Jobs in der Autoindustrie: Data Scientist MEMS-Entwicklung

Monika Heringhaus arbeitet als Data Scientist in der Entwicklung von Mikro-elektro-mechanischen Systemen im Bosch-Geschäftsbereich Automotive Electronics.

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Monika Heringhaus

(Bild: Bosch)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Die Autoindustrie und auch ihre Zulieferer befinden sich mitten in einem disruptiven Wandel. Allein schon der Wechsel vom Verbrennungs- auf den Elektromotor wird eine der Schlüsselindustrien fundamental verändern, auch und gerade in der Arbeitswelt. Zahlreiche Jobs werden entfallen, gleichzeitig neue entstehen und viele sich verändern. In einem Themenschwerpunkt wollen wir Arbeitsplätze in der Autoindustrie und ihren Zulieferern beleuchten, die es vor ein paar Jahren in dieser Form noch nicht gab, aber in den nächsten zehn Jahren an Bedeutung zunehmen werden. Firmen werden sich, noch stärker als aktuell schon, auf die Suche nach entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern machen. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt dürften exzellent sein.

Monika Heringhaus verbessert durch die strukturierte Verarbeitung von Datenbergen Boschs mikromechanische Sensoren. Jobs mit mathematisch-statistischen Aufgaben (englisch: Data Science) sind auch aus der Autoindustrie nicht mehr wegzudenken. In der Vorausentwicklung der mikromechanischen Sensoren geht es dabei vor allem darum, Daten aus Test, Simulation, Projektion und dem produktiven Einsatz beim Kunden dazu zu nutzen, diese Sensoren immer weiter zu verbessern. Data Science baut auf große Mengen an Daten und entsprechend hohe Rechenleistung zur Analyse, deshalb sind diese Stellen noch vergleichsweise jung in der schon über ein Jahrhundert alten Autoindustrie.

Was ist dein Job?

Ich arbeite im Entwicklungsbereich für Mikro-elektro-mechanische Systeme (MEMS) bei Bosch Automotive Electronics. Diese Technik nutzen wir vor allem für unsere MEMS-Sensoren. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur heutigen und zukünftigen Fahrzeugsicherheit, da sie Sicherheitsfunktionen wie den Airbag überhaupt möglich machen. In jedem modernen Auto sind mehr als 50 MEMS-Sensoren verbaut und auch im Alltag sind die MEMS-Sensoren nicht mehr wegzudenken. Sie begegnen uns beispielsweise in vielen mobilen Geräten wie Smartphones, Smart Watches oder Laptops.

Als Data Scientist in der Vorausentwicklung nutze ich die Fülle unterschiedlicher Daten, die in der Entwicklung, der Herstellung und dem Testen unserer Mikrosysteme anfallen, um komplexe Algorithmen zu entwickeln, die unsere Mikrosysteme noch präziser und robuster machen.

Arbeitsplätze in der Autoindustrie auf heise Jobs

Was sind die typischen Aufgaben darin?

Am Anfang jeder unserer datengetriebenen Fragestellungen steht der enge Austausch mit Prozess- und Systemexperten, um ein genaues Geschäfts- und Problemverständnis aufzubauen. Damit unsere Algorithmen später aussagekräftige Ergebnisse liefern, ist es für uns außerdem wichtig, zu verstehen, wie und wo die Daten aufgenommen wurden. Um die Rohdaten noch besser zu verstehen, wenden wir zunächst statistische Methoden und Datenexplorationstechniken an, mit deren Hilfe wir anschließend relevante Signale oder Parameter ausfindig machen. Auf dieser Grundlage entwickeln, implementieren und analysieren wir dann Algorithmen einschließlich Methoden des maschinellen Lernens, um Zusammenhänge, Muster und Trends in den Daten zu identifizieren. Die gewonnenen datenbasierten Erkenntnisse und Perspektiven bringen wir dann entweder ein, um die Performance und Zuverlässigkeit der Sensoren zu optimieren oder auch, um die Testzeit der Systeme zu reduzieren und Ursachenanalyse bei unerwarteten Phänomenen zu betreiben.

MEMS-Strukturen auf einem Waver

(Bild: Bosch)

Worin besteht die Besonderheit des Jobs?

Durch die Komplexität der Fertigungsabläufe und die fortschreitende Miniaturisierung der Systeme stellt die Analyse von Wirkzusammenhängen innerhalb dieser Daten eine fortlaufende Herausforderung dar. Meinen Job kennzeichnet daher sowohl die Vielfalt der Fragestellungen, die wir mit heterogenen Datenmengen beantworten als auch die ausgeprägte Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams. Dabei steht auf der einen Seite der enge Austausch mit Prozessexperten, Simulations-, Charakterisierungs- und Testingenieuren. Diese helfen uns dabei, die zugrundeliegenden Fertigungsprozesse und die relevanten Eigenschaften der Mikro-elektro-mechanischen Systeme (MEMS) zu verstehen. Auf der anderen Seite arbeiten wir Hand in Hand mit Data-Engineering-Teams zusammen, um die in der Entwicklung der Sensoren aufgenommenen Daten mithilfe unseres Datenclusters standardisiert und aufbereitet verfügbar zu machen.

