Die wichtigsten Motorräder 2023 - erster Teil

2023 bringt neue Motorräder und viele Überarbeitungen. Besonders in der Mittelklasse boomen Naked Bikes und Enduros, aber auch ein Elektro-Motorrad ist dabei.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Honda XL 750 Transalp
Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Auch für 2023 haben Motorradhersteller wieder etliche völlig neue Modelle ins Programm gehoben. Dazu kommen zusätzlich eine ganze Reihe Überarbeitungen von beliebten Bikes, die Designretuschen und verbesserten elektronischen Ausstattungen mit sich bringen. Die Palette der meisten Marken ist breit aufgestellt, vor allem in der angesagten Mittelklasse wächst die Zahl der Naked Bikes und Reiseenduros. Aber auch ein Elektro-Leichtkraftrad für den Massenmarkt ist diesmal dabei.

Doch es werden nicht nur die großen Trends bedient, selbst einige attraktive Nischenmodelle kommen 2023 auf den Markt: Wer hätte gedacht, dass neue Modelle im eigentlich schon totgesagten Retro-Design debütieren würden? Auch bei der dahinsiechenden Kategorie der Sportler gibt es wieder Lichtblicke. Die durch die Coronapandemie entstandenen Lieferengpässe einiger Hersteller dürften sich zwar weiter entspannen, dennoch empfehlen manche Händler, das begehrte Modell früh zu ordern, um auch wirklich im Frühling damit durchstarten zu können. Wir stellen hier im ersten Teil zehn interessante Neuerscheinungen für 2023 vor.

Aprilia hat bereits 2021 die RS 660 aus der Taufe gehoben. Das vollverkleidete Sportmotorrad begeisterte neben der schicken Optik vor allem durch seinen quirligen Motor. Aus 659 cm3 holte der Reihenzweizylinder 100 PS bei 10.500/min und das Fahrwerk erwies sich als extrem handlich. Für 2023 schiebt Aprilia eine noch sportlichere Variante nach, die RS 660 Extrema.

Zwar bekam sie nicht mehr Leistung, aber das Fliegengewicht wurde durch Teile aus Kohlefaserlaminat und einen Endschalldämpfer von SC Project um drei Kilogramm erleichtert und wiegt nur noch 183 Kilogramm – wohlgemerkt bei vollem 15-Liter-Tank. Zudem erhält die Extrema eine Abdeckung für den Soziussitz und eine Software mit der sich das Schaltschema des Quickshifters umkehren lasst: Wie bei einem echten Racingbike sitzt der erste Gang oben, für die restlichen fünf Gänge muss der Schalthebel nach unten getreten werden. Den Preis hat Aprilia noch nicht genannt, aber da die Basis schon 11.699 Euro kostet, wird die RS 660 Extrema sicher deutlich über 12.000 Euro liegen.

Chinesische Hersteller lernen schnell. Das gilt ganz besonders für Benelli, die seit 2006 zu Quianjiang gehören. Das Designcenter verblieb in Italien, so dass die Modelle den europäischen Geschmack treffen, gebaut werden die Motorräder aber im günstigen China. Die Benelli TRK 502 ist schon seit einigen Jahren das meistverkaufte Motorrad in Italien, jetzt setzt die Marke mit der TRK 702 noch einen drauf. Die mit einem ausgeprägten Entenschnabel versehene Reiseenduro verfügt über einen 698 cm3 großen Reihenzweizylinder mit 76 PS. Bei 235 kg Leergewicht hat die Benelli allerdings schwer zu schleppen, aber mit 830 mm Sitzhöhe ist sie immerhin auch für Normalgewachsene geeignet.

Vorn ist eine 19-, hinten eine 17-Zoll-Felge verbaut. Mit 140 bzw. 170 mm Federweg wird die Benelli auch auf Schotterstrecken noch gut zurechtkommen – zumindest, wenn sie auf Drahtspeichenrädern rollt, denn es gibt sie alternativ auch mit Gussfelgen. Ein 20 Liter großer Tank sichert der Reiseenduro eine angemessene Reichweite zu. Zwar hat Benelli den Preis noch nicht bekanntgegeben, er dürfte sich aber vermutlich um die 8000 Euro bewegen.

