auf dem Nachher-Bild ist aus den Parktaschen eine begrünte Fläche, aus der Einbahnstraße eine Fußgängerzone geworden, in der nun alle total glücklich sind. Endlich sind die Autos weg, der Platz ist wieder für die Menschen da. Eine grandiose Idee, wobei man sich schon fragen darf, wessen Autos dort vorher eigentlich standen?

Neues Grün in der Stadt

Ob es dieses Bild war, was die Linken-Fraktion im Berliner-Abgeordnetenhaus zu ihrem Vorschlag verleitet hat, weiß ich nicht. Sie fordert einen „verbindlichen Fahrplan“ zur Reduzierung von Parkflächen für Autos in der Stadt. „Mit einer festen Parkplatzreduktionsquote wollen wir jedes Jahr neue Freiflächen schaffen, die in enger Beteiligung der Bevölkerung für breitere Gehwege, neues Grün in der Stadt, Abstellzonen für Leihräder und Scooter, sichere Radabstellanlagen oder Ladezonen genutzt werden können“, heißt es in einem Beschluss der Fraktion. Zur Umsetzung der Verkehrswende müsse die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel noch attraktiver werden, um den Umstieg vom Auto zu fördern. Das klingt prima, hat aber dann doch ein paar bedenkenswerte Hintergründe.

Aktuell hat es den Anschein, als ob Bewohnern in Großstädten und angrenzenden Speckgürteln der Verzicht auf das eigene Auto nicht sonderlich erstrebenswert erscheint. Zumindest stehen die Wohngebiete voll mit Autos, die Straßen sind es zu den Hauptverkehrszeiten ebenfalls. Das Konzept, die schon jetzt vorhandene Not bei der Parkplatzsuche in Großstädten einfach weiter zu verschärfen, könnte dazu führen, dass es dort tatsächlich weniger Autos gibt. Ich bezweifle jedoch, dass der Linken-Fraktion im Anschluss die Herzen massenhaft zufliegen.

Denn ganz grundsätzlich gibt es ja zwei Ansätze, politisch zu handeln. Ich kann die Menschen zu dem zwingen, was ich für Glück halte. In der Demokratie kann das aber dazu führen, dass ich bald nichts mehr zu entscheiden habe. Der fraglos bessere Weg ist es, die Menschen mitzunehmen und argumentativ zu überzeugen. Ganz offensichtlich ist der ÖPNV in seiner derzeitigen Form für eine durchaus relevante Zahl von Menschen nicht attraktiv.

Viel Arbeit beim ÖPNV

Die Gründe dafür mögen höchst unterschiedlich sein. Die eine sorgt sich um ihre Sicherheit, der nächste findet dreckige Züge und dichte Menschenansammlungen nicht anziehend, manch einer ärgert sich womöglich über ständige Verspätungen und miese Informationen diesbezüglich, lausigen Service, unpassende Verbindungen oder auch heftige Preise. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, verdeutlicht aber doch, dass vielerorts noch etwas Arbeit vor einem großartigen ÖPNV liegt. Auch der wird nicht alle überzeugen, aber ganz sicher mehr Menschen als heute.

Dass Investitionen in den ÖPNV, die in den vergangenen Jahren auch in Berlin nur sehr zögerlich getätigt wurden, erst über eine große zeitliche Distanz ihre Wirkung voll entfalten, ist natürlich auch der Linken-Fraktion bewusst. So plädiert sie als Zwischenlösung auf einen starken Ausbau des Busnetzes, inklusive mehr Busspuren und Vorrangschaltungen an Ampeln. Ich hielte es für noch sinnvoller, die begrenzten Ressourcen gleich in den Schienenverkehr zu stecken. Eine Verlagerung des Transports von Mensch und Gütern von der Schiene auf die Straße ist mir schon überregional unbegreiflich. Im Nahverkehr ist das erst recht keine nachhaltige Lösung.