Test: Hyundai Ioniq electric

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Ein Rekord, nicht weniger: Bei Tempo 130 – gemessen per GPS, denn der Tacho zeigt dabei 135 km/h an – verbraucht der Hyundai Ioniq electric 18,7 kWh Strom. Erhoben auf der Autobahn A1 von Hamburg nach Bremen, jeweils drei Auffahrten hin und wieder zurück, um topografische Unterschiede auszugleichen. Zwar waren die Bedingungen optimal. Windstille, 15 Grad Lufttemperatur, trockene Fahrbahn. Und trotzdem steht diese Stichprobe repräsentativ für die Effizienz des Hyundais: Kein Batterie-elektrisches Auto ist so sparsam.

Es ist die Summe der Maßnahmen, die zu diesem Ergebnis führt. Die Aerodynamik des 5-Sitzers ist exzellent; der Luftwiderstandsbeiwert liegt bei cW 0,24. Leider sind keine Zahlen zur Stirnfläche verfügbar. Die geringe Höhe von 1,45 Meter (wie bei einem Tesla Model S) fällt dennoch auf und dürfte einen positiven Beitrag leisten. Auch das Gewicht stimmt: Hyundai gibt einen EU-Wert, also inklusive Normfahrer (68 kg) und Standardgepäck (7 kg), von 1495 bis 1550 kg an. Zum Vergleich: Ein Volkswagen e-Golf wiegt mindestens 1615 kg.

Kompromisse bei den Reifen

Die Reifen sind keineswegs schmal und haben mit 205/55 R16 eine übliche Dimension. Sie sind allerdings straff aufgepumpt; die Anzeige schwankte zwischen 2,6 (kalt) und 2,8 (warm) bar. Es sind rollwiderstandsarme Pneus, und hier gibt es die ersten Abstriche oder genauer: Einen Preis für die Sparsamkeit. Bei starkem Leistungseinsatz, zum Beispiel im Sport-Modus, ist die Traktionsgrenze schnell erreicht, und der Abrollkomfort bei niedrigen Geschwindigkeiten und kleinen Unebenheiten könnte besser sein.

Widerstandsloses Gleiten

Mir persönlich ist die über Lenkradwippen verstellbare Rekuperation eine Freude. Der Favorit ist Stellung Null, das scheinbar widerstandslose Gleiten. Zack, auf die gewollte Geschwindigkeit beschleunigen und dann rollen, rollen, rollen. Es ist beeindruckend, wie das funktioniert. In ähnlicher Qualität beherrschen das übrigens die Volkswagen e-Up und e-Golf. Klar ist: Über das Pedal bremse ich ohnehin zuerst über den E-Motor, erst bei starkem Druck arbeitet die Scheibe; die Rekuperation funktioniert also auch ohne Voreinstellung.

Ich möchte Sie zu einem Gedankenspiel einladen: Stellen Sie sich vor, das wäre kein Hyundai, sondern ein Tesla. Von den Eigenschaften her, nicht vom Design oder vom Appeal. Ich wage die These, dass der Ioniq so etwas wie das Model 3 des Durchschnittsbürgers ist oder werden kann.

Eine wichtige Rolle spielt dabei der Preis. Ab 33.300 Euro geht es los („Trend“); nach Abzug der E-Prämie von 4000 Euro bleiben 29.300 Euro. Ich empfehle mindestens die mittlere Ausstattungsvariante „Style“ für 35.500 Euro. Für den Mehrpreis von 2200 Euro gibt es unter anderem die Wärmepumpe, die Hyundai Wärmetauscher nennt und ein Element der Gesamteffizienz ist. Dazu kommen LED-Abblendlicht, ein beheizbares Lenkrad, der Regensensor und anderes. Das Wesentliche ist bei allen Ioniq electric serienmäßig. Die Klimaautomatik etwa oder ein schnell rechnendes Radio-Navigationssystem.

Die Version electric setzt sich außerdem bei der adaptiven Geschwindigkeitsregelung von der Hybridvariante ab: Der electric verzögert bis zum Stillstand und – das ist nur bei wenigen Autos der Fall – fährt innerhalb einer etwa drei Sekunden langen Karenzfrist wieder an. Das ist im Stop-and-go-Verkehr ein spürbarer Komfortvorteil.

DC bis 100 kW, AC etwas müde

Und das Aufladen der 28 kWh fassenden Batterie? Funktioniert wunderbar, zumindest über die CCS-Gleichstrombuchse. Es ist weiterhin erstaunlich, dass außer Hyundai und Tesla kein Hersteller jedes Batterie-elektrisches Auto damit ausrüstet. Egal ob BMW i3, Volkswagen e-Golf, Nissan Leaf oder Kia Soul EV, immer gibt es eine abgespeckte Basisversion, die ohne dieses Feature auskommen muss. Zukünftige Gebrauchtwagenkäufer werden darauf achten.

Die schnelle Gleichstromladung ist für die längere Strecke unverzichtbar. Die DC-Säulen bieten im Regelfall 50 kW Leistung an. Eine Ladekurve zeigt: Der Hyundai Ioniq electric zieht tatsächlich knapp 50 kW, erst über einem SOC (state of charge) von über 80 Prozent geht die Leistung zurück. Zuerst kontinuierlich auf ein Plateau bei rund 23 kW und zum Ende immer mehr. Schluss machte der Test-Hyundai bei einem SOC von 93 Prozent, dann bricht die Software ab.

