Eine neue Ladetechnik verspricht große Vorteile und neue Impulse

Schnellademeister

Hohe Kosten, kurze Reichweiten, lange Ladezeiten: Das Elektroauto fährt zäh an. Da klingt es ja erstmal wie ein Durchbruch, dass die Aufladung des Volvo C30 electric nurmehr 1,5 Stunden dauern soll. Trotz dieser gelinden Übertreibung verspricht die neue Ladetechnik große Vorteile und neue Impulse

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 29 Kommentare lesen
Der C30 electric integriert in zweiter Generation ein Schnelladegerät. Fahrfertig leer gibt Volvo sein Gewicht übrigens mit 1725 Kilo an. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Volvo mit 125 km/h an, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h mit 10,7 Sekunden. 10 Bilder
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Köln, 30. April 2013 – Das klingt ja mal nach Fortschritt: Im Sommer 2011 sollte eine Aufladung des C30 electric laut Volvo noch ganze acht Stunden dauern. Heute soll einmal Aufladen in nurmehr 1,5 Stunden erledigt sein. Sagt Volvo.

Doch muss man präzisieren, was Volvo unter einer "vollständigen Aufladung in nur 1,5 Stunden" versteht, wie es wortwörtlich in der Pressemitteilung steht. Nur in einem extra Datenblatt auf Englisch kann man dann im gut versteckten Kleingedruckten lesen, dass damit eine Ladung von 30 auf 90 Prozent der Batteriekapazität gemeint ist. Das mag vielleicht realitätsnah sein, verschweigt uns aber die Ladedauer von 0 auf 100 Prozent. Die liegt mit 3,5 Stunden mehr als doppelt so hoch.

Das ist zwar deutlich langsamer als die 1,5 Stunden, eine derart hohe Ladegeschwindigkeit kannten dennoch bisher nur Elektrofahrzeugbesitzer, die eine sogenannte Wallbox des Herstellers in der Garage oder zufällig Zugriff auf eine passende Schnellladestation hatten. Gerade längere Reisen, die ohne kürzere Ladestopps fast illusorisch sind, sind dadurch deutlich erschwert, verlangen mindestens eine akribische Planung und jedenfalls gute Nerven.

Neuer Impuls für den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur

Volvo setzt nun auf ein Schnellladegerät, das ins Auto integriert ist. Der Volvo C30 Electric wird mit Onboard-Ladegeräten der Brusa Elektronik AG aus dem schweizerischen Sennwald ausgestattet. Damit wird der C30 unabhängig von öffentlichen Ladesäulen, die mit Schnellladetechnik sehr teuer und daher entsprechend rar sind. Renault und smart machen das bereits, und wenn sich mehr Hersteller von E-Autos entschließen würden, auf die On-Board-Ladetechnik umzuschwenken, könnte das einen neuen Impuls für den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur bedeuten. Brusa schreibt: "Das Schnellladegerät benötigt selbst keine kostspielige externe Infrastruktur, sondern kann praktisch an allen Dreiphasenanschlüssen verwendet werden. Heutige Hausanschlüsse und auch die meisten öffentlichen Ladesäulen verfügen bereits über den notwendigen Anschlussvoraussetzungen von 400 Volt und 32 Ampere. Natürlich kann das 22 kW-Ladegerät auch an Anschlüssen mit geringerer Leistung (z.B. 3,7 kW) genutzt werden."

Dreiphasig schneller on-board laden

Dass es sechsmal schneller als bisher eingesetzte On-Board-Geräte arbeitet, liegt daran, dass das neue 22 kW starke Schnellladegerät das weltweit erste On-Board-Ladegerät ist, das eine dreiphasige Stromversorgung ermöglicht. Das sei bislang an der erforderlichen Größe gescheitert. Brusa vermeldet zudem stolz, das NLG6 folge dem Prinzip der Galvanischen Trennung, um maximale elektrische Sicherheit für Nutzer und Ladeinfrastruktur zu gewährleisten. Dank seiner verstärkten Isolierung gehöre das neue Schnellladegerät NLG6 zu den sichersten Ladegeräten auf dem Markt.

Diesen Maßnahmen sei es auch zu verdanken, dass ein sicherer Betrieb jederzeit möglich sei und zwar auch dann, wenn an Ladeeinrichtungen geladen werde, die nur über einen einfachen Fehlerstromschutz FI des Typ A verfügen. Gemäß dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) bietet das Fahrzeug eine Reichweite von 163 Kilometern, Volvo nennt aber zusätzlich eine "Operational Range" von lediglich 120 bis 150 km. Der Motor von Siemens erzielt eine Spitzenleistung von 89 kW (120 PS) sowie ein Drehmoment von 250 Nm. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Volvo mit 125 km/h an, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h mit 10,7 Sekunden. Die Lithium-Ionen-Batterie mit einem Gewicht von 330 kg hat eine Nennkapazität von 24 kWh, von denen 22,7 tatsächlich nutzbar sind.

Strom automatisch kaufen und verkaufen

Mit seiner Leistungsdichte von 1,9 kW/kg ist das Ladegerät nicht nur hoch effizent, es beherrscht auch die Kommunikation mit dem Internet über die Stromleitung (PLC und Smart Charge Communication nach ISO15118). Das wird mit Sicherheit ein Thema wegen der schwankenden Netzauslastung durch den steigenden Anteil erneuerbarer Energien. Einerseits kann dann bevorzugt geladen werden, wenn Strom im Überfluss (und dann verbilligt) vorhanden ist, andererseits wäre auch denkbar, bei Flaute (gegen Einspeisegebühr) das Netz zu entlasten, wenn das Fahrzeug nicht gebraucht wird. Zu diesem Zweck sind Steuerung von Blind- und Spitzenleistungen, sowie die Fähigkeit zu Bidirektionalität bereits implementiert.

Damit könnten Sie beispielsweise Ihrem C30 electric aus Ihrem Urlaubsort übers Internet mitteilen, er solle sich doch bitte bis zu Ihrer Rückkunft als Algo-Trader betätigen, also Strom billig kaufen und teuer wieder abgeben. Und natürlich, sobald Sie aus dem Urlaub zurück sind, voll geladen bereit stehen.

Auf dem Weg zur Technikführerschaft?

Lennart Stegland, Vice President Electric Propulsion Systems bei der Volvo Car Group sagt: "In Kombination mit der innovativen Schnell-Ladefunktion steigt die Alltagstauglichkeit des Fahrzeugs deutlich. Denn der Kunde kann so wesentlich mehr Kilometer am Tag rein elektrisch zurücklegen. Das reduziert schließlich auch die Kosten. Eine bereits zehnminütige Ladephase vergrößert die Reichweite wieder um 20 Kilometer".

Volvos Fernziel klingt nicht gerade bescheiden "Die Technikführerschaft auf dem Gebiet der Antriebselektrifizierung." Der C30 electric ist von Volvo dazu als ein weiterer Schritt gedacht, denn "die Flotte der neuen Volvo C30 Electric liefert uns die Rückmeldung zur Technik und Funktionalität, die wir für eine zukünftige Serienproduktion benötigen", wie Stegland sagt. Die verbesserte Alltagstauglichkeit soll zunächst europäischen Leasingkunden einer Testflotte aus 100 C30 electric zugute kommen.