Es war zu erwarten, dass Ducati seinen grandiosen 1158-cm3-V4-Motor – immerhin schon seit 2019 auf dem Markt – auch in das Muscle Bike Diavel transplantieren würde. 2023 ist es endlich soweit und bei der Gelegenheit haben die Entwickler die Diavel mal eben rundum erneuert.

Sie erhielt vier gebündelte Endschalldämpfer, einen Monocoque-Rahmen und die Fahrwerksgeometrie wurde mehr Richtung Handlichkeit verschoben. Zwar sind Leistung (168 PS) und Drehmoment (126 Nm) des V4-Motors annähernd mit denen des V2 der Vorgängerin gleichgeblieben, aber er bietet eine deutlich bessere Laufkultur. Zudem konnte Ducati das Gewicht um immerhin acht auf 236 kg drücken.

Beibehalten haben die Italiener die Einarmschwinge mit dem 240er-Hinterreifen, der bei Bedarf schwarze Striche auf den Asphalt radiert, vorausgesetzt, dass die Schlupfregelung über das fünf Zoll große TFT-Display ausgestellt wurde. Der Haken an der Diavel V4 ist der Preis, Ducati hat ihn um fast 6000 Euro auf 27.090 Euro angehoben. Dabei war die Maschine schon zuvor kein Schnäppchen.

Besonders beliebt war bei der italienischen Motorradmanufaktur Fantic in den vergangenen Jahren die Caballero 500 (Test) mit einem 449-cm3-Einzylinder chinesischer Herkunft. Seit geraumer Zeit hat Fantic eine Kooperation mit Yamaha und verbaut bereits in seinen Sportenduros deren Einzylinder aus Japan. Nun haben die Italiener die Caballero 700 präsentiert, einen Scrambler im leichten Retro-Design mit Rundscheinwerfer, langgestrecktem Tank, gut gepolsterter Sitzbank (auch für die Sozia), hochgelegtem Doppelrohrauspuff und Drahtspeichenfelgen samt Enduroreifen.

Angetrieben wird die Caballero 700 von Yamahas brillantem CP2-Motor. Erstaunlicherweise gibt Fantic als Maximalleistung 75 PS an, während der Reihenzweizylinder in den diversen Yamaha-Modellen nur 73 PS leistet. In der Fantic müssen sie gerade Mal 180 kg Gewicht antreiben. So nostalgisch wie die Caballero 700 aussehen mag, sie verfügt über ein modernes TFT-Display, drei Fahrmodi, Kurven-ABS, Schlupfregelung, Bluetooth und LED-Licht. Fantic gibt einen Preis von 10.000 Euro für den schicken Scrambler an, der ab April zu den Händlern kommen soll.

Honda startet 2023 eine Modelloffensive, deren spektakulärste Nachricht wohl die der Wiederauferstehung der legendären Transalp ist. Die Reiseenduro hatte sich ab 1988 einen exzellenten Ruf nicht nur unter Fernreisenden erarbeitet, weil ihr V2-Motor schier ewig pannenfrei lief.

Bei der XL 750 Transalp arbeitet jedoch kein V2 mehr, sondern ein komplett neu entwickelter Reihenzweizylindermotor mit 755 cm3. Mit 92 PS und 75 Nm Drehmoment setzt er sich in seiner Klasse an die Spitze. Die neue Transalp ähnelt tatsächlich im Design ihrer Vorfahrin, auch wenn elektronisch natürlich Zugeständnisse an die Moderne gemacht wurden: fünf Zoll großes TFT-Display, fünf Fahrmodi, zweistufiges ABS, fünfstufige Schlupfregelung, dreistufige Motorbremse.

