Das Geheimnis seines Erfolges

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Ein vernetzter Präsident?

Ähnlich John McCain. Im Jahr 2000 war er so etwas wie der Mann des Internets – nach seinem Vorwahlsieg gegen George W. Bush in New Hampshire bekam er online schnell eine Million Dollar an Spenden zusammen. Auch im vergangenen Jahr hat er mit neuen Medien experimentiert. So ließ er Videos wie "Man in the Arena", eine Hommage an seinen Kriegsdienst, drehen; auf YouTube erfreute sich der Beitrag großer Beliebtheit. Doch bei sozialen Netzen hat McCains Website den Anschluss verpasst. Als ich mich Ende Juni beim MyBO-Äquivalent McCainSpace anmelden wollte, kamen erste Fehlermeldungen. Später hieß es, mir werde in Kürze ein neues Kennwort geschickt. Ich warte bis heute noch.

McCains Team habe anscheinend nicht verstanden, wie weit gehende Änderungen im Kommunikationsverhalten es in letzter Zeit gebe, sagt David All, ein Berater für neue Medien bei den Republikanern: "Eine ganze Generation von jungen Leuten unter 25 ist ganz von E-Mails und sogar Facebook abgekommen; die meisten kommunizieren per SMS." All ist in dieser Hinsicht voll des Lobes für Obama: "Ich bekomme seine Nachrichten, und jede davon ist genau richtig. Sie sind nie sinnlos und immer lesenswert und fordern immer zum Handeln auf. Und welche SMS-Strategie hat John McCain? Keine."

Der nächste logische Schritt für MyBO ist jetzt, die Leute im November zur Wahl zu bewegen. In allen Lagern werden öffentliche Daten genauestens analysiert: Wer ist als Wähler registriert, und wer hat bei vergangenen Wahlen seine Stimme abgegeben? Obamas Wahlkämpfer werden in der Lage sein, diese Informationen mit den MyBO-Daten abzugleichen, wo sämtliche Aktivitäten der Mitglieder erfasst sind: jede Privatparty, jede Online-Verbindung, Datum und Höhe von Spenden. Rasiej ahnt, was dann kommt: Die treuen Wähler, die bei MyBO angemeldet sind, aber sonst kaum in Erscheinung treten, werden vermutlich in Ruhe gelassen. Die Aktivsten aber werden eingespannt, um gezielt die Unentschlossenen zur Urne zu treiben. "Je mehr Kontext die Leute vor Ort haben, desto besser werden die Ergebnisse", sagt Rasiej.

Wenn Obama die Wahl gewinnt, könnte seine auf das Web ausgerichtete Strategie auch seine Präsidentschaft prägen. So könnte er zum Beispiel seine Anhänger dazu anhalten, die Kongressabgeordneten mit Anrufen und E-Mails zu bombardieren oder über das Web kollektiv politische Fragen zu klären. "Mit Sicherheit werden die Verbindungen zwischen Barack Obama und seinen Anhängern und der Anhänger untereinander nicht am Wahltag enden", teilt dazu sein Wahlkampfteam mit, das für Interviews nicht zur Verfügung stand.

Ob nun ein Präsident Obama mit MyBO im Gepäck in den Westflügel des Weißen Hauses einzieht oder nicht: Fest steht, dass sich das Führen von Wahlkämpfen für immer verändert hat. "Wir kratzen gerade mal an der Oberfläche", sagt Trippi, "wir sind ganz aus dem Häuschen, weil sich eine Million Bürger angemeldet haben. Aber in den USA leben 300 Millionen Menschen. Soziales Networking steckt noch in den Kinderschuhen – nicht nur in politischer, sondern in jeder Hinsicht. 2012 wird es keine einzige Kampagne mehr geben, die ohne soziales Netzwerk auskommt."

Allerdings, so warnt Internet-Berater Lessig: Wenn Obama gewinnt, aber nicht wie versprochen auf der Grundlage von Offenheit und Wandel regiert, werden seine Fans bei den nächsten Wahlen vielleicht nicht mehr als Fußvolk dienen wollen. "Eine Sache haben die Obama-Leute nicht so richtig verstanden, nämlich dass die enorme Unterstützung auch daher kommt, dass Obama als jemand angesehen wird, der wirklich anders ist", sagt Lessig, "wenn er sich plötzlich benimmt wie jeder andere, wie viel bleibt von der leidenschaftlichen Unterstützung dann noch übrig?" (bsc)