E-Chassis für beliebige Aufbauten von Bollinger Motors

Mit einem elektrifizierten Fahrgestell bietet Bollinger nun eine Basis für nahezu beliebige Aufbauten, etwa für lokal umweltschonende kommunale Nutzfahrzeuge.

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Bollinger E-Chassis

Von Bollinger Motors kommt nun ein elektrifiziertes Fahrgestell für Nutzfahrzeuge bis 6,35 Tonnen.

(Bild: Bollinger Motors)

Lesezeit: 8 Min.
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Während wir noch über die Marktchancen von Bollingers technisch erstaunlichen und optisch rückwärtsgewandten Elektro-Geländewagen B1 "Sport Utility Truck" und Pick-Up-Truck B2 nachsinnen, verkündet die Firma weitere Entwicklungsschritte. Das Angebot einer Fahrgestell-Version mit Passagierkabine leitet sich folgerichtig aus dem Konzept her und ist insofern keine Überraschung.

Bollinger E-Chassis (19 Bilder)

Mit dem B2CC kann man bei Bollinger nun ein komplettes Unterteil für ein Elektro-Nutzfahrzeug kaufen.
(Bild: Bollinger Motors)

Konsequent klingt auch die Ankündigung, ein sogenanntes Rolling Chassis anzubieten, auf dem Kunden dann völlig frei planen können. Der bewusste Retro-Charme der eigenen Karosserien ist ein von Bollinger selbst gesetzter Akzent. Kein Kunde, der die neuen Fahrgestelle abnimmt, muss ihm folgen. Unterdessen wächst die Konkurrenz.

Mit seinem batterieelektrischen Chassis – Fachleute nennen so etwas auch "Skateboard" – könnte Bollinger in den gerade entstehenden Markt einsteigen und zu einem Zulieferer im Bereich der Autoindustrie werden. Bollinger nennt sein B2CC "ideale Option für Kommunen, Parkdienste, Einsatzfahrzeuge, Flughäfen, Bauwesen, Landschaftsbau, Elektriker, Installateure, Sicherheitsdienstleister, das Militär und mehr". Der Bereich von Kommunaldienstleistungen dürfte groß werden, wenn demnächst Städte und Gemeinden ihren Fuhrpark nach und nach durch lokal umweltschonende E-Fahrzeuge ersetzen.

Noch gibt es nicht viele technische Daten zu lesen, aber die Bilder zeigen klar, dass sich die Firma von ihrer spektakulären Bauweise aus Aluminium gelöst zu haben scheint. Die abgebildeten Fahrgestelle zeigen vielmehr eine geschweißte und geschraubte Stahlkonstruktion, teils unter Verwendung von Vierkantrohr und offenbar mit gezielt geschwächten Zonen, um das Crashverhalten steuern zu können. Das Ganze wirkt im Hinblick auf Material- und Fertigungskosten deutlich praxisnäher als die bisher gezeigten Fahrgestelle mit ihren zahlreichen aus dem Vollen gefrästen Elementen.

Offensichtlich verwenden diese neuen Fahrgestelle die bereits vorgestellte Technik-Hardware inklusive der Batterien. Bollinger selbst schreibt von "Konfigurationen mit Front- oder Hinterradantrieb, mit oder ohne Portal-Schaltnaben, variablem Radstand und bis zu 180-kWh-Akku für Anforderungen an eine größere Reichweite". Die Kombination der technischen Details (nichts davon neu bei Bollinger) ist ziemlich clever. So setzt die Firma auf eine Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern mit Radvorgelegen, getriebeseitigen Bremsen und hydropneumatischer Federung mit Niveauregulierung. Letztere beide Features treiben Fans der Citroën-Modelle mit Bremsen innen und Hydropneumatik zwischen 1955 und 1986 Tränen der Genugtuung in die Augen.

Mit einer Karosserie auf einem Rahmen ist Bollinger nicht allein. Während leichtere Batterieautos bei selbsttragenden Karosserien zu bleiben scheinen, macht die Bauweise schwerer Elektroautos gerade einen Rückgriff auf die Technik, die ab Mitte vergangenen Jahrhunderts auszusterben begann. Mit der selbsttragenden Karosserie wurden Pkw einfacher, leichter und billiger. Sie erlaubte, kontrolliert Energie aufnehmende Zonen zu konstruieren und damit die Verletzungsgefahr bei Unfällen verringern. Anfangs kam es bei Pkw zwar noch zu Mischformen wie etwa beim VW Käfer mit seiner "Bodengruppe", doch die selbsttragende Bauweise war nicht aufzuhalten. Nutzfahrzeuge jedoch blieben aus guten Gründen bis heute bei der Rahmenbauweise.

Wie die Bollinger-Trucks bauen auch konventionelle Geländefahrzeuge noch auf Rolling Chassis auf. Bei ihnen dient ein Leiterrahmen als Teil des Fahrwerks dazu, lästige Vibration und schädliche Kräfte von der Karosserie abzuhalten. Er schützt zudem Getriebe, Tank, Auspuff vor Aufsetzen. Das andere wichtige Argument ist die Skalierbarkeit: Gelände-Nutzfahrzeuge sind meist mit zwei, manchmal auch mit drei Längen erhältlich.

So gab es den Land Rover Defender bis 2017 als Zweitürer mit 90 Zoll, als Viertürer und mit kurzer Ladefläche mit 110 Zoll und als langen Pritschenwagen mit 130 Zoll Radstand. Auf Wunsch war die lange Variante auch ohne Ladefläche erhältlich. Damit konnte der hintere Teil etwa mit einem Abschleppkran, einem Kasten oder auch mit so exotischem Gerät wie etwa einer Brunnenbohrvorrichtung bestückt werden. Den Klassiker Jeep Wrangler (Test) gibt es bis heute in zwei Rahmenlängen sowie als Pritschenwagen und optional auch ohne Ladefläche.