Was bedeutet die Stelle im Konzern Bosch?

MEMS-Sensoren sind ein elementarer Bestandteil für die Fahrzeugsicherheit und sind auch aus der Consumer-Elektronik nicht mehr wegzudenken. Daher sind sie eines der größten Wachstumsfelder für Bosch. Die hohe Genauigkeit und Zuverlässigkeit der kompakten Sensoren mit geringem Stromverbrauch macht sie in der Inertialsensorik, also der Detektion von Beschleunigungen und Drehraten, unverzichtbar. Darüber hinaus kommen sie auch bei der Messung von Umgebungsfaktoren wie dem Druck oder der Luftqualität zu Einsatz. Mit unserer Arbeit tragen wir dazu bei, die Sensoren für unsere internen und externen Kunden noch zuverlässiger und genauer zu machen.

Wie bist du in diesen Job gekommen?

Meinen ersten Kontakt zu Bosch hatte ich im Rahmen meiner Masterarbeit über die Tochtergesellschaft Robert Bosch Healthcare Solutions GmbH, da ich Medizintechnik in einer Kooperation zwischen den beiden Universitäten Tübingen und Stuttgart studiert habe. Während dieses Studiums hat mich besonders die Frage interessiert, wie detaillierte Analysen komplexer Abläufe wie beispielsweise von EEG-Signalen, aber auch von Bewegungsmustern dabei helfen können, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern. Daher spezialisierte ich mich auf die beiden Themengebiete Sensoraufbau und Signalverarbeitung und verfasste meine Masterarbeit zum Thema intelligente Instandhaltung eines Lab-on-Chip-Systems zur Molekulardiagnostik.

Um mein Fachwissen in den Bereichen Mikrosystemtechnik und maschineller Lernalgorithmen zu erweitern, entschied ich mich daher für eine Industriepromotion bei Bosch im Bereich Automotive Electronics in Reutlingen. Dort hatte ich drei Jahre lang die Gelegenheit, mich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie modellbasierte und datengetriebene Ansätze so zu robusten und interpretierbaren Machine-Learning-Modellen kombiniert werden können, dass sich die Testzeit von MEMS-Sensoren reduzieren lässt. Außerdem ermöglichte mir das Doktorandenprogramm von Bosch, ein Netzwerk aus Doktoranden aufzubauen, das wir sowohl zum intensiven fachlichen Austausch nutzen als auch für das Teilen von Erfahrungen und die Diskussion methodischer Herangehensweisen.

Für mich war nach diesen drei Jahren die Entwicklung von Machine-Learning-Methoden in der Vorausentwicklung von Mikrosystemen noch längst nicht abgeschlossen, da wir noch so viel mehr aus unseren Daten lernen können. Deshalb arbeite ich seit dem Ende meiner Promotionszeit in dieser Abteilung als Data Scientist.

Welche Ausbildung(en) brauchen Leute, die sich für den Job interessieren?

Ein abgeschlossenes Masterstudium oder eine Promotion in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Studiengang, zum Beispiel im Bereich Data Science, Informatik, Physik oder Mathematik.

Welche Interessen sollte man haben, um den Job motiviert machen zu können?

Als Data Scientist sind eine hohe Datenaffinität und die Begeisterung daran, Muster in Daten zu erkennen und komplexe Zusammenhänge verstehen zu wollen, unerlässlich. Statistikkenntnisse und die Erfahrung im Umgang mit Methoden maschinellen Lernens sowie Erfahrung in der Anwendung von Methoden der Softwareentwicklung gehören zu den Grundvoraussetzungen für diesen Job. Außerdem ist ein grundlegendes Verständnis der physikalischen Zusammenhänge von MEMS-Sensoren wichtig, um die gewonnenen Ergebnisse auch interpretieren zu können. Darüber hinaus spielt die Fähigkeit, die Zusammenhänge und Erkenntnisse verständlich kommunizieren zu können, eine wichtige Rolle. Um lange Freude an dem Job zu haben, sollte man selbstverständlich auch die anhaltende Neugier auf das Kennenlernen neuer Methoden und Anwendungen mitbringen.

Vervollständige den Satz für Interessierte an diesem Job: "Um hier seinen Platz zu finden, brauchst du ..."

... eine ausgeprägte Begeisterung dafür, dich in komplexe Zusammenhänge hineinzudenken, die Kommunikationsstärke, diese mit interdisziplinären Teams zu erarbeiten und zu erörtern, sowie die Beharrlichkeit, Probleme von ganz unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, bis die zugrundeliegenden Zusammenhänge aufgedeckt und verstanden sind.

(cgl)