Windows Mobile als App-Plattform

Seite 4: Windows Phone 7 Series

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Windows-Mobile-Smartphones verkaufen sich heute leidlich gut. Das liegt vor allem daran, dass Microsoft den wichtigen Konsumenten-Markt bisher kaum für sich gewinnen konnte. Dazu Jochen Brach, Marketing & PR Manager bei Gameloft: "Microsoft hat sich auf Enterprise Solutions fokussiert und den normalen Endkunden als Anwender vollkommen außer Acht gelassen". Mit Windows Mobile 7 sollte alles besser werden, doch die neue Version ließ lange auf sich warten. Im Februar 2010, im Rahmen des Mobile World Congress (MWC) in Barcelona, stellte Microsoft das neue Betriebssystem schließlich der Öffentlichkeit vor. Neben einer völlig überarbeiteten Benutzeroberfläche, die stark an die des iPod-Konkurrenten Zune erinnert, wartet Windows Mobile 7, das nun auf den Namen Windows Phone 7 Series hört, auch aus Entwicklersicht mit einigen gravierenden Neuerungen auf

Bei Windows Phone 7 Series erinnert nichts mehr an die in die Tage gekommene Oberfläche des Vorgängers (Abb. 2).

(Bild: Microsoft)

Haupt-Entwicklungsplattform ist nun Silverlight, das vielen wohl nur als Flash-Konkurrent bekannt ist. Silverlight stellt ein reduziertes .NET Framework dar und verfügt über ein ausgefeiltes Grafiksystem, das auf der Windows Presentation Foundation (WPF) basiert. Dabei propagiert Silverlight die strikte Trennung zwischen Darstellung und Programmlogik. Für die Definition grafischer Oberflächen kommt die XML-Beschreibungssprache XAML zum Einsatz, während man die Programmlogik wahlweise in C#, Visual Basic .NET, JavaScript oder einer beliebigen anderen .NET-Sprache entwickelt. Tool-Unterstützung bieten Expression Blend, mit dem sich auf komfortable Weise XAML-Dateien erstellen lassen, und Visual Studio für die Umsetzung der Programmlogik.

Mit Visual Studio 2010 Express for Windows Phone bietet Microsoft erstmals eine kostenlose IDE für die Entwicklung mobiler Anwendungen an (Abb. 3).

Erstmals wird Microsoft außerdem eine kostenlose, für die Windows-Phone-Entwicklung optimierte Express Edition von Visual Studio herausgeben. Microsoft hofft, so auch Hobby-Entwickler für die Plattform gewinnen zu können. Zweites Standbein der Windows-Phone-Entwicklungsplattform ist das von der Xbox bekannte XNA. Es ermöglicht die Entwicklung von Spielen und grafisch aufwendigen Programmen unter Ausnutzung der bestehenden 3-D-Hardware. Wie Silverlight basiert XNA auf dem .NET-Framework und unterstützt damit alle gängigen .NET-Sprachen. Keine Unterstützung wird Windows Phone 7 Series hingegen für native Anwendungen bieten, und auch mit dem .NET Compact Framework geschriebene Anwendungen sind nicht unmittelbar unter Windows Phone 7 lauffähig. Microsoft begründet den Schritt mit Sicherheitsbedenken ("Windows Phone 7 Series"-Anwendungen laufen, anders als ihre Vorgänger, in einer Sandbox) und dem Paradigmenwechsel bei der Gestaltung der Benutzeroberflächen. Immerhin: Zumindest die Anwendungslogik bestehender ".NET Compact Framework"-Anwendungen lässt sich vermutlich ohne großen Aufwand nach Silverlight portieren.

Auf große Überraschung stieß Microsofts Ankündigung, zukünftig Flash als Entwicklungsplattform zu lassen und Adobe hierfür sogar erlauben zu wollen, eine native Anwendung auf das Windows Phone zu bringen. Ein klarer Seitenhieb auf Apple, die sich weiterhin vehement gegen die Einführung von Flash auf dem iPhone wehren. Auf dem Mobile World Congress stellte Microsoft jedoch klar, dass Windows Phone 7 Series bei Auslieferung noch keine Flash-Unterstützung bieten werde.

Neuerungen bietet Windows Phone 7 Series auch bei der Hardware. Künftige Windows-Smartphones müssen einen Katalog an Mindestanforderungen erfüllen, die aus heutiger Sicht am oberen Ende des Hardwarespektrums anzusiedeln sind. Microsoft fordert neben einem Multi-touch-Display mit WVGA-Auflösung und einer Gigahertz-CPU auch 3-D-Hardwarebeschleunigung, einen digitalen Kompass und einen Beschleunigungssensor. Für Entwickler entfällt dadurch das lästige Differenzieren zwischen unterschiedlichen Hardwarekonfigurationen.

Viele haben darüber spekuliert, ob Windows Phone 7 Series weiterhin Multi-Tasking-Unterstützung bietet. Auf der MIX-Konferenz, die Mitte März in Las Vegas stattfand, ließ Microsoft schließlich die Katze aus dem Sack: Windows Phone 7 Series erlaubt es zwar, mehrere Anwendungen parallel zu betreiben, inaktive Anwendungen werden jedoch pausiert und bei akuter Speicherknappheit beendet. Echtes Multi-Tasking gibt es nur für Standard-Anwendungen wie den mobilen Internet Explorer, den Musik-Player oder das Mail-Programm. Der Schritt ist verwunderlich, basiert Windows Phone 7 Series doch auf Windows CE, das von Hause aus Multi-Tasking-fähig ist. Die Entscheidung, weitgehend auf Multi-Tasking zu verzichten, begründet Microsoft mit der Feststellung, dass Benutzer Anwendungen oft unwissentlich in den Hintergrund verbannen, wo sie oft weiterhin den Akku beanspruchen. Microsoft gibt jedoch an, Multi-Tasking nachrüsten zu wollen, sobald man eine adäquate Lösung für die Aufgabe gefunden hat.

Windows Phone 7 Series stellt für Microsoft einen Neuanfang dar. Die neue Konsumentenausrichtung zeigt sich in der grafischen Aufmachung des Betriebssystems, vor allem aber in der neuen Plattformpolitik. Anders als frühere Versionen von Windows Mobile ist Windows Phone 7 Series eine geschlossene Plattform. Im Klartext bedeutet das, dass sich Anwendungen nur über den überarbeiteten "Windows Phone Marketplace" und erst nach Freigabe durch Microsoft verbreiten lassen. Wenig verwunderlich ist da die Sorge, unter Windows Phone 7 könnten bald iPhone-ähnliche Zustände herrschen. Dessen scheint sich Microsoft bewusst zu sein und gelobt größtmögliche Transparenz und Berechenbarkeit bei der Freigabe von Anwendungen. Ob Microsoft das Versprechen einhalten kann, bleibt abzuwarten. Die Tage von Windows Mobile als offener Plattform sind in jedem Fall gezählt. Lediglich Unternehmen will man künftig noch ermöglichen, den Marketplace zu umgehen und Anwendungen nur einem eingeschränkten Nutzerkreis zugänglich zu machen.