Mut zur kleinen Größe

Prototypen-Fahrt im Honda e

Der Honda e ist anders: Dank Heckantrieb bewegt er sich bemerkenswert agil und bietet einen stadttauglich kleinen Wendekreis. Eigens als Elektroauto konstruiert ist er bei der Raumnutzung im Vorteil. Dafür ist dem E-mobil im coolen Retrodesign das Reichweiten-Wettrüsten ziemlich egal.

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Honda e 24 Bilder
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Von
  • Stefan Grundhoff; press-inform
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Mit seinem Prototypen kehrt Honda wieder zu alter Stärke zurück und zeigt selbstbewusst, wie lässig ein Elektroauto sein kann – und wie kompakt. Der Honda e sieht klasse aus und macht gute Laune. Bereits als Prototyp fährt sich das Auto mit Heckantrieb erstaunlich agil und überzeugt mit seinem stadttauglichen Wendekreis. Der Honda e könnte ein Vorbild für elektrische Kleinwagen mit 200 Kilometern Reichweite werden.

Honda zweifelt daran, ob es sinnvoll ist, batterieelektrische Luxus-SUV oder Mittelklasselimousinen auf die Straße zu schicken. „Wir denken, dass ein Elektroantrieb in einem Kleinwagen deutlich mehr Sinn ergibt“, so Kohei Hitomi, Projektmanager des Honda e, „die Leute fahren am Tag durchschnittlich kaum mehr als 40 Kilometer.“ Für solche Strecken ist der Honda e genau der Richtige. Gestartet hatte Honda die Öffentlichkeitsarbeit für dieses Projekt 2017 unter dem deutlich präziser passenden Arbeitstitel „Honda Urban EV Concept“.

Gewicht geschickt überspielt

Den kombinierten Stromverbrauch gibt Honda mit 20 - 18 kWh/100 km an, die Reichweite von 200 Kilometer soll für die meisten Kunden ausreichen. Seine Stärken hat der knapp vier Meter lange Japaner ohnehin in der City. Cool wie der erste Mini und mit sichtbarem Retro-Charme bietet er jede Menge Fahrspaß für den Alltag. 110 kW Leistung und 300 Nm maximales Drehmoment genügen locker, um mit dem kleinen Elektroflitzer flott und munter unterwegs zu sein. Dabei kann der Honda e seine 1,5 Tonnen Leergewicht dank einer Gewichtsverteilung von 50:50, niedrigem Schwerpunkt, Einzelradaufhängung auch an der Hinterachse und Hinterradantrieb überraschend geschickt überspielen. Das 35,5-kWh-Batteriepaket liegt ganz unten zwischen den Achsen. Die neue technische Basis wurde eigens für den Honda e entwickelt und soll als Plattform für weitere Modelle dienen.

Auf dem Handlingkurs spurtet der Hecktriebler aus dem Stand nahezu lautlos bis auf Tempo 70 in die erste Kurve, dann gilt es, Pylonen zu umrunden. Der Fahrdynamik-Teil zeigt: Das Fahrwerk ist komfortabel, aber nicht weich und die Wankbewegungen bleiben auch bei flottem Tempo überschaubar. Unmittelbare Reaktionen auf die Lenkbewegungen und spontanes Einlenken sind bei jeder Kurvengeschwindigkeit angenehm spürbar. Die Lenkung ist dabei nicht so leichtgängig, wie man bei einem City-Flitzer, zumal einem aus Japan, hätte befürchten können. Antriebseinflüsse sind naturgemäß nicht vorhanden.

Heckantrieb: volle Traktion und engste Radien

Der Fahrer kann zwischen den Fahrcharakteristik-Modi „Normal“ und „Sport“ anwählen, wobei sich der kleine Japaner im Normalmodus nahezu komplett mit Gaspedal und Lenkrad fahren lässt. Die Reibungsbremse wird dann nur nur für starke Verzögerungen gebraucht, der Rest lässt sich über die Rekuperation erledigen.

Der Wendekreis von nur 8,60 Metern macht den Honda in Innenstädten nicht nur flott, sondern auch überaus wendig. „Dadurch, dass der Motor die Hinterachse antreibt, haben wir nicht nur eine bessere Traktion, sondern können die Räder auch um bis zu 45 Grad einschlagen“, erklärt Techniker Takahiro Shinya. Schwupp eingeparkt oder schnell in einem Zug gewendet? Beides mit Spaßfaktor!

Das knuffige Äußere des Honda e soll mit der angedeuteten Kühlergrillbrille an die erste Generation des Honda Civic erinnern. Die runden Augen bringen viel Sympathie, die coole Kühlermaske, das Design gegenüber am Heck und die knackigen Proportionen steigern sie noch. Irritation auf den zweiten Blick: Wo sind die Außenspiegel? Im Prototyp sind stattdessen windschlüpfige Digitalkameras eingebaut.

Hondas erstes elektrisches Serienauto

Die schwarze Klappe auf der Fronthaube verbirgt die Ladesteckdose des ersten elektrische Serien-Honda. „In einer halben Stunde lädt sich ein leeres Batteriepaket bei entsprechender Schnellladung zu rund 80 Prozent wieder auf“, erklärt Projektmanager Kohei Hitomi nach. Die letzten 20 Prozent dauern wie bei allen Elektromodellen dann deutlich länger. Hitomi weiß um die Skepsis gerade europäischer Kunden. Er entgegnet, dass Honda mit seinem E-Auto eine Downsizing-Philosophie verfolgt, die es konsequent als Kurzstreckenfahrzeug sieht. „Jeder will krampfhaft Reichweite haben, aber das macht die Autos nur größer und schwerer. Wir wollen diesem Trend entgegenwirken.“

Der Innenraum ist puristisch und chic zugleich. Ein durchgehendes Panel in Holzoptik trägt drei übersichtliche Berührungs-Displays. Über Apps in Kacheloptik sollen sich die wichtigsten Funktionen steuern lassen. Fahrprogramm und Feststellbremse lassen sich auf einer kleinen Insel mit Holzumrandung zwischen den Frontsitzen bedienen.

Ausreichend Platz im Innenraum

Die Sitze sind bequem, aber eher konturlos und zu groß sollte man schon wegen der kurzen Oberschenkelauflage nicht sein. Trotz der überschaubaren Dimensionen ist ausreichend Platz für vier Personen. Weder kostet ein Motor vorderen Fußraum noch verengt ein Kardantunnel den Innenraum.

Ein Schnäppchen wird der Honda e nach seiner Weltpremiere auf der Frankfurter IAA im September und dem Marktstart im März 2020 nicht werden. Aktuell ist davon auszugehen, dass es je nach Ausstattungsvariante zwischen 30.000 und 35.000 Euro losgeht. Damit tritt der Honda e gegen die elektrischen Varianten von Opel Corsa und Peugeot e-208 mit je 50 kWh oder den VW ID 3 an.

Das gilt wohlgemerkt für den Preis und nicht für die Batteriegröße. In Kapazität und voraussichtlicher Reichweite dagegen liegt der Honda noch unter Elektroautos wie der Renault Zoe R90/R110 (Test) mit ihren 41 oder dem Kia e-Niro mit seinen 39,2 kWh. So könnte der Preis zum Haupthindernis werden, jedenfalls für pragmatische Kunden. Honda ist indes überzeugt, dass das Konzept des Honda e aufgehen wird.