Doch Honda denkt auch an die Schotterfreunde und baut ein 21 Zoll großes Vorderrad ein, hinten dreht sich ein 18-Zöller, also die Dimensionen, deren sich auch die Sportenduristen bedienen. Dazu kommen sich Federwege von 200 und 190 mm. Laut Hersteller bringt sie nur 208 kg mit vollem 17-Liter-Tank auf die Waage. Der Preis der neuen XL 750 Transalp soll bei etwas unter 11.000 Euro liegen.

Eigentlich kommt die Honda CL 500 zu spät für die Retro-Welle. Doch Honda beschloss, aus seinem Cruiser CMX 500 Rebel eine Scrambler zu machen – nicht gerade die ideale Ausgangsbasis, aber die Entwickler haben einen guten Job gemacht.

Motor, Schwinge, Scheinwerfer, Blinker, Vorderradkotflügel und das Rundinstrument übernimmt die CL 500 von der Rebel, am ansonsten identischen Rahmen schweißt Honda einen höheren Heckrahmen an, um den Fahrer auf 790 mm Sitzhöhe zu hieven.

Auch die Federwege wachsen auf 150 bzw. 145 mm, Faltenbälge an der Gabel sollen der CL 500 einen nostalgischen Anstrich verpassen. Drahtspeichenfelgen bekommt sie wohl aus Kostengründen nicht, dafür aber immerhin ein 19-Zoll-Vorderrad. Ein hochgelegter Endschalldämpfer und eine dick gepolsterte Sitzbank müssen aus stilistischen Gründen natürlich sein, LED-Licht rundum verweist hingegen auf moderne Zeiten. Die Honda CL[  500 wird für 6990 Euro angeboten.

Von allen vier japanischen Marken hätte man es bei Kawasaki, die immer stolz darauf waren, leistungsstarke Verbrennungsmotoren zu bauen, wohl am wenigsten vermutet, aber die Marke prescht als Erste bei den Elektromotorrädern vor.

Gleich zwei rein elektrisch angetriebene Motorräder werden schon 2023 zu den Händlern rollen: die Z EV und die Ninja EV. Beide basieren auf Motorrädern mit Verbrennungsmotoren, so bedient sich die Z EV bei der Z 400 und die Ninja EV entsprechend bei der Ninja 400.

Sie übernehmen deren Rahmen, Gabel, Schwinge, Heck, Scheinwerfer und im Falle der Ninja auch die Vollverkleidung. Der Tank sieht dem der konventionellen Modelle zwar noch sehr ähnlich, aber natürlich ist er nur eine Attrappe, darunter befindet sich der Ladestecker. Da Kawasaki seine beiden Elektromotorräder für den A1-Führerschein vorsieht, werden ihre E-Motoren wohl 11 kW (15 PS) im Dauerbetrieb leisten. Zwei identische, zwölf kg schwere Akkus speichern zusammen 3 kWh und können rasch herausgenommen werden, entweder um sie zu tauschen oder in der Wohnung aufgeladen zu werden. Preise hat Kawasaki noch nicht bekannt gegeben.

Die KTM 790 Duke ist 2023 wieder da. Der österreichische Hersteller hatte sie 2021 zugunsten der 890 Duke aus dem Programm genommen, da die 790er nur die Abgasnorm Euro 4 erfüllte und ihr 799-cm3-Reihenzweizylinder bei Umstellung auf Euro 5 ein paar PS verloren hätte. Doch die 890 Duke konnte mit 115 PS bzw. 121 PS (890 Duke R) für Führerscheinneulinge nicht mehr auf 48 PS gedrosselt werden, denn dafür ist von der EU eine Obergrenze von 95 PS vorgesehen.

Daher verwundert es wenig, dass KTM die 790 Duke jetzt mit Euro 5 mit 95 PS unterhalb der 890 Duke anbietet, die es 2023 als 890 Duke GP und 890 Duke R geben wird. Der LC8c-Motor galt schon immer als spritzig und daran wird sich auch 2023 nichts ändern, selbst wenn zehn PS in der Spitze verloren gingen. Erfreulicherweise blieb das maximale Drehmoment von 87 Nm erhalten, sodass sich die Durchzugswerte kaum verschlechtern dürften. Mit einem Trockengewicht von 169 kg gehört die 790 Duke immer noch zu den leichtesten Motorrädern ihrer Klasse. KTM bewarb die 790 Duke als das "Skalpell", um auf ihre extreme Handlichkeit hinzuweisen und das gilt uneingeschränkt auch für das Modelljahr 2023.

