Missing Link: 60 Jahre NASA – Steiniger Weg zur zivilen Raumfahrt

Seite 2: Reichsdeutsche Grundlagen, Deutsche Forscher

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Beide Supermächte hatten zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nur Teile der deutschen A4-Raketen (später V2) ergattert, sondern zusätzlich deutsche Fachkräfte. 1944 können polnische Widerstandskämpfer Teile einer V2 bergen und den Briten zukommen lassen. Der britische Premierminister Winston Churchill bittet den sowjetischen Oberbefehlshaber Josef Stalin darum, weitere A4-Teile in Polen zu sichern und britischen Experten Zugriff zu gestatten.

Stalin entspricht. Umgekehrt geben die Briten den Sowjets einen über London abgeschossenen V1-Marschflugkörper. Die UdSSR und Frankreich bauen sowohl die V1 als auch die V2 nach. Der Grundstein für deren Raketenprogramme ist gelegt. Die USA bauen die V1 nach und nutzen mehr als hundert erbeutete V2 für Tests und wissenschaftliche Beobachtungen.

Vor der V2 baute Nazi-Deutschland die V1 (hier im Atlantic Aviation Museum in Halifax), den ersten militärisch eingesetzten Marschflugkörper. Mit dieser Waffe wurden mehr als 20.000 Zivilisten getötet.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wirbt die Sowjetunion über tausend deutsche Experten an, mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Im Jahr darauf werden in einer einzigen Nacht etwa 20.000 Deutsche aus der sowjetischen Besatzungszone in die Sowjetunion verschleppt ("Operation Ossoawiachim"), darunter tausende Experten für Luft- und Raumfahrt.

Weniger rabiat aber durchaus gezielt holen sich die US-Streitkräfte in der Nachkriegszeit 1.600 Ingenieure aus dem ehemaligen Deutschen Reich. Prominentestes Beispiel ist der Raketeningenieur SS-Sturmbannführer Wernher von Braun, der im Mai 1945 in Österreich gefasst wird. Später wird er mit 130 Kollegen zur US-Armee nach Alabama überstellt, wo sie die Raketenentwicklung der Army vorantreiben. Und als die NASA ihren Betrieb aufnimmt, befiehlt Eisenhower von Brauns Versetzung dorthin.

Neben der Armee arbeiten auch die 1947 gegründete Air Force sowie die Kriegsmarine beziehungsweise deren Naval Research Laboratory an eigenen Raketen. Die USA leisten sich also mindestens drei parallele militärische Raketenentwicklungsprogramme. Dabei geht es um Mittelstreckenraketen, Interkontinentalraketen und die Eroberung des Weltalls. Außerdem entwickelt die CIA ihren ersten Spionagesatelliten ("Corona"), wenngleich mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten.

Der Raketenhain im JFK Space Center am Kap Canaveral in Florida

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Während in Korea kommunistische gegen UNO-Truppen kämpfen, beschließt 1952 der Internationale Wissenschaftsrat (ICSU, seit kurzem ISC) ein Internationales Geophysikalisches Jahr (IGJ) abzuhalten. Dieses "Jahr" dauert eigentlich eineinhalb, vom 1. Juli 1957 bis Ende 1958; der Zeitraum soll für intensive Forschung auf allen Gebieten der Geophysik genutzt werden, darunter Erkundungen über die Sonne, Geomagnetismus, die Ionosphäre und kosmische Strahlung – 67 Staaten beteiligen sich.

Heute vor 63 Jahren, am 29. Juli 1955, kündigen die USA an, im Rahmen des IGJ einen kleinen Satelliten starten zu wollen. Den Auftrag bekommt die Navy mit ihrem Projekt Vanguard. Wenige Tage darauf kündigt auch die Sowjetunion einen Satelliten an, für die "nahe Zukunft". Das Rennen ist eröffnet...

… und die Sowjets gewinnen es. Am 4. Oktober 1957 bringen sie den ersten Satelliten, Sputnik I, in eine niedere Umlaufbahn. Obwohl er nichts anderes tut als "piep piep piep"-Signale zu funken, die Temperatur und Druck verraten, ist das Aufsehen enorm.

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Während die Sowjets ihre wissenschaftlichen Kräfte gut gebündelt haben, hat der Wettbewerb zwischen den verschiedenen US-Raketenprogrammen zu Reibungsverlusten und Parallelarbeiten geführt. Beispielsweise hatte von Braun nicht weniger als ein Dutzend Raketentypen für die US Army entwickelt, darunter die Redstone. Von Brauns "Project Orbiter", das mit einer Redstone-Rakete einen Satelliten in eine Umlaufbahn bringen sollte, wird 1955 vom Verteidigungsministerium abgebrochen.

Um den geplanten Satelliten beobachten zu können, errichtet das beauftragte Naval Research Laboratory dagegen zunächst elf über den Globus verstreute Bodenstationen, das Minitrack-Netz. Ironie der Geschichte: Minitrack geht drei Tage vor Sputnik I in Betrieb. Die USA können den sowjetischen Trabanten also ganz genau verfolgen.

Die Air Force feiert im Juni 1957 den Erstflug ihrer ATLAS-A-Rakete. Unmittelbar nach Sputnik I intensiviert die Air Force ihr Entwicklungsprogramm für eine zweite Generation von Interkontinentalraketen, die dann auch ins All und sogar zum Mond fliegen können sollen.