E-Chassis für beliebige Aufbauten von Bollinger Motors

Seite 2: Skalierbarkeit fürs Nutzfahrzeug

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Bollinger orientiert sich an diesen über viele Jahrzehnte gewachsenen Varianten und bietet den B1 mit 171,5 Zoll Länge, den B2 mit eigener Pritsche in 207,5" sowie als Chassis Cab "in verschiedenen Längen" an. Für das "nackte" E-Chassis nennt Bollinger keine bestimmte Länge, der B1 soll als kürzerer Zweitürer folgen, sobald der Geschäftsgang es erlaubt.

In der Dimension darf man Bollingers B-Modelle und das davon abgeleitete E-Chassis allerdings bei aller Ähnlichkeit nicht mit Wrangler oder Defender vergleichen. Bollingers Trucks spielen vielmehr in der Liga der US-amerikanischen Kategorie "Class-3-Truck", also zwischen 4536 und 6350 kg Gesamtgewicht. Der Jeep-Pick-Up hat ein zulässiges Maximalgewicht von lediglich 2630 kg, der Defender 130 als HCPU ("high capacity pick-up") immerhin 3500.

Bollinger E-Chassis (19 Bilder)

Mit dem B2CC kann man bei Bollinger nun ein komplettes Unterteil für ein Elektro-Nutzfahrzeug kaufen.
(Bild: Bollinger Motors)

In größeren Elektroautos bietet sich ein Rolling Chassis an, weil die schwere Batterie ohnehin eine stabile und crashgeschützte Aufhängung benötigt. Damit ist ein Rahmen bereits vorhanden. Die Anbindung der Radaufhängungen und der Antriebsmotoren am vorderen und hinteren Ende ergeben sich gewissermaßen von selbst. So entsteht ein von der Karosserie unabhängiges Fahrgestell. Wobei nicht alle batterieelektrischen Autos so eine Basis nutzen, selbst wenn es auf vielen Bildern so aussieht. Die technische Basis von Teslas Model 3 (Test) beispielsweise wirkt auf Bildern so kompakt wie eine Skateboard-Plattform, würde aber bereits unter dem Gewicht der Batterie kollabieren. Genau besehen sind beide Fahrschemel mit den Radaufhängungen an der tragenden Karosserie befestigt und nicht nur am Batterierahmen.

Canoo, ein in Los Angeles ansässiges Startup ehemaliger Topmanager aus der deutschen Automobilindustrie (BMW, Opel) trat erst seit 2017 als Zulieferer von EV-Plattformen für die Autoindustrie an. Als einer der ersten großen Kunden hat Hyundai ein EV-Skateboard bei Canoo bestellt. Zumindest zeigt das der Pressemitteilung beigelegte Bild ein Fahrgestell. Gemeinsam soll eine Plattform auf Canoos skalierbarer Basis für kommende Hyundai- und Kia-Elektrofahrzeuge entwickelt werden. Die Hyundai Motor Group erwartet sich davon einen vereinfachten und standardisierten Entwicklungsprozess, der den Fahrzeugpreis senkt, wie das Unternehmen am 12. Februar 2020 mitteilte. Wahrscheinlich wird es aber – wie bei Tesla – später wohl keinen durchgehenden Rahmen geben. Dafür sind die Fahrzeuge von Kia/Hyundai eher zu klein.

Bollingers E-Chassis von mit seinen hohen Rahmenlängsträgern im Bereich der Batterie.

(Bild: Bollinger Motors)

Der bereits 112 Jahre alte US-Traditionshersteller General Motors (GM) hingegen hat für Nutz- und Geländefahrzeuge eine EV-Plattform entwickelt, die wie bei Bollinger als Rolling Chassis konzipiert wurde. Mit ihrem elektrischen Allradantrieb, Doppelquerlenker-Radaufhängungen vorn und hinten und einer Luftfederung ähnelt sie der von Bollinger, ohne deren spezifische Qualitäten zu erreichen. Sie soll mit einer modular aufgebauten Batterie bis zu 200 kWh Strom speichern können. Am 20. Mai sollte auf dieser Basis eine batterieelektrische Version des Geländewagens GMC Hummer präsentiert werden. Aufgrund der unvorhergesehenen Folgen der Corona-Pandemie ist der Termin nun erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben.

GM verwies bei der Vorstellung der "Ultium" getauften Plattform ausdrücklich auf das Ziel "neuer Einnahmequellen" durch die Lizenzierung der Technik und soll daher als Basis für eine möglichst breite Palette von Nutzfahrzeugen, SUVs und Crossover-Modellen geeignet sein. Einer der ersten Kunden ist Honda. Chassis und Antrieb wurden dabei laut GM zusammen entwickelt, um die Anzahl der Teile weiter zu reduzieren. So plant GM zunächst 19 verschiedene Konfigurationen von Batterie- und Antriebseinheiten. Für Autos mit Verbrennungsmotoren muss GM dagegen 550 Antriebsstrang-Kombinationen vorhalten, wie es in der Pressemitteilung heißt. Das Joint Venture mit LG Chem soll dabei die Kosten für die Batteriezellen mit niedrigem Kobaltgehalt auf unter 100 USD/kWh senken.

Bollinger, Rivian (siehe Bilderstrecke) und GM bieten ihre Elektroauto-Skateboards auch anderen Herstellern an, um über Skaleneffekte ihre Marge zu vergrößern. Bei Nutzfahrzeugen hatte so etwas schon immer eine auf Basis konventioneller Technik gut geübte Tradition. Interessant wird es bei kleineren Autos, für die bereits Tesla, Canoo oder neuerdings auch Bosch ihre Technik anbieten. In den frühen Boomjahren der Autotechnik vor rund 100 Jahren gab es schon einmal von diversen Firmen karossierte Pkw mit Fahrgestellen von den großen Herstellern. Über die Zeit haben Marktbereinigungen allerdings nur noch eine Handvoll Karosseriefirmen übrig gelassen.

(fpi)