Schule digital: Die großen Pläne des Bundes – Fiasko oder Revolution?

Seite 2: Neuer Mitspieler – der Bund

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Der Bund hat in der Schulpolitik traditionell nicht mitzureden. Das änderte sich mit einer Grundgesetzänderung 2018. Der Deal sieht so aus: Der Bund gibt Geld und darf nun über die Verwendung entscheiden und auf diese Weise auch mit gestalten. Auf dieser Basis wurde der Digitalpakt vereinbart: Der Bund beteiligt sich mit 5 Milliarden Euro, gestreckt über 5 Jahre, an der digitalen Bildungsinfrastruktur. Zusätzlich wurden während der Coronakrise drei zusätzliche Finanzpakete geschnürt, die sogenannten "Corona-Hilfen". Die drei Pakete finanzieren jeweils 500 Millionen Euro für Leihgeräte für Schüler:innen, IT-Administrator:innen für die Schulen und Dienstgeräte für Lehrkräfte.

Unter den Vorzeichen der Coronakrise tagte am 25.08.2020 im Bundeskanzleramt der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD. Es ging um "Wahlrecht, Kurzarbeit, Insolvenzrecht, Krankentage, Klimaanlagen", berichtete die Tagesschau. Kaum Beachtung fand in der Öffentlichkeit ein Punkt, der im Protokoll des Treffens als "TOP 3: Deutscher Aufbau- und Resilienzplan" festgehalten wurde. Dort ging es um die "zu erwartenden EU-Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfaszilität" – zu Deutsch: Was machen wir mit den Corona-Geldern der EU? Das Ergebnis war einfach: Das Bundesfinanzministerium wurde beauftragt, einen Plan zu erstellen. Und dann folgt im Protokoll noch ein Textabsatz, der wie folgt begann: "Ferner soll aus diesen Mitteln eine digitale Bildungsoffensive finanziert werden ..." Dabei ist vom "Aufbau einer bundesweiten Bildungsplattform“ sowie von der Gründung von "Bildungskompetenzzentren" die Rede. Dem Vernehmen nach hatten sich insbesondere SPD-Chefin Esken und Bundeskanzlerin Merkel für diese Maßnahmen stark gemacht haben. Sie könnten über Corona hinaus weitreichende Folgen haben.

Schaut man sich diese Landkarte der Bildungspolitik in ihrer Gesamtheit an, so versteht man, warum die Bundesregierung sich eine koordinierende und führende Instanz wünscht – und sich selbst in dieser Rolle sehen möchte. Dennoch braucht es für diese Umsetzung die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Damit die Länder mitmachen, hilft das vom Bund in Aussicht gestellte Geld. Alleine für die angestrebte Bildungsplattform sind noch für das laufende Haushaltsjahr 85 Millionen Euro eingeplant. Für die Zeit bis 2025 sind insgesamt 630 Millionen Euro vorgesehen. Für die Bildungskompetenzzentren sind zusätzliche 205 Millionen Euro eingeplant, davon allerdings nur 5 Millionen noch in 2021. Dafür sollen Gelder aus den EU-Mitteln des Wiederaufbau- und Resilienzplans verwendet werden.

Eine der beiden im August 2020 im Koalitionsausschuss vereinbarten Maßnahmen lautete: Es werden "Bildungskompetenzzentren gegründet, die wissenschaftliche und praktische methodisch-didaktische Kompetenz vernetzen und verfügbar machen und die den Schulen Unterstützung bei der Medienplanung sowie bei der Schulentwicklung und Personalentwicklung zur Verfügung stellen." Die Umsetzung ist derzeit in Vorbereitung. Zuständig sind gemeinsam die Länder, vertreten durch die KMK, und der Bund, in diesem Fall das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Zwar haben Länder und BMBF nur begrenzt Übung in Sachen Kooperation. Dennoch geben die bisherigen Überlegungen Anlass zur Hoffnung für eine zeitnahe Umsetzung.

Das BMBF will noch im Sommer 2021 ein Förderprogramm ausschreiben. Laut einem internen Papier des BMBF besteht das Ziel darin, "wissenschaftsbasiert nachhaltige inhaltliche und strukturbildende Impulse für die Lehrerbildung und die Schulentwicklung zu setzen sowie den Transfer in die Praxis zu gestalten". Im Jahr 2022 soll dann "ein bundesweit agierendes Kompetenznetzwerk unter Federführung der Wissenschaft" starten. Vereinfacht gesagt lässt sich das so interpretieren: Der Bund bezahlt Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen dafür, dass sie den Kompetenzzentren erklären, was sie tun sollen. Die Zentren rollen das dann in den jeweiligen Ländern in die Fläche aus.

Die Länder wollen je ein eigenes "Kompetenzzentrum für digitales und digital gestütztes Unterrichten" einrichten. Denkbar ist, dass einzelne Länder hier zusammenarbeiten, so wie z.B. Berlin und Brandenburg bereits jetzt ein gemeinsames "Landesinstitut für Schule und Medien" betreiben. Aber im Grundsatz wird es auf ein Kompetenzzentrum pro Land hinauslaufen. Außerdem denken die Länder an eine "bundesweite Koordinierungs- und Transferstelle", welche die Ergebnisse aus den vom BMBF finanzierten Forschungsprogrammen bündelt. In diesen Kompetenzzentren sollen alle Aktivitäten gebündelt werden, die in der Lehreraus- und -fortbildung in Sachen Digitalisierung relevant sind. Dabei geht es um drei Ebenen:

1. das Unterrichten mit digitalen Medien

2. Schulentwicklung und Medienplanung auf Schulebene

3. digitale Fortbildungsformate.

Die oben beschriebene neue KMK-Strategie "Lehren und Lernen in der digitalen Welt" dürfte eine entscheidende Rolle für die Arbeit der Kompetenzzentren spielen, weil sie quasi als gemeinsame Programmatik der Kompetenzzentren dienen könnte. Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst, die zu Beginn des Jahres die Präsidentschaft der KMK übernahm, hat das Thema zum Schwerpunkt ihrer Amtszeit ausgerufen.