Verfassungsgericht lehnt Beschwerde gegen TK-Überwachung teilweise ab

Karlsruhe hat die Kläger gegen Datenspeicherungs- und Abhörvorschriften im Telekommunikationsgesetz und einer daraus abgeleiteten Überwachungsverordnung zum Teil an die untergeordneten Fachgerichte verwiesen.

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Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen Datenspeicherungs- und Abhörvorschriften im Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie der sich daraus ableitenden Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) zum Teil zurückgewiesen. Die Karlsruher Richter begründen die Ablehnung der Überprüfung einiger der angegriffenen Normen in ihrem jetzt veröffentlichten Beschluss (PDF-Datei) mit dem Hinweis, dass die Kläger zunächst die untergeordneten Gerichtsinstanzen mit ihrem Anliegen anrufen müssten. Dies ist ein Rückschlag für E-Mail-Provider und Datenschützer, die mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts einen raschen Stopp der ihrer Ansicht nach zu weitgehenden Pflichten zur Beschnüffelung der Nutzer von Telekommunikationsdiensten zu erreichen suchten.

Drei Internet-Unternehmen wollten sich mit der Klage vor allem gegen die heftig umstrittene Auflage in der TKÜV wehren, Abhörboxen für E-Mail ohne Entschädigung auf eigene Kosten vorhalten zu müssen. Dabei monierten sie vor allem den Aufbau einer teuren Überwachungsinfrastruktur, die Sicherheitsbehörden anfangs nur ein bis zwei Mal im Jahr nutzten. Den Richtern an der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts war es hier in keiner Weise ersichtlich, wieso die Beschwerdeführer nicht zunächst "wenigstens indirekt fachgerichtlichen Rechtsschutz" vor der Inanspruchnahme als Hilfssheriffs zu erlangen versuchten. In Österreich hatte eine vergleichbare Beschwerde vor dem dortigen Verfassungsgericht dagegen bereits 2003 Erfolg.

Die Kläger hierzulande hatten weiter auf eine Überprüfung einschlägiger Artikel im TKG gebeten, die eine Pflicht zur Angabe persönlicher Daten wie Name, Anschrift oder Geburtsdatum bei der Anmeldung eines Telefon- oder Handyanschlusses vorsehen, auch etwa beim Kauf von Prepaid-Karten im Mobilfunkbereich. Die Telekommunikationsunternehmen müssen die Daten ihrer Kunden zusammen mit der zugeteilten Rufnummer in eine Datenbank einstellen, auf die staatliche Stellen wie Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste Zugriff haben. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurde die Datenbank im vergangenen Jahr 3,4 Millionen Mal abgefragt. Dies entspricht rund 9.000 Auskunftsersuchen pro Tag. Die Zahl der Abfragen hat sich bislang alle drei Jahre verdoppelt. Die Verfassungsrichter wollen gemäß ihrer Teilentscheidung die entsprechenden Abschnitte des Paragraphen 95 Absatz 3, 111, 112 und 113 des TKG einer weiteren Prüfung unterziehen.

Die Verfassungsbeschwerde moniert an diesem Punkt, dass eine Identifizierungspflicht für alle Telekommunikationsnutzer unverhältnismäßig sei. Wenn Personen wie Journalisten, Organisatoren staatskritischer Demonstrationen oder Vertreter von Wirtschaftsunternehmen nicht mehr anonym telefonieren können, müsste auf den Austausch sensibler Informationen mittels Telekommunikation zunehmend verzichtet werden. Die Kläger rügen zudem, dass die staatlichen Rechte zur Einsicht in Kundendaten zu weit gehen, da keinerlei einschränkende Voraussetzungen vorgesehen seien.

Darüber hinaus gehende Einwände etwa gegen eine entgeltfreie Auskunftspflicht in Paragraph 92 TKG, eine Möglichkeit zur bis zu sechsmonatigen Speicherung von Abrechnungsdaten in Paragraph 97 oder zur Datenerhebung zur "Missbrauchsbekämpfung" und Störungsbeseitigung in Paragraph 100 hielten die Richter in der Beschwerde für zu ungenau gefasst. Im Prinzip sei es den Klägern auch hier zumutbar, im Fall der Betroffenheit von den Überwachungsmaßnahmen die Fachgerichte anzurufen. Die Beschwerdeführer hätten zwar teilweise vorgebracht, dass sie von solchen Bespitzelungsaktionen überhaupt nicht benachrichtigt würden. Ihrer Beschwerde lasse sich aber nicht entnehmen, dass sie eine solche Benachrichtigung "auch nicht im Wege eines Auskunftsanspruchs" erreichen und anhand der mitgeteilten Informationen dann gegebenenfalls Rechtsschutz vor den Fachgerichten suchen könnten.

Der Jurist Patrick Breyer, der die Verfassungsbeschwerde initiiert hatte, gab angesichts der Entscheidung der Hoffnung Ausdruck, "dass das Bundesjustizministerium im Zuge der geplanten Reform der Telekommunikationsüberwachung ein einheitliches Schutzniveau für sämtliche Informationen über die Telekommunikation der Bürger schaffen wird." Staatliche Zugriffe dürften nur ausnahmsweise zur Verhinderung und Verfolgung schwerer Straftaten erlaubt sein. Die Klage bezieht sich nicht auf die ebenfalls schwer umkämpfte Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten, da diese in Brüssel bereits abgesegnete verdachtsunabhängige Überwachungsmaßnahme sich noch vor der Umsetzung ins nationale Recht befindet. (Stefan Krempl) / (jk)