Neuvorstellung: Harley-Davidson Sportster S​

Nach der revolutionären Reiseenduro Pan America zeigt Harley seine neue Sportster. Mit der alten hat sie nichts mehr gemein, ihr Name passt aber besser denn je.

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Mit der Sportster-Baureihe hat Harley-Davidsons neues Naked Bike nur noch den Namen gemeinsam. Die luftgekühlten Eisenhaufen sind Geschichte.

(Bild: Harley-Davidson)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Als Harley-Davidson seine Sportster-Reihe letztes Jahr eingestellt hatte, reagierten viele Fans entsetzt, schließlich erfreuten sich Modelle wie die Forty-Eight und Iron 883 großer Beliebtheit. Doch die alten, luftgekühlten Motoren auf Euro-5-Norm zu bringen, hätte zu keiner befriedigenden Lösung geführt.

Stattdessen rollt nun eine völlig neue Sportster S zu den Händlern. Sie wirkt flach und bullig, unterstrichen wird der Auftritt von einem hochgelegten Doppelrohrauspuff mit armdicken Endschalldämpfern im Flat-Track-Stil. Die Sportster S soll sich gegen die amerikanische Konkurrentin Indian FTR 1200 positionieren. Der Lenker geriet recht breit und der LED-Scheinwerfer dafür eher klein. Beim Anblick des Hecks reibt sich der Harley-Kenner verwundert die Augen: Es ist so knapp geschnitten wie bei einem Superbike. Selten hat man ein Serienmotorrad mit mehr Abstand zwischen dem Ende des Hecks und dem Rücklicht am Kennzeichenträger gesehen. Der Hinterreifen rollt hier quasi frei.

Harley-Davidson Sportster S I (7 Bilder)

Die Harley-Davidson Sportster S hat nichts mehr mit der letztes Jahr eingestellten Sportster-Modellreihe zu tun. Aus ihr wurde ein komplett neues Naked Bike mit kräftigem Motor.

Die Sportster S erhielt den Revolution-Max-1250T-Motor, wie er in der Pan America vorgestellt wurde, wenn auch mit etwas weniger Leistung. Der wassergekühlte 1252-Kubikzentimeter-V2 mit 60 Grad Zylinderwinkel und je zwei obenliegenden Nockenwellen mit variabler Ventilsteuerung beeindruckte in der Reiseenduro mit 152 PS und 128 Nm Drehmoment. Doch in der Sportster S wurden unter anderem die Ventile verkleinert, das Nockenwellenprofil und die Airbox geändert. Somit reduzierte sich die Leistung auf 122 PS und 125 Nm, aber zwischen 3000 und 6000/min soll nun mehr Drehmoment bereitstehen.

Der rote Bereich beginnt jetzt schon tausend Touren früher, bei 8000/min. Den Grund für die geänderte Motorauslegung kommuniziert Harley-Davidson nicht, dabei hätte die gleiche Leistung in einem Modell namens Sportster S durchaus Sinn ergeben. Dennoch ist es ein gewaltiger Sprung, die letzte Sportster 1200 Custom mit 1202 Kubikzentimeter Hubraum brachte es gerademal auf 68 PS und 96 Nm.

Die Sportster S bekam ein völlig neues Fahrwerk, sonst hätte sie die gesteigerte Power auch gar nicht verkraftet. Der Motor ist als tragendes Element im Rahmen ohne Unterzüge integriert, die geschweißte Stahlrohrschwinge mit einem Ober- und einem Unterzug versteift das Chassis zusätzlich. Die Maßnahmen haben sich positiv im Gewicht niedergeschlagen, Harley-Davidson gibt 228 Kilogramm bei vollem 12-Liter-Tank an. Auch die nächste Meldung ist eine kleine Sensation: Die Federelemente sind vollständig einstellbar. Vorne arbeitet eine Showa-Upside-down-Gabel mit 43 Millimeter Durchmesser und hinten ein Zentral-Federbein desselben japanischen Herstellers. Die Federvorspannung im Heck lässt sich per Drehregler einstellen.

