Bewährungsprobe

Tesla Model 3 startet

Tesla beginnt tatsächlich pünktlich mit der Produktion des Model 3. Doch ob die Firma damit profitabel werden kann, ist unter Experten höchst umstritten. Fest steht nur, dass dieses Auto für Tesla ein Erfolg werden muss - andernfalls hat die Firma große Probleme

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Tesla Model 3 7 Bilder

(Bild: Alexis Georgeson / Tesla)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin Franz
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Für Tesla beginnt mit der Serienproduktion seines Model 3 am Freitag (7. Juli 2017) die bisher größte Bewährungsprobe. Der Firma gelang es zwar, die Nische teurer Elektroautos für zahlungskräftige Käufer zu besetzen. Jetzt muss sich aber zeigen, ob es ihr auch gelingt, Elektromobilität zu einem Preis von rund 35.000 Dollar in den Massenmarkt zu bringen und dabei endlich profitabel zu werden. Analysten sind uneins über die Chancen.

Tesla muss sich beweisen

Was unbestritten ist: Tesla hat seit Gründung im Jahr 2003 beachtliche Popularität erlangt, was dem öffentlichkeitswirksam auftretenden Chef Elon Musk zu verdanken ist. Ob das reicht, um es vom Nischen- zum Volumenhersteller zu bringen, muss sich aber erst zeigen. Die Herausforderungen sind größer als nur binnen zwei Jahren die Produktion von 84.000 auf eine halbe Million Fahrzeuge hochzuschrauben. Die Zielmarke hatte der ehrgeizige Tesla-Chef vorgegeben.

Die vergangenen Tage zeigten, dass Tesla nicht länger hoffen kann, dass der kleine Markt für Elektrofahrzeuge eine geschützte Spielwiese bleiben wird. Volvo – mit gut 530.000 gebauten Autos im vergangenen Jahr ziemlich genau so groß, wie Tesla bis 2018 werden will – gab als erste der etablierten Automarken bekannt, ab 2019 keine neuen Modelle ohne Elektromotor mehr zu einzuführen. Die Ankündigung war ein medienwirksamer Paukenschlag, der Tesla-Aktionäre reichlich nervös machte.

Denn natürlich werden unter Volvos künftigen Modellen auch Hybride mit Verbrennungsantrieben sein, aber die Ansage ist eindeutig: Der Antrieb der Zukunft ist elektrisch. Diese Erkenntnis scheint sich in der Autoindustrie langsam aber sicher durchzusetzen, auch andere Branchengrößen werden zunehmend aktiv. Sollten die großen Firmen in den Angriffsmodus schalten, könnte es für Tesla rasch enger werden. Derzeit spricht einiges dafür.

Etliche Hersteller erhöhen bereits ihr Engagement: So gab Daimler jüngst eine Investition von 735 Millionen Dollar in die Elektroauto-Infrastruktur in China bekannt, ein Großteil des Geldes wird in die Batterieproduktion gehen. Von BMW wird auf der IAA eine elektrische Version der 3er-Reihe erwartet, General Motors verkauft zum Preis des Model 3 seinen kompakten Chevrolet Bolt, wenn auch aktuell noch in kleinen Stückzahlen.

Nicht alternativlos

Tesla wird sich in einem deutlich härter umkämpften Marktumfeld beweisen müssen. Noch vor ein paar Jahren war Tesla ein Exot, belächelt von gestandenen Automanagern. Doch auch wenn der Marktanteil von E-Autos bislang noch kaum ins Gewicht fällt: Gesetzliche Obergrenzen für den Flottenverbrauch zwingen alle Hersteller über kurz oder lang zu alternativen Antrieben. Das kann auf ein batterieelektrisches Auto hinauslaufen – muss es aber nicht zwingend, denn diese Antriebsform ist keinesfalls alternativlos.

