Die E-Bilanz kommt

Die vom BMF geplante Verpflichtung zur elektronischen Bilanz-Übermittlung an die Finanzverwaltung nach einem amtlichen Datenmodell hat in kleinen wie großen Betrieben sowie bei Steuerberatern für viel Unruhe gesorgt.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Der Siegeszug des digitalen Datenverkehrs ist nicht aufzuhalten – irgendwann gilt dies selbst bei Behörden und Organen der Rechtspflege. Was in vielerlei Hinsicht begrüßenswert ist, kann – wenn die Politik sich nur hinreichend bemüht – aber auch zum digitalbürokratischen Schildbürgerstreich geraten und sich schikanös auswirken. Ein Lehrbeispiel dafür bildet im Bereich des Steuerrechts die Verpflichtung zur elektronischen Bilanzeinreichung. Um in Deutschland bilanzpflichtig zu sein, braucht man
kein Großunternehmen zu besitzen. Ein kleiner Gewerbebetrieb oder eine (Mini-)GmbH genügt bereits.

Mit dem ambitioniert benannten "Steuerbürokratieabbaugesetz" vom 20. Dezember 2008 [1] ließ der deutsche Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble den neuen Paragrafen 5b ins Einkommensteuergesetz (EStG) aufnehmen [2]. Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen sollten ab 1. Januar 2011 "nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz" elektronisch an die Finanzämter übermittelt werden [3]. Ein Grund für dieses Anliegen war das Bestreben der Verwaltung, ihre Prozesse durch elektronische Abläufe zu verschlanken und neue Erkenntnismöglichkeiten zu erlangen, die die klassische Aktenform nicht bietet.

Die neu gewonnenen standardisierten Erklärungen sollen nach dem erklärten Willen der Verwaltung dazu dienen, Personal in den Finanzämtern einzusparen. Zudem lassen sich elektronische Risikomanagementsysteme einsetzen, um auffällige Datensätze durch EDV-gestützte Validitätsprüfungen, kennzahlenorientierte Verprobungen und Mehrjahresvergleiche herauszufiltern und dann näher zu untersuchen – etwa im Rahmen von Betriebsprüfungen. Wirtschaftsverbände, Steuer- und Wirtschaftsprüferorganisationen liefen gegen das Ansinnen Sturm. Sie wiesen darauf hin, dass die Praxis für ein derartiges Vorhaben nicht annähernd eingerichtet sei. Als unseriös empfanden die Betroffenen zudem Verlautbarungen aus dem Kreis der Verwaltung, die Umstellung des Buchführungssystems sei mit relativ niedrigen Kosten zu bewerkstelligen. Das Vorhaben war alles andere als gründlich vorbereitet. Verwaltungsanweisungen, die eine Hilfe für die Arbeit mit dem neuen System hätten darstellen können, fehlten vollständig.

Ein besonderer Grund für Ärger bei Betroffenen war das neue Anforderungsprofil der Verwaltung. Nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG hatte sich der Finanzminister die Erlaubnis erteilen lassen, den Mindestumfang der nach § 5b EStG elektronisch zu übermittelnden Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung zu bestimmen. Nicht genug damit, dass er mit der Neuregelung die Bilanzierenden erstmalig dazu verpflichtete, neben der Bilanz auch verbindlich eine Gewinn- und Verlustrechnung einzureichen. Die Verwaltung definierte auch einen neuen technischen Übermittlungsstandard für beides: Für den "amtlich vorgeschriebenen Datensatz" sollte XBRL (Extensible Business Reporting Language) zur Anwendung kommen. Das mit dem Verein XBRL Deutschland e. V. entwickelte Datenmodell findet zurzeit bereits Anwendung bei der Übermittlung zu den Veröffentlichungen im elektronischen Bundesanzeiger.

Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung sind nach verbindlich vorgeschriebenen Taxonomie-Schemata einzureichen. Diese Vorgaben sind vergleichbar mit einem Kontenrahmen und der zwingend dazugehörigen Kontenzuordnungstabelle mit Gliederungsschema. Dem Bilanzierenden wird daher vorgegeben, was er in welchem Umfang einzureichen hat und in welcher Form die Daten dem Finanzamt zu übermitteln sind. Der Mindestumfang der zu übermittelnden Daten ist in Muss-Feldern einzutragen. In Stammdaten-Modulen (GCD-Modul) werden Informationen zum Bilanzierer (Rechtsform, Sitz, Steuernummer, Wirtschaftsjahr, Gesellschafter) erfasst. Das ergänzende Jahresabschluss-Modul (GAAP-Modul) betrifft Daten aus Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen einschließlich steuerrechtlicher Überleitungsrechnungen, Kapitalkontenentwicklungen, Ergebnisverwendungsrechnungen und mehr. Als besondere Zumutung empfanden Unternehmer jedoch den Umfang der eingeforderten Angaben: Robert Heller, seines Zeichens Leiter der Steuerabteilung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHT), sprach von 700 Feldern, die mittelständische Unternehmen zusätzlich zu den handelsrechtlichen Vorgaben ausfüllen müssten. Im Durchschnitt müssten die Betriebe aus steuerlichen Gründen zehnmal so viele Kennzahlen bereithalten wie zuvor.