Schule digital: Die großen Pläne des Bundes – Fiasko oder Revolution?

Seite 3: Direkt unterfinanziert?

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Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ist noch nicht in trockenen Tüchern, auch wenn beide Seiten guten Willen zeigen. Ein Knackpunkt wird das Thema Geld sein. Denn die Bundesregierung will sich in der Finanzierung auf die Wissenschaftsförderung beschränken und, anders als beim Digitalpakt, keine direkte Finanzhilfe an die Länder geben. Die Kompetenzzentren selbst müssen also, auch wenn sie im Bundeskanzleramt erfunden wurden, von den Ländern finanziert werden.

Die Rede ist von 250 Millionen Euro für 5 Jahre. Eine Beispielrechnung macht die Dimensionen deutlich: 50 Millionen Euro pro Jahr, verteilt auf 16 Länder – bei einem mittelgroßen Land wie Hessen dürfte das grob geschätzt ein Etat von 3,7 Millionen Euro sein. Das ist nicht wenig, aber auch keine riesige Investition angesichts der anstehenden Aufgaben. Zudem stellt sich die Frage, ob die Länder tatsächlich zusätzliche Mittel aufbringen, oder einfach vorhandenes Personal, zum Beispiel aus der Lehrerfortbildung, in die Kompetenzzentren verschieben. Im schlimmsten Fall bekommen vorhandene Aktivitäten einfach nur ein neues Schild über dem Eingang.

Die zweite Maßnahme, die im August 2020 auf den Weg gebracht wurde, betrifft eine gemeinsame Bildungsplattform für Deutschland. Wie unklar dazu die Vorstellungen noch sind, zeigen die Verwirrungen rund um große Begriffe. Da ist zum einen von der "Nationalen Bildungsplattform" die Rede, bisweilen auch vom "Nationalen Bildungsraum" und obendrauf hat die Bundesregierung eine "Initiative Digitale Bildung" ausgerufen.

Der Organisationsplans des BMBF ist hierarchisch und nicht ganz übersichtlich strukturiert. Seit einigen Monaten gibt es hier ein neues Kästchen, das eine auffällig unabhängige Position im Gesamtgefüge einnimmt. Die Beschriftung lautet "PG DB – Projektgruppe Digitaler Bildungsraum". Hier wird seit dem Herbst 2020 mit Hochdruck daran gearbeitet, die Grundlage für eine deutschlandweite Lösung für digitale Bildungsangebote nicht nur im Bereich Schule, sondern auch für Erwachsenenbildung, Weiterbildung, berufliche Bildung zu etablieren. (In der Aufzählung fehlen die Hochschulen, denen man vermutlich zu viel Autonomie zuschreibt, als dass sie sich hier integrieren ließen.)

Am 22. Februar 2021 stellte die Bundesregierung ihre Planungen der Öffentlichkeit vor. Mit Bundeskanzlerin Merkel, Bundesbildungsministerin Karliczek und zahlreichen Gästen wurde die "Initiative Digitale Bildung" bekannt gegeben. Im Zentrum steht die "Nationale Bildungsplattform in einem digitalen Bildungsraum". Wie umfassend dieses Vorhaben gedacht wird, wird deutlich, wenn man die versprochenen Formen in einer Liste sammelt und sich dabei vor Augen hält, dass in Zukunft die digitale Form der Standard und nicht mehr die Ausnahme sein soll.

Die Nationale Bildungsplattform in einem digitalen Bildungsraum soll ermöglichen …

  • … dass verschiedensten Lernangebote auf einer Plattform zugänglich sind, z.B. als Materialien, die eine Lehrerin oder ein Weiterbildner über einen "Marktplatz" hinter einer "Bezahlschranke" kaufen kann.
  • … dass Lernende selbst auf verschiedenste Lernangebote zugreifen können.
  • … dass Lehrende Tools, Plattformen und andere Cloud-Services für die eigene (Zusammen-)arbeit finden und nutzen können.
  • … dass verschiedenste Angebote mit einem einheitlichen Zugang genutzt werden können (Identitätsmanagement).
  • … dass Bildungsangebote verschiedener Anbieter einheitlichen Vorgaben für Sicherheit und Datenschutz entsprechen.
  • … dass sich Akteure verschiedener Bildungsbereiche untereinander vernetzen.
  • … dass Lernende über verschiedene Bildungseinrichtungen und sogar Bildungsbereiche hinweg auf ihrer "Bildungsjourney" ihre Daten und Kompetenzprofile mitnehmen, nutzen und "digital souverän" selbst verwalten können.
  • … dass Menschen ihre Zeugnisse und Zertifikate in einer "Wallet-App" speichern und freigeben können.

Technisch orientiert sich das gigantische Vorhaben vor allem an der Etablierung von Standards und Schnittstellen. Ein Anbieter von Bildungsmaterialien soll beispielsweise das eigene Angebot nicht direkt auf der neuen Plattform bereitstellen. Stattdessen greift die Plattform über offene Schnittstellen auf das Angebot zu, arbeitet also quasi als Vermittler zwischen Lernenden, Lehrenden, Institutionen und Bildungsanbietern. "Interoperabilität" und "föderierte Gesamtarchitektur" lauten die Zauberworte, die Ordnung in den digitalen Wildwuchs bringen, aber auch Anreize für neue Angebote setzen sollen.

Für die technische Umsetzung ist noch im Frühjahr 2021 eine erste Ausschreibung vorgesehen, bei der Anbieter "bis zu vier Prototypen" entwickeln sollen. Auf Basis dieser Erfahrung soll es dann an die Umsetzung gehen – nach der Bundestagswahl und mit Fokus auf eine Fertigstellung in 2025.