Als die Garde starb

Rover SD1: Last Gentleman standing

1977 war der Rover SD1 das Auto des Jahres - genutzt hat es ihm nichts. Die politischen Umstände jener Zeit in Großbritannien waren ebenso gegen ihn wie die sich rasch herumsprechende Anfälligkeit seiner eigentlich simplen Technik

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen
Rover 3500 SD1 12 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Eine heimelige Runde honoriger Männer saß da zusammen 1977. Es wurde geraucht und getrunken. Gin Tonic war damals noch nicht so en vogue wie heute, weswegen schwerer Rotwein das Getränk der Wahl war. Das Ergebnis war, dass der Rover SD1 zum Auto des Jahres gekürt wurde. Die Jury erhob sich mit diesem Urteil über die reine Bewertung des Automobils. Vielmehr wollten die Herren ein wirtschaftspolitisches Statement zugunsten der auseinanderfallenden, britischen Autoindustrie abgeben. Nett gemeint, half aber nichts mehr und zeugte auch ein wenig von schwacher Konkurrenz in diesem Jahr.

Auto des Jahres 1977

Der Rover setzte sich gegen Audi 100 C2 (Platz zwei) und den Ford Fiesta (Platz drei) durch. Weil, so die Begründung der Jury, der Wagen endlich wieder ein Weltauto mit gefälligem Design sei und ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis bieten würde für eine obere Mittelklasse. Was die Juroren nicht wussten, aber durchaus hätten ahnen können, war, dass zum Kaufpreis noch die Reparaturkosten zu addieren waren, die sich im Lauf der Jahre soweit summieren konnten, dass sich auch ein zusätzlicher Mini ausgegangen wäre.

Das gute Preis-Leistungs-Verhältnis hatte der Rover SD1 seiner einfachen Technik zu verdanken. Hatte der Vorgänger, der P6, noch eine DeDion-Hinterachse mit innenliegenden Scheibenbremsen, setzten die Ingenieure diesmal auf eine klassische, aber sehr gut abgestimmte Starrachse, genau genommen eine Deichselachse. Auch die komplexe Vorderachskonstruktion wich einer McPherson-Federung. Ebenfalls preismindernd wirkte sich die symmetrische Armaturentafel aus. So musste für Märkte ohne Linksverkehr kein neuer Innenraum entwickelt und gebaut werden. Den Instrumententräger pfropften die Ingenieure dann einfach auf die benötigte Seite. Das gefiel nicht jedem, sorgte aber dafür, dass über den Wagen diskutiert wurde.

So ambitioniert dieses Projekt war – und was sonst außer fleißig weiterarbeiten hätten sie bei British Leyland schon tun sollen – so nutz- und hoffnungslos war die Situation. Die britische Autoindustrie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen beispiellosen Niedergang hingelegt, lag in den letzten Zügen und wartete eigentlich nur noch auf den Gnadenstoß. 1979 sollte Margaret Thatcher den Stecker ziehen.

Untergang von British Leyland

Der Untergang war selbst gemacht. Auch wenn dafür alle beteiligten Personen – von Politik über Management bis Arbeiter – am selben Strang ziehen mussten. Sie konnten ja nicht ahnen, dass dieser Strang um ihren Hals lag. Nach dem zweiten Weltkrieg wollte das Land eine ausgeglichene Handelsbilanz erreichen und führte Schutzzölle und Importbeschränkungen ein. Daraufhin werteten die Amerikaner das Pfund ab und der Effekt war dahin. Um keine übermäßige Inflation zu riskieren mussten die Engländer ihr Wachstum klein halten – während im Rest Europas ein nie dagewesener Boom ausbrach. Das wenige Geld, das da war, pumpten die Briten ins Militär, um die Illusion einer Weltmacht aufrecht zu erhalten. Eine Großmannssucht, die Ihnen noch auf die Füße fallen sollte.

Die Inflation war nicht aufzuhalten. Weil die Produktionsanlagen alt waren, musste zu hören Kosten weniger produziert und teurer verkauft werden. Frankreich, Deutschland und Italien, deren Fabriken nach dem Krieg allesamt in Schutt und Asche lagen, mussten sich zwangsweise neue Maschinen kaufen und hatten so einen enormen Produktionsvorteil. Als dann 1973 die Ölkrise kam, hatte die britische Regierung das System endgültig nicht mehr unter Kontrolle. 1979 betrug die Inflation 26 Prozent.