Regierung soll bald Entschädigungsregelung für TK-Überwachung vorlegen

Die Regierungsfraktionen haben das Justiz- und Wirtschaftsministerium aufgefordert, innerhalb von drei Monaten einen Entwurf zur angemessenen Erstattung der Kosten für die Hilfssheriffsdienste der Provider zu erstellen.

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Die Regierungsfraktionen haben das Justiz- und Wirtschaftsministerium aufgefordert, innerhalb von drei Monaten einen Entwurf zur angemessenen Erstattung der Kosten für die Hilfssheriffsdienste der Provider zu erstellen. Dabei soll die Regelung der Ausgleichszahlungen für die wachsenden Belastungen durch die Telekommunikationsüberwachung im Rahmen eines eigenen Gesetzes beziehungsweise einer Verordnung auf Basis des Telekommunikationsgesetzes (TKG) erfolgen. Der Bundesrat hatte sich zuvor dafür eingesetzt, die betroffenen Anbieter für ihre Überwachungstätigkeiten weiter nur nach den geringfügigen Sätzen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu "entlohnen". Die Länder sehen die Inanspruchnahme der privaten Ermittlungsgehilfen als Leistung, die diese im Rahmen einer allgemeinen Zeugenpflicht zu erbringen haben. Dieser Ansicht hat sich auch das Bundesjustizministerium weitgehend angeschlossen.

Die Entschädigungsregelung ist weiterhin ein schwer umkämpftes Gebiet. "Die Geduld der Unternehmen ist am Ende", haben SPD-Wirtschaftspolitiker als Fazit aus einem Treffen von Vertretern der Regierungsfraktionen und der TK-Branche mit Experten der federführenden beiden Bundesministerium am gestrigen Donnerstag gezogen. Eine wesentliche Erkenntnis aus der teilweise hitzigen Runde sei auch, dass eine einfache Erhöhung der momentan gezahlten Entschädigungspauschalen in Höhe von 17 Euro die Stunde nebst zusätzlicher Abrechnung der Verbindungsgebühren von Netzbetreibern auf Basis des JVEG nicht ausreiche. Dieser Ansatz treffe die Situation der Netzbetreiber nicht. Eine differenzierte Herangehensweise würde den Rahmen des JVEG nach Ansicht der sozialdemokratischen Wirtschaftsexperten aber sprengen beziehungsweise zu einer kaum mehr handhabbaren Regelungstiefe führen. Daher seien eigenständige Bestimmungen zu treffen.

Vor allem Netzbetreiber, die hauptsächlich im Geschäftsbereich tätig sind, zeigen sich unzufrieden mit dem gegenwärtigen Pauschalsystem. So brachte eine Firma bei dem Fachgespräch vor, Hunderttausende Euro in die geforderte Abhörinfrastruktur investiert zu haben. Bisher sei aber nur eine Anfrage von Strafverfolgern erfolgt. Insbesondere die Internetprovider stöhnen derweil unter den sich abzeichnenden Zusatzkosten für die Bewältigung der Auflagen zur geplanten sechsmonatigen verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten. Da sie die entsprechenden Informationen bisher nur für Abrechnungszwecke speichern durften und sie bei Flatrates zu löschen hatten, müssen sie nach eigenen Angaben weitere Überwachungssysteme komplett neu aufbauen und dafür mit hohen Investitionen in Vorleistung treten.

Ein Ende des langen Streits um eine Entschädigung ist aber auch mit dem erbetenen Referentenentwurf noch nicht absehbar. Der Bundestag hat sich zwar mehrfach für eine Neuregelung ausgesprochen. Zudem weist die Tendenz in der EU zu einer klaren Kostenerstattung. Großbritannien etwa deckt in seinen entsprechenden Bestimmungens auch Investitionen in Überwachungssysteme mit ab. In Österreich ist nach der Intervention des Verfassungsgerichts ebenfalls die Entscheidung gefallen, dass nicht der Telco-Kunde, sondern der Steuerzahler für die Strafverfolgung zu zahlen hat. Dies sei der bessere Ansatz, sind sich auch Wirtschaftspolitiker hierzulande weitgehend einig. Andernfalls könnten kleine Herausforderer der etablierten Größen wegen der prohibitiven Investitionskosten für die Überwachungstechnik aus dem Wettbewerb gedrängt und Markthindernisse aufgebaut werden. Zudem erhoffen sie sich eine dämpfende Wirkung auf die hohen Steigerungsraten beim Abhören der Telekommunikation vor allem im Mobilfunkbereich, wenn der Staat die Kosten direkt zu tragen habe.

Innen- und Rechtspolitiker argumentieren dagegen damit, dass die Netzbetreiber Missbrauchmöglichkeiten ihrer Anlagen für kriminelle Zwecke von vornherein berücksichtigen müssten und gleichsam für sie eine "Gefährdungshaftung" ähnlich wie im Automobilverkehr bestehe. Die grenzenlose Kommunikation berge naturgemäß bekannte Risiken, die der Staat nicht komplett übernehmen könne. Zudem setzen sie bei der gesetzlich verankerten Auflage zur "angemessenen" Kostenerstattung das entscheidende Kriterium in Verhältnis zu üblichen Sätzen der Zeugenentschädigung, nicht jedoch zu den tatsächlich anfallenden Aufwendungen.

Unter Rot-Grün hatten die damaligen Regierungspartner schon einen eigenen Fraktionsentwurf zur Kostenerstattung vorgelegt, nachdem sich auf Ministerialebene damals nichts tat. Der Vorstoß kam jedoch unter anderem wegen der vorgezogenen Neuwahlen nicht weit im gesetzgeberischen Verfahren. Die Branchenverbände Bitkom, eco und VATM drängen seitdem vehement immer wieder auf die versprochene angemessene Beteiligung des Staates an den millionenschweren Kosten für die Installation von Abhörgerätschaften und personellen Überwachungshilfen. Eine Mitgliedsfirma der Initiative Europäischer Netzbetreiber (IEN) hat in der langwierigen Auseinandersetzung auch bereits das Bundesverfassungsgericht angerufen. (Stefan Krempl) / (jk)