Bertelsmann ohne Middelhoff und ohne Börsengang

Die weltweit dramatischen Veränderungen der Wirtschaft haben fast alle großen Medienunternehmen weltweit erfasst. Bertelsmann blieb davon nicht ausgenommen

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Von
  • Hannes Bahrmann
  • dpa

Die weltweit dramatischen Veränderungen der Wirtschaft haben mehr oder minder auch alle großen Medienunternehmen weltweit erfasst. Die einen ändern die Strategie, die anderen die Erwartungen und die Dritten das Personal. Nicht ausgenommen blieb davon auch die Bertelsmann AG, einer der größten Medienkonzerne mit Geschäften rund um den Globus. Hier wechselte die Eigentümerfamilie Ende Juli spektakulär die Unternehmensführung aus.

Thomas Middelhoff, der seit 1998 den Vorstandsvorsitz inne hatte, stand für Visionen, schnelles Wachstum sowie spektakuläre große und kleinere Firmenübernahmen. Frühzeitig setzte er auf die Zukunft des Internet, brachte eine Beteiligung am weltweit größten Onlinedienst AOL durch und das Joint Venture AOL Europe. Sechs Jahre später hatte sich das Investment vervielfacht und spülte -- rechtzeitig verkauft -- 2001 und 2002 Bertelsmann Milliarden in die Kasse.

Mit dem Geld wurde öffentlich kaum bemerkt ein tief greifender Wandel bei Bertelsmann mit dem Ziel finanziert, das Unternehmen 2005 an die Börse bringen zu können. Entertainment und Fernsehen sind seither die bestimmenden Säulen des Unternehmens. Während Wettbewerber wie Vivendi Universal und auch AOL Time Warner in die schlimmste Krise ihre Unternehmensgeschichte rutschten, steht Bertelsmann gut da. Nur eben heute mit einem neuen Vorstandschef.

Middelhoff war fest überzeugt, dass Bertelsmann börsennotiert sein müsse, da das Unternehmen bei dieser Größe sonst nicht auf Dauer wettbewerbsfähig zu halten sei. Demgegenüber zog die Eigentümerfamilie Mohn eine andere Perspektiven vor: Die Finanzierungsmöglichkeit über die Börse war darin nicht vorgesehen. Der Unterschied war so fundamental, dass nur die Trennung blieb.

Nun heißt es beim neuen Vorstandschef Gunther Thielen: "Wir müssen aus eigener Kraft wachsen." Milliarden-Investitionen seien in den nächsten zwei Jahren nicht zu erwarten. Zunächst "müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen", sagt Thielen, der schon mehr als zwei Jahrzehnte als Chef der Dienstleistungssparte dem Bertelsmann-Vorstand angehört.

Die Fachinformationssparte BertelsmannSpringer wird verkauft, die meisten Online-Shops von Bertelsmann Online sind es schon, die Übernahme der Musiktauschbörse Napster ist abgesagt, bei der Multimedia-Agentur Pixelpark, an der Bertelsmann maßgeblich beteiligt ist, wurde eine drastischer Schrumpfkur eingeleitet. Der Wechsel von Middelhoff zu Thielen hat aber nicht dazu geführt, dass nur noch gestrafft, gekürzt und abgebaut wird. Beim Musikgeschäft ist kräftig zugekauft worden, so dass die Bertelsmann Music Group nach den Übernahmen von Zomba und J Records heute weltweit an dritter Stelle rangiert. Auch Thielens Ziel ist es, die Rendite des Unternehmens trotz schwieriger Konjunkturlage nachhaltig auf zehn Prozent bis zum Jahr 2005 zu steigern. Doch dieses Wachstum kann Bertelsmann nach Überzeugung des neuen Vorstandschefs aus eigener Kraft finanzieren -- auch ohne Börse. (Hannes Bahrmann, dpa) / (anw)