Sie kommt in den Genuss vieler elektronischer Assistenzsysteme, u. a. Kurven-ABS, vier Fahrmodi und mehrstufige Schlupfkontrolle. KTM bietet sie zum Kampfpreis von 8999 Euro an – die letzte 790 Duke mit 105 PS hat noch 10.395 Euro gekostet.

Als letzte der vier japanischen Motorradhersteller hat nun endlich auch Suzuki mit der GSX-8S ein Reihenzweizylinder in der Mittelklasse im Sortiment. Damit löst sie die SV 650 ab, ein sehr erfolgreiches V2-Modell, das in seinen Grundzügen seit 1999 gebaut wird (und auch 2023 noch im Programm bleibt). Die GSX-8S erhielt 776 cm3 Hubraum und leistet maximal 83 PS sowie 78 Nm Drehmoment.

Der Motor verfügt über gleich zwei Ausgleichswellen, was auf eine angenehm sanfte Laufkultur hoffen lässt. Die GSX-8S zeigt ein modernes, fast schon minimalistisches Design, nur die Lampenmaske mit dem spitz zulaufenden Kinn und den übereinander angeordneten Lampen setzt einen avantgardistischen Akzent.

202 kg Gewicht mit vollem 14-Liter-Tank, ist zwar ein ordentlicher Wert, aber im Vergleich zu den direkten Konkurrentinnen doch ein wenig moppelig. Suzuki hat eine ziemlich aufrechte Sitzposition gewählt mit einem Lenker, der dem Fahrer weit entgegenreicht. Damit könnte die GSX-8S ein sehr alltagstaugliches Naked Bike werden, wenn nicht das Heck extrem kurz ausgefallen wäre. Weder die Sozia noch das Gepäck dürften sich dort wohl fühlen. Den Preis hat Suzuki auf 8900 Euro festgelegt und liegt damit deutlich über der japanischen Konkurrenz – was erstaunlich ist, denn bislang galt Suzuki immer als Preisbrecher.

Triumph hat seine brillante Street Triple 765 für 2023 noch einmal verbessert. Ihr Dreizylinder dient als Alleinausstatter der Moto2, zudem wird Triumph mit der Street Triple 765 nächstes Jahr in der Supersport-WM antreten. Dafür bekam der Motor eine gründliche Überarbeitung, es gibt neue Kolben, Pleuel, Ventile, Nockenwellen, Auspuffanlage und die Form der Brennräume wurde geändert. In der Street Triple 765 RS leistet der Dreizylinder nun 130 PS bei 12.000/min, in der günstigeren Variante R sind es 120 PS bei 11.500/min.

Ganz neu ist die Street Triple 765 Moto2 Edition mit 130 PS, sie hat nicht nur als erste Streety Stummellenker, statt einer breiten Lenkstange, sondern für extreme Handlichkeit auch die radikalste Fahrwerksgeometrie der drei Modelle und ein paar Teile aus Kohlefaserlaminat. Während die R schon von guten Showa-Komponenten gefedert wird, kommen die RS und Moto2 in den Genuss von Öhlins-Fahrwerken, verzögert werden sie alle von Brembo-Bremsen, allerdings aus unterschiedlichen Preisklassen.

Außerdem bekommt die Street Triple 765 dezente optische Designretuschen. Dass der Tank aus Gewichtsgründen um 2,4 Liter auf 15 Liter verkleinert wurde, wird nicht jedem gefallen, aber so kommt die Street Triple 765 auf 188 kg Gewicht. Ihre Elektronik ist um ein Kurven-ABS und eine schräglagenabhängige Schlupfregelung erweitert. Die Preise der Triumph Street Triple 765 starten bei 10.195 Euro für die R, 12.295 Euro für die RS und 14.995 Euro für die Moto2.

(fpi)