Porträt: Die Part Time Scientists

Seite 3: Vom IRC-Chat zum 4000-Euro-Dummy

Inhaltsverzeichnis

Vor dem Google Lunar Xprice, kurz GLXP, gab es die Idee nicht, stellt Robert Böhme klar ("Wer kommt schon darauf, was zum Mond zu schicken?"). Doch der Name Part Time Scientist ist älter als das Projekt: Er wurzelt darin, dass Böhme früher über eigene Physik-Experimente bloggte, woraufhin ihn Kollegen Part Time Scientist tauften. Mit einem bestimmten Kern von Leuten – viele davon sind heutige Part Time Scientists – hing er über die Jahre im IRC (Internet Relay Chat) zusammen. Gegen Ende 2008 erfuhr er vom GLXP. Er fragte sich, erzählt er heute, ob es überhaupt Sinn ergebe, sich damit zu beschäftigen. Kann es möglich sein, privat zum Mond zu fliegen? Diese Frage stellte er den anderen – und veranstaltete damit unbemerkt ein Kickoff.

Aus dem Archiv

Die Make-Redaktion stellt nach und nach Artikel aus den vergangenen Make- und c't-Hacks-Ausgaben im Volltext gratis online zur Verfügung.

Wenn das Team von seinen Anfängen berichtet, überschlagen sich die Erinnerungen ("Wir haben, ganz ehrlich, überhaupt nicht überblickt, was da auf uns zukommt. Nicht mal ansatzweise"). Arne Reiners erinnert sich: "Zu Anfang hat man nicht gemerkt, dass da ein Projekt draus wird. Man hat sich darüber unterhalten, was möglich ist und was nicht geht. Zu Anfang haben wir auch nicht Software geschrieben, sondern ein Konzept, wie man da überhaupt hinkommt. Häufiger Gedanke war, man müsste eine eigene Rakete bauen. Dann gab es noch den Vorschlag, eine Rakete an einen Ballon zu hängen. Anfangs gab es viele Vorschläge, die unrealistisch waren. Da musste man aussortieren, und am Schluss blieb eine relativ konventionelle Mission über."

"Wir waren kreativ, was die EMV angeht": Ein SPI-Verbindungskabel zu umwickeln (links), hatte nicht gereicht, um die elektromagnetischen Überstrahlungen in den Griff zu bekommen. Also versuchten sie es mit einem Ethernet-Adapter (rechts; "Das hat überraschend gut funktioniert"). Inzwischen ist diese Verbindung obsolet, indem ein FPGA direkt zu den Motorentreibern auf das Board gewandert ist.

(Bild: Anika Kehrer, rtfinem.de)

"Damals waren wir völlig überfordert", schüttelt Böhme lachend den Kopf. Auf dem LinuxTag 2009 haben sie die Pressemitteilung rausgeschickt: Sie als deutsches Team wollen zum Mond. Man habe sehen können, in welcher Zeitzone die Pressemitteilung gerade herumging: Erst 300 Mails aus Indien, dann 500 Mails aus Hongkong. Der nächste Schritt war der erste CCC-Vortrag Ende 2009. Böhme fasst sich an den Kopf: "Wenn ich jetzt daran denkeˇ… Das war ein Drei-Stunden-Vortrag! Und es ist keiner weggerannt. Die Leute waren total begeistert. Wir haben gesagt: Leute, wir finden es total super, zum Mond zu fliegen. So und so würden wir das machen, und das sind die Probleme. Das Schlimmste war unsere Präsentation. Unser Englisch …" Robert Böhme lacht sich tot. "Man muss sich ja vorstellen, gleich den ersten Vortrag vor tausend Leuten, und dann noch auf Englisch! Ist schon ’ne dämliche Idee. Und dann noch drei Stunden!"

Eine Dnepr beim Start – der Launch-Teil ihrer Mission kostet die Part Time Scientists etwa 20 Millionen US-Dollar.

(Bild: ISC Kosmotras)

Ernst wird es, als es um hehre Ziele geht. "Es geht nicht nur darum, eine Mission zum Mond zu machen", sagt Böhme. "Es geht auch darum, dass dabei etwas entsteht, das alle weiterbringt." Als sie angefangen haben, erzählt er, gingen sie so handgemacht vor, wie man sich nur vorstellen kann: Sie befragten das Web. "Du gibst in Google ein: Motor für Space-Einsatz. Und du findest: nichts. Oder du findest eine Forschungsarbeit, wo mal irgendjemand darüber nachgedacht hat. Oder du findest einen Motor, den das DLR für die ISS entwickelt hat, und fragst dich, kann man das kaufen? Also fragst du beim DLR nach, und die sagen: Wat? Wir sind doch keine Firma, wir sind eine Forschungseinrichtung, natürlich kannst du bei uns nichts kaufen! Und wenn wir das verkaufen würden, dann würde das mindestens so viel kosten, wie wir an Entwicklung da reingesteckt haben, das sind ein paar Millionen." Und genau das sei das Dilemma, in dem man mit der Raumfahrt stecke, sagt Böhme: "Alles ist schweineteuer, du findest keine Preise und es gibt keine Anbieter."

Mehr Infos

Mitfahrgelegenheit zum Mond

Folgende Voraussetzungen müssen die Projekte erfüllen:

  • Die Artefakte müssen Strahlung und starke Vibration aushalten und im Vakuum arbeiten können.
  • Das Making muss unter 1,33 Kilogramm bleiben.
  • Der Experimentaufbau rechtzeitig zum avisierten Launch im Jahr 2016 fertig sein.

Die Bewerbung war bis Ende April 2015 möglich.