Bürgerrechtler wollen Musterklage gegen neue bundeseinheitliche Steuer-ID durchfechten

Die Humanistische Union hat eine Musterklage gegen die einheitliche Steueridentifikationsnummer beim Finanzgericht Köln eingereicht, um in Folge besorgten Bürgern einen eigenen Widerspruch einfacher zu machen.

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Die Humanistische Union (HU) hat eine eigene Musterklage (Az. 2 K 2822/08) gegen die neue, einheitliche Steueridentifikationsnummer beim Finanzgericht Köln eingereicht. Die Bürgerrechtsorganisation will es damit in Folge besorgten Bürgern einfacher machen, ihrerseits gegen das persönliche Kennzeichen vorzugehen. Zuvor hatte die HU gleich nach dem Start der Aussendung der Steuernummern Anfang August eine Klagevorlage für ein individuelles, dann aber mit eigenen Kosten und Risiken verknüpftes Vorgehen gegen den Bescheid veröffentlicht. Wer erst den Ausgang der Musterklage abwarten will, für den halten die Bürgerrechtler nun einen Entwurf für ein formloses Widerspruchsschreiben an das federführende Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auf ihrer Webseite zur Steuer-ID parat. Damit können Interessierte Einspruch erheben gegen die Speicherung und Verwendung ihrer Kennziffer.

"Seit dem Versand der ersten Schreiben mit den neuen Steuernummern haben sich zahlreiche Bürger bei uns nach den Möglichkeiten des Widerspruchs und der Klage gegen die Steuer-ID erkundigt", erläuterte der stellvertretende HU-Vorsitzende Dr. Fredrik Roggan den Hintergrund der Bemühungen. "Die Rückmeldungen zeigen uns, dass viele Menschen nicht mit der Einführung eines Personenkennzeichens einverstanden sind und sich dagegen wehren wollen." Ein wirksamer Rechtsschutz gegen die Steuernummer sei jedoch nicht einfach: Gegen die Bescheide gebe es kein wirksames außergerichtliches Widerspruchsverfahren. Diejenigen, die sich gegen die Speicherung und Verwendung der Steuer-ID als lebenslange Personenkennziffer wehren wollen, müssten ein langwieriges Verfahren in Kauf nehmen. Dieses werde möglicherweise erst vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden. Daher habe sich die HU zu der von ihm vertretenen Musterklage entschieden.

Für Roggan hat der Ausgang des Verfahrens symbolische Bedeutung für die Zukunft des Datenschutzes in Deutschland. Der Rechtsanwalt weist darauf hin, dass ein staatlich verordnetes Personenkennzeichen wie die Steuer-ID der Einstieg in die zunehmende Vernetzung staatlicher Datensammlungen darstellen dürfte. Mit der Klage wolle die HU daher "das für den Datenschutz zentrale Prinzip der Zweckbindung stärken". Roggan erinnerte daran, wie viele Informationen heute bereits über jeden Bürger etwa beim Finanzamt, der Polizei, den Sozialbehörden oder anderen Ämtern gespeichert seien. Die Steuernummer sei die Voraussetzung für eine "reibungslose Vernetzung dieser Datenbestände". Staatlich generierte Persönlichkeitsprofile würden damit in greifbare Nähe rücken. Die Humanistische Union werde deshalb das Verfahren "mit aller Konsequenz" führen.

Den Einspruch Betroffener beim BZSt hält Roggan für wichtig, da man damit im juristischen Sinne sein "Feststellungsinteresse" gegen die Steuernummer aufrecht erhalte: "Sollte unsere Musterklage gegen die Steuer-ID erfolgreich und bestimmte Konsequenzen von einem vorherigen Widerspruch abhängig sein, so wahren Sie mit diesem Schreiben alle Optionen." Letztlich könnten mit dem formlosen Widerspruchsschreiben so alle Bürger von dem Musterverfahren profitieren, ohne selbst sofort Klage erheben zu müssen. Für die Unterstützung ihrer eigenen Klage bittet die Organisation zugleich noch um zweckgebundene Spenden.

Die lange verzögerte Ausgabe der Steuernummer, die mit persönlichen Daten wie Name, Künstlername, Geschlecht, Geburtstagsdatum, Adresse oder Doktorgrad verknüpft ist, an alle rund 82 Millionen Bundesbürger vom Baby bis zum Greis gestaltet sich derzeit nicht frei von Pannen. Datenschützer und Oppositionspolitiker sehen in der Durchnummerierung der Bevölkerung die verdeckte Einführung eines verfassungswidrigen Personenkennzeichens. Sie bemängeln auch, dass mit der aus elf Ziffern bestehenden Steuer-ID ein zentrales Bundesmelderegister durch die Hintertür aufgebaut werden könnte.

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(Stefan Krempl) / (jk)