Das Geheimnis seines Erfolges

Seite 2: Das Geheimnis seines Erfolges

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Von Hackern und Rappern

Östlich des Bostoner Fort Point Channel sind in der Congress Street elegante, restaurierte Industriegebäude aus dem 19. Jahrhundert aneinandergereiht. Hinter einer schlichten Holztür im dritten Stock von Haus Nummer 374 hacken hier üblicherweise 15 bis 20 lässig gekleidete Programmierer konzentriert auf ihren Computern herum. Wir befinden uns im Technikcenter von Blue State Digital. Gegründet von ehemaligen Mitstreitern der Dean-Kampagne, hat das Unternehmen die interaktiven Elemente für Obamas Website geliefert und ist heute für den laufenden Betrieb verantwortlich.

Jascha Franklin-Hodge, 29, begrüßt mich mit freundlichem Händedruck und einem Grinsen, das seine Zahnlücke zeigt. Er hat eine sonore Stimme und ein herzliches Lachen, sein Gesicht ist von einem dünnen Bart umrahmt. Franklin-Hodge gab sein Studium am MIT nach nur einem Jahr auf und arbeitete ein paar Jahre für verschiedene Onlinemusik-Startups, bevor er die Internet-Infrastruktur für die Dean-Kampagne aufbaute, die die damalige Rekordsumme von 27 Millionen Dollar an Onlinespenden einbrachte. "Nach dem Wahlkampf dachten wir uns, Howard Dean sollte wohl nicht gewinnen, aber was wir online gemacht haben, war zu groß, um es einfach aufzugeben", sagt Franklin-Hodge.

Die MyBO-Tools sind im Grunde nur eine aufpolierte Version der Technik, die schon bei Dean zum Einsatz kam, berichtet Zephyr Teachout, damals Deans Internet-Direktor und heute Gastprofessor an der Duke University: "Sämtliche Tools, die bei Obama verwendet werden, stammen von uns. Aber Blue State Digital hat eine Menge Arbeit hineingesteckt und aus unserer groben Sammlung ein komplettes Paket gemacht."

Blue State Digital hatte nur neun Tage für den Umbau der Website, bevor Obama am 10. Februar 2007 seine Kandidatur bekannt gab. Unter anderem ging es darum, auf hohe Zugriffszahlen vorbereitet zu sein. "Wir haben Prognosen gemacht für das Datenvolumen, Zahl der Beiträge und eingehender E-Mails, alles auf der Grundlage von Schätzungen von Leuten, die 2004 mit John Kerry und Dean gearbeitet hatten", erinnert sich Franklin-Hodge. Während Obamas Rede aber "sahen wir den Verkehr zunehmen und zunehmen". Schnell wurde klar, dass die frühen Annahmen deutlich zu niedrig lagen. Bis Juli 2008 hatten eine Million Online-Spender rund 200 Millionen Dollar für Obama gegeben, alle Quellen zusammen kamen bis Ende Juni auf 340 Millionen Dollar. MyBO allein verzeichnete laut Blue State Digital gut eine Million registrierte Nutzer und hatte bei der Organisation von 75000 lokalen Aktionen geholfen.

Um mehr Leute auf die Seite zu bekommen, wurde Obama außerdem in möglichst vielen Internet-Angeboten platziert. Sein Team stellte die Reden des Kandidaten online und verlinkte sie mit zusätzlichem Multimedia-Material von Anhängern. Ein Musikvideo des Rappers Will.i.am zu Obamas "Yes we can"-Rede wurde mehrfach auf YouTube veröffentlicht – allein die beiden beliebtesten Versionen kamen auf je zehn Millionen Abrufe. Bei Wahlkampf-Veranstaltungen forderten die Sprecher Besucher auf, per SMS ihre Kontaktinformationen zu schicken. Später bekamen die Interessierten dann regelmäßige Kurznachrichten. Außerdem gibt es Obama-Präsenzen auf Sozialnetz-Seiten wie Facebook und MySpace, und beim Microblogging-Dienst Twitter (s. TR 1/08) abonnierten 50000 Nutzer Obamas Updates. "Obamas Leute haben verstanden, dass die Anhänger die Botschaften selbst verbreiten, wenn sie auf den unterschiedlichen Plattformen zur Verfügung stehen", sagt Andrew Rasiej, Gründer der Politik-Website Personal Democracy Forum und ebenfalls ein Dean-Veteran.