Branchenexperte Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture ist dagegen vom Durchbruch des E-Autos überzeugt: Die knapp 400.000 Vorbestellungen für Teslas Model 3 belegten das große Interesse der Kundschaft. Inzwischen sei es völlig klar, dass Elektroantriebe die Verbrennungsmotoren verdrängen werden, sagt er. Nicht sofort, allein schon weil Autos nun einmal viele Jahre auf der Straße bleiben. Aber der Weg sei vorgezeichnet, so Schmidt. Das bedeutet, dass Tesla auf lange Sicht jeden Autohersteller zum direkten Konkurrenten bekommen wird.

Kann es passieren, dass Tesla bei diesem Rennen die Rolle des Ausreißers zufällt, der lange vorneweg fährt - um am Ende vom restlichen Feld verschluckt zu werden? Oder schafft Musk es doch, nicht einfach nur einen Trend zu setzen, sondern kann sich auch gegen die Goliaths der Branche behaupten? Die Branchenexperten sind gespalten. Diese Woche senkte Goldman Sachs den Daumen über der Tesla-Aktie und riet Anlegern, das Papier zu verkaufen. Der Absatz im ersten Halbjahr, bei dem die untere Grenze der selbstgesetzten Spanne von 47.000 bis 50.000 knapp erreicht wurde, lasse vermuten, dass das Interesse an den bisherigen teuren Wagen Model S und Model X abflaue. Die Aktie verlor am Mittwoch (5. Juli 2017) gut sieben Prozent und weitere sechs Prozent am Donnerstag. Damit fiel der Börsenwert von Tesla wieder hinter den von General Motors zurück.

Model 3 wird nicht profitabel

Analyst Max Warburton von der Investmentfirma Sanford Bernstein hält den Kursrutsch für angemessen. Er glaubt nicht an Musks Versprechen: „Das Model 3 wird nicht profitabel sein und der Markt anfangen zu realisieren, dass Tesla nicht in der Lage ist, das erhoffte Wachstum zu liefern“. Die Firma habe mit vielen neuen Rivalen zu kämpfen und keinen klaren technologischen Vorsprung aufbauen können, weder bei Batterien, die sie bislang Zellen von Panasonic beziehe, noch bei selbstfahrenden Autos, wo Teslas Fähigkeiten überschätzt würden.

Andere Finanzprofis sind hingegen zuversichtlich. Die Berenberg Bank etwa hob ihr Kursziel für die Tesla-Aktie jüngst an. Analyst Alexander Haissl hält die Elektroauto-Bemühungen der etablierten Branchengrößen für halbherzig und sieht keine ernsthafte Konkurrenz für Tesla. Er geht davon aus, dass die Firma aus dem Silicon Valley in den kommenden fünf Jahren knapp 33 Milliarden Dollar investieren wird. Das sind rund 40 Prozent mehr als Daimler und Volkswagen zusammen für Elektroantriebs-Projekte in die Hand nehmen wollten.

Wettbewerbsvorteil für Tesla

Accenture-Experte Schmidt sieht einen wichtigen Wettbewerbsvorteil für Tesla: Die eigene Batteriefertigung. „Zwar sinken die Batteriepreise derzeit, doch könnte sich das Angebot wegen steigender Nachfrage durch Massenproduktion von E-Autos in den kommenden Jahren stark verknappen. Tesla wäre dann mit seiner eigenen Batterieproduktion unabhängiger von nachfragebedingten Schwankungen bei Verfügbarkeit und Preis.“

Für die Autoindustrie sind das keine einfachen Zeiten, weil grundlegende Entscheidungen darüber gefällt werden müssen, in welche Richtung entwickelt werden muss. Ein Fehltritt kann fatale Folgen haben, denn Entwicklungsprozesse lassen sich nicht innerhalb kurzer Zeit verändern. Doch wie immer birgt jeder Umbruch auch Chancen. Zumal kaum anzunehmen ist, dass Tesla einen möglichen Massenansturm auf batterieelektrischen Autos allein befriedigt.

(Andrej Sokolow und Hannes Breustedt, dpa)