Hyundai nennt eine maximale Ladeleistung von 100 kW, was in Norddeutschland aber ein theoretischer Wert ist, weil das noch keine DC-Säule hergibt. Es wird dauern, bis eine signifikante Zahl von DC-Standorten aufgebaut ist, die das anbieten.

Rund 200 Kilometer Reichweite

Zur Reichweite: Der Gesamtverbrauch spiegelt das Fahrprofil und lag bei 13,3 kWh (Werksangabe: 11,5 kWh) auf 100 Kilometer. Gäbe es mehr DC-Charger, hätte ich die Autobahnen mehr genutzt und einen höheren Verbrauch. Es kommt wie immer bei Batterie-elektrischen Fahrzeugen auf die Höhe der Geschwindigkeit an, und dennoch ist dieser Wert einfach top.

Die Batteriekapazität von 28 kWh würde rechnerisch 211 Kilometer erlauben. Der Prognosen des Bordcomputers sind eher pessimistisch und lagen selten über 200 km. Und Hyundai selbst gibt als „maximale Reichweite“ 280 km an, was schon im Bordbuch mit „im Durchschnitt circa 191 km“ realitätsnäher klingt. Über den Daumen gepeilt also rund 200 Kilometer, und natürlich wird der Wert bei schneller Fahrt (Spitze: 165 km/h) und widrigen Bedingungen deutlich sinken.

Ich möchte zu den Nachteilen und Schwächen des Hyundai Ioniq electric kommen. Mir fiel die Wechselstrom-Ladeleistung von 6,6 kW (einphasig) auf. Für die heimische Nachtladung – hier reduziert sich die Leistung wegen der 20-Ampere-Grenze nochmals auf gut vier kW – ist das kein Problem. Wenn man mangels DC-Säule auf AC angewiesen ist, wird die Pause zur Geduldsprobe. Die Frage, wie schnell ein Batterie-elektrisches Auto Wechselstrom laden können sollte, ist vielfach diskutiert worden und muss letztlich vom Käufer individuell entschieden werden.

Grundsatzfrage: Warten oder kaufen?

In den Foren wird ebenfalls munter debattiert, ob der Ioniq electric jetzt schon gekauft werden kann oder auf ein erwartetes technisches Facelift mit auf rund 40 kWh vergrößerten Batterie gewartet werden sollte. Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem. Was ist im Jetzt, und was kommt in naher Zukunft? Stand heute empfehle ich jedem Neugierigen, sich den Hyundai Ioniq electric anzusehen. Er steht beim Händler. Noch nicht im Verkaufsraum sind der Volkswagen e-Golf mit 36 kWh sowie der Opel Ampera-e, der Nissan Leaf 2 oder das Tesla Model 3 mit je rund 60 kWh. Die Entscheidung abwarten oder kaufen sollte vor allem vom Einsatzzweck abhängig gemacht werden und natürlich vom Geldbeutel – wie sich der Wertverlust der aktuellen E-Generation entwickeln wird, ist nicht verlässlich vorhersehbar.

Als ich 2016 bei der Europapremiere des Ioniq in Amsterdam war, erwartete der Vertrieb einen Anteil von 25 Prozent für die Batterie-elektrische Version. Inzwischen sind es 45 reale Prozent. Die Qualität des Autos spricht sich herum. Gleichzeitig halte ich den Hybrid-Ioniq für weniger gelungen als den Toyota Prius; es spricht alles für den reinen Stromer.

Was ist noch wichtig? Die Garantie zum Beispiel. Hyundai gibt fünf Jahre ohne Kilometerbegrenzung aufs Auto selbst sowie acht Jahre oder maximal 200.000 Kilometer auf die Batterie. Das ist für Privatkunden ein ebenso relevanter Aspekt wie die Alltagstauglichkeit der Karosserie.

Hier merkt man, dass der Hyundai-Kia-Konzern inzwischen viel Erfahrung hat. Der Ioniq passt einfach, die Ergonomie stimmt, und die Bedienung gibt keine Rätsel auf. Das Platzangebot ist vorne und hinten großzügig. Nur der Kofferraum lässt Wünsche offen. Allerdings ist er über die Heckklappe leicht zugänglich, ein Feature, dass die Käufer des Tesla Model 3 auch gegen Aufpreis nicht bekommen werden.

Kritikpunkte

Die AC-Ladeleistung könnte für manche Zwecke höher sein und der Kofferraum größer. Dass ich das künstliche Fahrgeräusch nicht dauerhaft ausschalten kann, stört mich. Den Tempomat dagegen muss ich nach jedem Start neu aktivieren. Die Drive-Modi können zwar angepasst werden, aber nicht so, dass die Null-Rekuperation im Standard-Modus voreingestellt ist. Und der Blick in den Rückspiegel zeigt ähnlich wenig wie bei einem Toyota Prius.

Wer sich ein Batterie-elektrisches Auto kaufen will, sollte den Hyundai Ioniq unbedingt ausprobieren. In diesem kleinen Marktsegment macht er vieles besser als die Konkurrenz, und beim Preisvergleich schneidet der Hyundai ebenfalls sehr gut ab. Überzeugen Sie sich selbst, steigen Sie ein, rechnen Sie nach. Und beinahe hätte ich ein wichtiges Detail vergessen. Fahrspaß macht der Hyundai Ioniq electric nämlich auch.

Hyundai hat den Testwagen kostenlos zu Verfügung gestellt und die Überführung getragen. Der Autor hat den Strom bezahlt.