US-Regierung droht Niederlage in Berufungsverfahren um Abhörmaßnahmen
Die Richter eines Berufungsgerichts zeigten sich skeptisch gegenüber Argumenten der US-Regierung, die Klagen gegen Bespitzelungen müssten aus Geheimhaltungsgründen abgewiesen werden.
Ein US-amerikanisches Berufungsgericht hat das Argument der US-Regierung, durch eine juristische Untersuchung der Bespitzelung der Telekommunikation US-amerikanischer Bürger gerieten Staatsgeheimnisse in Gefahr, infrage gestellt. Während einer Anhörung beim 9th U.S. Circuit Court of Appeals in San Francisco zeigten sich laut einem Bericht der Washington Post die drei Richter nicht geneigt, Anträgen der US-Regierung auf Klageabweisung in zwei Fällen nachzugeben. Eine Entscheidung in dem Berufungsverfahren wird voraussichtlich aber erst in ein paar Monaten fallen.
In dem Berufungsverfahren geht es um zwei Klagen. Zum einen haben die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation (EFF) im April 2006 ein Verfahren gegen die US-Regierung und gegen AT&T angestrengt. Die EFF beschuldigt den Telecom-Carrier, rechtswidrig mit der National Security Agency (NSA) kooperiert zu haben. AT&T soll mit seinem Überwachungsprogramm den Internet-Datenverkehr seiner Kunden an die NSA weitergeleitet haben. Damit habe der Konzern gegen die US-Verfassung verstoßen. Einen Antrag auf Abweisung der Klage hatte der zuständige Richter Vaughn R. Walker vom District Court for the Northern District of California abgelehnt. Dagegen ging die US-Regierung in Berufung.
Im zweiten Verfahren geht es um eine Klage der Al-Haramain Islamic Foundation gegen die Bush-Regierung. Aus einem als vertraulich eingestuften Dokument, das das US-Finanzministerium versehentlich der Stiftung ausgehändigt hatte, geht hervor, sie sei Ziel nicht richterlich genehmigter Überwachung gewesen. Daraufhin hatte die islamische Stiftung nach dem Intelligence Surveillance Act geklagt. In diesem wie auch in dem Fall EFF vs. AT&T behauptet die US-Regierung, im Falle einer Verhandlung würden Staatsgeheimnisse preisgegeben. Der Rechtsvertretung der Stiftung dürfe nicht gestattet werden, sich auf das fragliche Dokument zu beziehen.
Richter Harry Pregerson resümierte, sobald die Regierung eine Angelegenheit zu einem Staatsgeheimnis erkläre, wünsche sie einen Freibrief ausgestellt zu bekommen. Sie erkläre sich damit als unfehlbar und verlange, dass die Gerichte ihr vertrauen. Der Richter reagierte laut Medienberichten etwas ungehalten auf die Einlassung eines Vertreters der US-Regierung, das Gericht sei nicht das geeignete Gremium, um die Überwachungsmaßnahmen zu diskutieren, es gebe andere Wege. Pregerson habe entgegnet, welche das sein sollen, womöglich ein Amtsenthebungsverfahren.
Das Berufungsgericht in San Francisco gilt als eines der "liberaleren" der USA. Zwei Richter wurden vom früheren US-Präsidenten Bill Clinton, der dritte von dessen Vorvorgänger Jimmy Carter berufen. Die Washington Post schreibt, ihre skeptische Haltung gegenüber den Argumenten der US-Regierung sei über die gesamten zwei Stunden der Anhörung deutlich geworden.
Insgesamt sind beim Bezirksgericht in San Francisco rund 50 Klagen gegen die nach dem 11. September 2001 von US-Präsident George W. Bush veranlassten Überwachungsmaßnahmen durch die NSA anhängig. Die zwei nun verhandelten sind die ersten, die schon etwas weitergekommen und in der Berufung gelandet waren. Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU hat hingegen vor einem Monat eine Niederlage erlitten. Der 6th Circuit Court of Appeals in Cincinnati hat die ACLU-Beschwerde gegen die Bespitzelung von US-Bürgern zurückgewiesen und die anderslautende Entscheidung einer niederen Instanz aus formellen Gründen kassiert.
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