Missing Link: 60 Jahre NASA – Steiniger Weg zur zivilen Raumfahrt

Seite 4: Warum die NASA eine zivile Einrichtung ist

Inhaltsverzeichnis

Der ersehnte Satellitenstart gelingt den USA in der Nacht auf den 1. Februar 1958: Wernher von Braun hatte seine reichsdeutsche V2 für die US Army weiterentwickelt, unter anderem zur Juno-I-Rakete. Diese bringt den Satelliten Explorer I in eine Umlaufbahn, wo er erstaunliche hohe Strahlungswerte rund um den Globus findet. Der Van-Allen-Gürtel ist entdeckt.

Mit dem Wunsch nach Einrichtung einer zivilen Raumfahrtorganisation wendet sich Eisenhower im April an das US-Parlament. Obwohl auch der Name NASI (...Institute) im Weißen Haus im Gespräch gewesen war, setzt sich die Bezeichnung NASA durch. Die ARPA war, was die Raumfahrt anbelangt, nur ein Zwischenschritt.

"Entdeckung und Forschung sollen wissenschaftlich sein", meint Eisenhower, wissenschaftliche Erkenntnisse sollen aber sehr wohl dem Militär dienen. Außerdem ist der Republikaner überzeugt, dass das Teilen von Forschungsergebnissen mit Wissenschaftlern in anderen Ländern vorteilhaft ist. Das geht mit einer zivilen Forschungsagentur besser, als mit einer militärischen.

Neben ideologischen Gesichtspunkten hat die "Zivilisierung" der Raumfahrtforschung noch ganz handfeste Gründe: NASA-Raketenflüge haben weniger Probleme mit Überflügen fremden, insbesondere sowjetischen Territoriums, als militärische Flüge. Und Eisenhowers Regierung hatte gerade die Militärbudgets deutlich reduziert. Da wäre es schwer argumentierbar, sie wieder aufzublähen, um Raketen ins All schießen zu können. Für eine zivile Einrichtung kann aber durchaus Geld locker gemacht werden, während die Forschungsergebnisse dennoch den Militärs zugutekommen.

Zudem hat die NASA keine anderen Aufgaben. Sie unterliegt also nicht der Versuchung, das Geld statt für Luft- und Raumfahrtforschung beispielsweise für neue Panzer oder Bomben umzuwidmen. Schließlich sind die Streitkräfte für ihre Bürokratie und langen Befehlsketten berüchtigt. Bei der neu eingerichteten NASA soll alles flotter gehen.

Ihre Ehre kann die Navy im März 1958 doch noch retten, als sie eine Vanguard-Rakete mit dem ersten solarzellenbestückten Satelliten in eine Umlaufbahn hievt. Vanguard I funkt bis 1964 und umkreist heute noch die Erde in einem Mittleren Orbit (MEO). Er ist das älteste von Menschen geschaffene Objekt im Weltraum. Statt der ursprünglich erwarteten Reisedauer von 2.000 Jahren wird inzwischen erwartet, dass das Gerät um das Jahr 2200 in der Erdatmosphäre verglühen wird (heise online wird berichten).

Mitte Juli wird das NASA-Gesetz (National Aeronautics and Space Act of 1958) verabschiedet, so dass Eisenhower am 29. Juli seinen Namenszug darunter setzen kann. Damit steht fest: Die NACA wird zum 1. Oktober in die neue NASA übergeleitet. Der US-Präsident, selbst kriegserfahrener General, lobt ausdrücklich die "etablierte Geschichte der Zusammenarbeit (der NACA) mit den Streitkräften".

Tatsächlich werden ARPA und NASA von Beginn an eng zusammenarbeiten. Schon in der Woche nach Betriebsaufnahme der NASA beschließen sie gemeinsam nicht nur die Ziele, sondern auch die grundlegende Konfiguration eines "bemannten Satelliten": Project Mercury.

Das NASA-Gesetz definiert die Aufgaben der NASA wie folgt:

  • Erweiterung menschlichen Wissens über Phänomene in der Atmosphäre und im Weltraum
  • Verbesserung der Nützlichkeit, Leistung, Geschwindigkeit, Sicherheit und Effizienz von Luft- und Raumfahrzeugen
  • Entwicklung und Betrieb von Fahrzeugen, die Instrumente, Ausrüstung, Versorgung und lebende Organismen durch den Weltraum befördern können
  • Erstellung von Langzeitstudien über die potenziellen Vorteile, Möglichkeiten und Probleme, die mit Luft- und Raumfahrtaktivitäten für friedliche und wissenschaftliche Zwecke zusammenhängen
  • "Erhaltung der führenden Rolle der Vereinigten Staaten" in Luft- und Raumfahrtwissenschaften und -technik, und in deren Anwendung für wissenschaftliche Zwecke in und außerhalb der Atmosphäre
  • Bereitstellung von Erkenntnissen (für die Streitkräfte)
  • Zusammenarbeit der USA mit anderen Nationen (…) zur friedlichen Nutzung der Resultate
  • Effizienteste Nutzung der wissenschaftlichen und (technischen) Ressourcen der USA, in enger Zusammenarbeit mit allen interessierten Behörden, um unnötige Doppelung von Anstrengungen, Einrichtungen und Ausrüstung zu vermeiden.
  • 2012 hinzugefügt: Forschung und Entwicklung für Produktionsverfahren für die Luft- und Raumfahrt, "um die Vorreiterrolle der Vereinigten Staaten zu bewahren"

Der erste große Erfolg der NASA ist der Suborbitalflug des Astronauten Alan Shepard, Jr., im Mai 1961 (Project Mercury mit einer Redstone-Rakete). Doch auch hier mussten die Amerikaner den Sowjets den Vortritt lassen: Jurij Gagarin war bereits im Vormonat als erster Mensch im Weltraum. Gagarin glückte sogar eine ganze Erdumrundung. Das schaffen die Amerikaner erst im Februar 1962, wobei eine Atlas-D-Rakete der Air Force zum Einsatz kommt.

Selbst die ersten Gegenstände auf dem Mond darf sich das flächenmäßig größte Land der Erde auf die Fahnen heften. Erst bei der ersten bemannten Mondladung im Jahr 1969 haben die Amerikaner die Nase vorn. Aber das ist eine andere Geschichte.

Korrektur: Die V1 war keine Rakete sondern ein Marschflugkörper mit Pulsstrahltriebwerk. (ds)