Im SARTRE-Projekt ist erste autonome Kolonnenfahrt auf öffentlicher Straße gelungen

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Seit 2009 wird im SARTRE-Projekt die autonome Kolonnenfahrt erforscht. Dabei können alle Fahrer die Hände vom Lenkrad nehmen – außer dem Anführer. Nun wurde das "Platooning" auf öffentlichen Straßen erprobt

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  • ggo
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Barcelona, 29. Mai 2012 – Seit September 2009 läuft das SARTRE-Projekt, in dem die Möglichkeiten einer autonomen Kolonnenfahrt erforscht werden. Dabei setzt sich ein Fahrzeug an die Spitze und alle folgenden werden wie Zugwagons angekoppelt – rein elektronisch allerdings, ohne jede mechanische Verbindung. Nun hat Volvo mitgeteilt, dass ein Kolonnentest erstmals erfolgreich im öffentlichen Verkehr durchgeführt wurde. Der Test in der Nähe von Barcelona führte über eine Strecke von rund 200 Kilometern. Die Führungsrolle in der Kolonne übernahm dabei ein Lkw, ihm folgten ein Volvo XC60, ein Volvo V60 und ein Volvo S60.

Im Entenmarsch

"Platooning" nennt sich die Kolonnenfahrt auf englisch. Das klingt zwar arg militärisch, bringt aber das Funktionsprinzip noch treffender auf den Punkt als das deutsche Wort "Kolonnenfahrt": Einer übernimmt die Führung und die anderen dackeln hinterher. Als "Anführer" ist ein Lkw vorgesehen – ganz beabsichtigt, weil die Forscher unterstellen, das professionelle Lkw-Fahrer am ehesten die Verantwortung übernehmen können für die Fahrzeuge hinter ihnen. Man stelle sich vor, das Führungsfahrzeug kommt von der Fahrbahn ab und alle fahren ihm hinterher … Dagegen helfen nur zwei Maßnahmen: Erstens muss der Anführer absolut verlässlich sein und zweitens muss geeignete Sensorik dabei helfen, Fahrfehler zu vermeiden.

Die Fahrzeuge sind mittels verschiedener Sensoren untereinander und mit dem Führungswagen verbunden und kommunizieren mit diesem. Die Techniken werden schon heute in Serienmodellen verwendet, etwa Kameras, Radarsysteme und Lasersensoren. Während das Führungsfahrzeug von einem Fahrer gelenkt und bedient wird, fahren die Kolonnenfahrzeuge in einem konstanten Abstand vollkommen autonom, so dass ihre Fahrer problemlos ein Buch lesen, am Laptop arbeiten, eine SMS schreiben oder sich ausruhen können. Die Volvo-Modelle im Sartre-Projekt sind mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, mit deren Hilfe die Automobile selbsttätig Gas geben, bremsen und die Lenkung bedienen können. Sobald sich ein Fahrzeug seinem individuellen Ziel nähert, übernimmt der jeweilige Fahrer wieder das Steuer, schert aus der Kolonne aus und die anderen Kolonnenfahrzeuge rücken automatisch auf.

"Die erfolgreiche Kolonnenfahrt auf einer öffentlichen Straße inmitten anderer Verkehrsteilnehmer ist ein echter Meilenstein in unserem Projekt", sagt Volvo-Projektmanagerin Linda Wahlström. Nahezu untätig in einem Fahrzeug zu sitzen, das sich in etwa sechs Meter Entfernung vom Vordermann wie von Geisterhand bewegt, sei zwar zunächst etwas unheimlich. Die Test in Sartre hätten aber gezeigt, dass sich die Fahrer relativ schnell daran gewöhnen. "Während wir bei den Fahrten auf abgesperrten Teststrecken mit Abständen zwischen fünf und fünfzehn Metern geprobt haben, sind die Fahrzeuge dieses Mal bei einer Geschwindigkeit von 85 km/h in einem konstanten Abstand von sechs Metern zueinander gefahren". Möglichst Kurze Abstände sind eines der Kernziele von Sartre, weil dadurch der Gesamtverbrauch der Kolonne sinkt. 10 bis 20 Prozent Ersparnis erhoffen sich die Forscher.