Warum vorne ein breiter Reifen der Dimension 160/70-17 aufgezogen wurde, der dem Motorrad ein schwerfälliges Handling verleiht, bleibt das Geheimnis des Herstellers. So ein fetter Reifen passt zum Stil eines Bobbers, aber nicht zu einem kräftigen Naked Bike. Die vordere Bremse besteht aus einer radial verschraubten Vierkolben-Monoblock-Bremszange von Brembo und einer 320-Millimeter-Bremsscheibe, leider verzichtet Harley-Davidson auf eine zweite Bremse vorne. Hinten zeigt sich die Reifendimension mit 180/70-16 eher gemäßigt. Allerdings bleibt Harley-Davidson in der Fahrwerksgeometrie seinen Traditionen treu: 1520 Millimeter Radstand, ein flacher Lenkkopfwinkel von 60 Grad und 148 Millimeter Nachlauf lassen auf wenig Agilität hoffen. Seine Füße kann der Harley-Fahrer zwar wie gewohnt vorn parken, aber optional lassen sich die Fußrasten auch mittig positionieren für eine sportlichere Sitzposition.

Ein Blick ins Cockpit von der 775 Millimeter niedrigen Sitzbank wird den Harley-Fan endgültig erschüttern: ein TFT-Display! Das elektronische Zeitalter hat auch in Milwaukee Einzug gehalten. Das runde Display hat vier Zoll (109 Millimeter) Durchmesser, in der Mitte ist die Geschwindigkeit groß zu sehen, alle anderen Anzeigen sind ziemlich klein geraten, aber solche Infos interessieren den Harley-Fahrer ohnehin selten. Vielleicht schon eher, dass er sein Smartphone über Bluetooth mit dem Motorrad koppeln und per App Musik hören und Telefonate im Helm-Headset annehmen kann, außerdem lässt sich im Display Google Maps zum Navigieren anzeigen.

Harley-Davidson Sportster S II (8 Bilder)

Die Sportster S kommt auf ein für Harley-Davidson sensationell niedriges Gewicht von 228 Kilogramm bei vollem 12-Liter-Tank.

Doch es kommt noch besser: Die Sportster S verfügt über drei vorprogrammierte Fahrmodi (Rain, Road und Sport) und zwei frei konfigurierbare. Dazu spendierte Harley-Davidson noch Kurven-ABS und schräglagenabhängige Schlupfregelung – bei 122 PS nicht ganz unwichtig.

Die Harley-Davidson Sportster S gibt es ab 15.495 Euro in "Vivid Black". Die Farboptionen "Stone Washed White Pearl" und "Midnight Crimson" kosten je 270 Euro Aufpreis. Das sind ambitionierte Preisvorstellungen, aber der Schriftzug "Harley-Davidson" öffnet so manchen Geldbeutel. Immerhin bleibt die Marke damit 500 Euro unter dem Basis-Preis der Konkurrentin Indian FTR 1200. Gegen Aufpreis hält Harley-Davidson im Zubehör unter anderem ein Heck mit längerer Sitzbank, Rückenlehne und Soziusfußrasten bereit.

Harley-Davidson macht Ernst mit seiner Ankündigung, eine breiter gefächerte Modellpalette anbieten zu wollen. Nach einer Reiseenduro folgt die Sportster S als kräftiges Naked Bike mit einem bisschen Flat-Track-Look. Mit den alten Sportster-Modellen hat sie nichts mehr zu tun, was wohl nicht allen Fans freuen dürfte, aber dafür wird Harley-Davidson durch die Sportster S zukünftig neue Kunden finden.

Hersteller Harley-Davidson
Modell Harley-Davidson Sportster S
Motor und Antrieb
Motorart Otto, V (60°)
Zylinder 2
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1252
Leistung in kW (PS) 90 (122)
Drehmoment in Nm 125
Antrieb Hinterradantrieb über offen laufende Dichtringkette
Gänge 6
Getriebe sequenzielles Schaltgetriebe
Fahrwerk
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Feder-Dämpferbein
Bremsen vorn Einzelscheibe, Vierkolben-Festsättel
Bremsen hinten Einzelscheibe, Zweikolben-Festsattel
Räder, Reifen vorn 160/70-17
Räder, Reifen hinten 180/70-16
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1520
Nachlauf 148
Lenkkopfwinkel in Grad 60
Sitzhöhe 775
"Trockengewicht" laut Hersteller 228
Tankinhalt in Liter 12

(fpi)