IT-Recht: Wie der Digital Services Act ohne deutsches Begleitgesetz startet

Seite 2: Bürokratie und Verzögerungen

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Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) zeigte sich denn auch im Dezember 2023 stolz darauf, was sein Haus geleistet habe: "Bei der Bundesnetzagentur schaffen wir eine starke Plattformaufsicht, um die neuen Verpflichtungen für Online-Dienste auch in Deutschland konsequent durchzusetzen. Damit nehmen wir die Plattformbetreiber stärker in die Pflicht, rechtswidrige Inhalte zu bekämpfen." Man modernisiere den Rechtsrahmen für digitale Dienste in Deutschland und regele Buß- und Zwangsgelder für Verstöße gegen den DSA.

Diese Modernisierung lässt sich der Bund laut Begründung zum DDG-Entwurf einiges kosten. Demnach schafft er in der BNetzA dafür rund 100 neue Stellen, was jährlich mit etwa zehn Millionen Euro zu Buche schlägt. Wie viel finanzieller Mehraufwand in der Wirtschaft entsteht, mag das Ministerium im Entwurf nicht angeben, "da sich die Verpflichtungen nicht aus dem Bundesrecht, sondern unmittelbar aus europäischen Regelungen ergeben".

An anderer Stelle prognostiziert das Digitalministerium dem Bund weitere Kosten: Das DDG wird die Anbieter dazu verpflichten, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Bei bestimmten Verdachtsfällen müssen die Anbieter Inhalte nun inklusive verfügbarer Metadaten unverzüglich ans Bundeskriminalamt (BKA) weiterleiten.

Dafür soll das BKA mehr Personal erhalten. Es gilt, die neue "Digitale Eingangsstelle" zu besetzen, wofür allein 400 BKA-Mitarbeiter vorgesehen sind. Dort sollen die Meldungen auflaufen. Das BKA erwarte deshalb "einen deutlichen Anstieg jährlicher Kosten um rund 44 Millionen Euro und einmalige Kosten von rund 21 Millionen Euro".

Der Gesetzgeber rechnet laut DDG-Entwurfsbegründung mit einem Anstieg von bisher 6000 auf 720.000 Verdachtsmeldungen jährlich, die anschließend an die zuständigen Behörden weitergegeben werden – im Regelfall sind das die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften der Bundesländer.

Die hohe erwartete Zahl ist erstaunlich, denn die Meldepflicht in Art. 18 DSA betrifft nur den Verdacht einer "Straftat, die eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit einer Person oder von Personen darstellt". Die Vorschrift ist damit deutlich enger gefasst als der Katalog von Straftatverdachtsmeldungen, die bislang nach dem NetzDG an das BKA gehen mussten.

Die Verzögerungen beim DDG verursachen Stress bei den Unternehmen. Erst wenn das deutsche Gesetz in Kraft sei, gebe es Rechtsklarheit, bemängelt Oliver Süme, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft eco: Man müsse abwarten, "wie das Digitale-Dienste-Gesetz in Deutschland am Ende des parlamentarischen Verfahrens tatsächlich ausgestaltet ist und dann auch in der praktischen Anwendung inklusive der Ausgestaltung der Aufsicht gehandhabt wird". Ähnlich sieht das der IT-Verband Bitkom: "Es fehlen an einigen Stellen noch Konkretisierungen", sagt Lina Wöstmann, Bereichsleiterin Medienpolitik und Plattformen.

Das DDG stellt aber nicht nur für die Unternehmen das Fundament, sondern auch für die Aufsichtsbehörden. Federführend wird wie oben erwähnt eine unabhängige Stelle bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) sein. Sie soll die Rolle des vom DSA zwingend vorgesehenen nationalen Koordinators für Digitale Dienste (Digital Service Coordinator, DSC) übernehmen.

Die Bundesnetzagentur hatte Ende Januar noch einen Platzhalter, wo bald eine Beschwerdestelle entstehen soll.

Das bedeutet: Die BNetzA beaufsichtigt dann nicht nur Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Sie unterstützt auch bei Verfahren anderer Aufsichtsbehörden im EU-Ausland und hilft, den DSA gegenüber den größten Anbietern durchzusetzen, die die EU-Kommission beaufsichtigt. Möglich ist sogar, dass sie mit zuständigen Behörden Einsätze koordiniert, um eine Durchsuchung bei einem Anbieter vorzubereiten. Der DSA sieht derartige Amtshilfeverfahren ausdrücklich vor.

Bei alledem soll die Behördenstelle weitgehend unabhängig agieren: Weil sie auch für die Regulierung von Plattforminhalten zuständig ist, darf sie keiner Regierungsweisung unterworfen sein. Auch die wichtige Rolle als deutsches Mitglied im neuen "Gremium für Digitale Dienste" auf EU-Ebene soll die Leitung dieser BNetzA-Stelle dann wahrnehmen. Dieser DSA-Rat stellt einen wesentlichen Baustein im Regulierungsgefüge dar, etwa wenn es um die Frage von Zwangsmaßnahmen gegen die größten Betreiber geht – ohne ihn können weder Bußgeldverfahren noch Anordnungen ergehen.

Der BNetzA soll außerdem die wichtige Funktion als zentrale Meldestelle zukommen: Wenn Nutzer nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen, wenn sie einen Regelverstoß vermuten, können sie immer zur BNetzA. Doch solange das DDG nicht verabschiedet ist, darf sie all die neuen Kompetenzen noch nicht wahrnehmen, erläutert ein Sprecher der Agentur: "In Aufgabenbereichen, für die keine Zuständigkeit besteht, können Behörden keine förmlichen Entscheidungen wie etwa den Erlass von Verwaltungsakten oder eine Verhängung von Bußgeldern treffen."